Quo vadis Helvetia?

Quo vadis Helvetia?

Nach dem Verdikt des Stimmvolks über das Gripen-Fonds Gesetz mit 53.4 % Nein Stimmen muss diese Frage gestellt werden. Wollen wir in Zukunft in einer Schweiz leben, die neutral und unabhängig ist? Wollen wir konsequenterweise diese Unabhängigkeit verteidigen? Wollen wir selber bestimmen was in unserem Luftraum passiert und adäquat reagieren? Viele Bürger bejahen diese Fragen, vordergründig sogar linke und grüne Kreise. Trotzdem werden die Finanzen nicht gesprochen, um die notwendigen Mittel zu beschaffen. Das bedeutet doch, wir wollen Fussball spielen, ohne den Spielern die uralten Fussballschuhe zu ersetzen.
von Manfred Hildebrand, Wallisellen
Warum ist es soweit gekommen? Einige Antworten glauben wir in den „wissenschaftlichen“ Analysen zu finden: Stadt-Land, Deutschschweiz-Romand, Parteizugehörigkeit, Geschlecht, Konfession usf. werden analysiert, interpretiert und mit anderen Abstimmungen verglichen. Aber geben diese kostspieligen Untersuchungen Aufschluss, um Ähnliches in Zukunft zu verhindern? Oder wollen wir in Zukunft Ähnliches gar nicht verhindern?
Fragen über Fragen, die je nach Couleur unterschiedlich beantwortet werden. Fakt ist, dass es verpasst wurde, Voraussetzungen zu schaffen, damit Fragen zur Sicherheit mit einer qualifizierten Mehrheit von über 70% beantwortet werden. Und Fragen zur Sicherheit dürfen nicht mit Parteien – die SVP ist für mich nicht wählbar –, nicht mit Personen – Ueli Maurer ist sowieso ein… – und auch nicht mit Instrumenten – der Gripen ist das falsche Flugzeug – gekoppelt werden. Der Bürger hat „JA“ gesagt zur Neutralität, zur Milizarmee, zur allgemeinen Wehrpflicht. Wie diese Aufgaben wahrgenommen werden, ist Aufgabe der Politik mit den Fachinstanzen. Sie definieren die dazu notwenigen finanziellen, personellen, materiellen Mittel und die Infrastruktur. So war es falsch, den Bürger zum Gripen-Fonds Gesetz zu befragen. Aufgaben, Verantwortung und Kompetenz der Instanzen sind nicht mehr im Lot.
Der Gripen ist in der Volksabstimmung durchgefallen, die kritischen und sarkastischen Kommentare über die Schweiz sind nicht ausgeblieben. Liebe Leser, die Crédit Suisse ist bereit, mit einem Schuldgeständnis der Chefs 2.6 Mia CHF. Strafe zu bezahlen. Für das Dach über der Schweizer Armee und die Sicherheit des Luftraumes sind 3.1 Mia CHF. zuviel. Traurig, und das Schuldgeständnis steht noch aus. Die Luftwaffe feiert 2014 das 100jährige Bestehen, so ein Jubiläumsgeschenk hat sie nicht verdient. Quo vadis????
Zum Glück gibt es aus der Aviatik doch noch eine Erfolgsmeldung: anlässlich der European Business Aviation Conference & Exhibition (EBACE) 2014 haben die PILATUS Werke aus Stans an den ersten beiden Messetagen sämtliche 84 PC-24 Businessjets, die in den ersten drei Produktionsjahren hergestellt werden können, verkauft. Der PC-24 ist erst als Modell vorhanden, hat noch keine Flugstunde absolviert, ist im Gegensatz zum Gripen also ein „echter“ Papierflieger. Ein unglaublicher Vertrauensbeweis für die Ingenieure und Techniker. Wo war dieses Vertrauen der Politik und der Bürger im Hinblick auf die Beschaffung des Gripen?

 

Kommentare: 15

  1. Erwin Kälin sagt:

    Offener Brief
    Vieles was hier geschrieben wird, finde ich ehrlich gesagt bloss noch absurd. M.E. müssten nach dem kapitalen Gripen-Flop an der Urne auch die Giardinos “Mut zur Kursänderung” beweisen. Der bisherige Kurs ist nämlich gescheitert und vom Volk abgelehnt worden.
    Sicherlich: Das Volk hat JA gesagt zur Milizarmee. Aber es hat nun auch NEIN gesagt zu einer milliardenverschlingenden Erneuerungslösung und zu einem diffusen Bündel von zahllosen Fragwürdigkeiten. Das muss man halt einfach akzeptieren – sowohl das qualitative wie quantitative Resultat. Da ist es einfach nur erbärmlich, wenn Herren à la Stucky auf Frauen und Romands höhnisch und selbstgerecht herabpissen. Da muss man schlichtweg sagen: Die Schweizer Demokratie selbst im Alter hin nicht mal im Ansatze kapiert: Durchgefallen.
    Die Kampfjet-Erneuerung scheiterte nicht am falschen Denken von missliebigen Mitbürgern oder am falschen Verkaufen der Flugis, sondern daran, dass die Armee generell in eine ungute, ja falsche Richtung abzudriften drohte.
    Dies lässt sich auch parademässig an der kompromisslose Haltung von Giardino aufzeigen: Bloss „Fachexperten“ sollten relevante Ausgestaltungs-Entscheide der Armee treffen dürfen. Dies ist einfach verfehlt. Gekrönt wird das Ganze noch durch die Haltung, dass ernsthaft ein paar Ü-60 gar Ü-70-Jährige von GG sich anmassen, diese „Fachexperten“ selber spielen zu wollen, ohne entsprechend Ausbildung, bloss weil man gerne „Räuber und Poli für Erwachsene“ spielte, man militärophil ist und vor 50 Jahren mal einen Armee-Jeep fuhr bzw. am Schnüerli eines Mörsers zog. Na ja…
    Und so kommen wir zu meinem essentiellsten Punkt:
    Wenn man darauf beharrt, dass sich das Volk bereit erklärt, sich an der Front fürs Vaterland verschiessen zu lassen, und das Volk gar dieser Lösung zustimmt und selber von A bis Z die ganze Chose noch selber finanziert, soll man – wenn man ein Fünkchen demokratischen Anstand hat – dem Volk wenigstens die Wahl lassen, womit es sich verteidigen will – und womit nicht. Wenn man also für eine Milizarmee einsteht, dann soll die Miliz auch ihre Waffen und Methoden wählen dürfen. Das haben aber offenbar noch viele Militaristen nicht kapiert. Also: Erst mal ab über die Bücher und rein in die Reflexionen!
    So wird man feststellen, dass die Armeeführung, Maurer und aber auch Giardino die falschen Fragen stellen bzw. die falschen Prämissen treffen:
    – bedingungslose, umfängliche aktive Neutralität
    -> Gibt es die überhaupt noch? Sinnhaftigkeit? Vorteile? Will das Volk die überhaupt noch?
    -> Nachbarschaftliche oder regionale Sicherheitsbündnisse dürfen keine reflexhaften Tabus mehr sein.
    – bewaffnete Neutralität
    -> Was heisst das genau? Wozu? Wie weit? Wie bewaffnet? Wie stark? Wie viel darf es kosten?
    -> Wieso kein Modell wie Liechtenstein? M.E. bedarf ein konsequent neutrales Land in einem von mutmasslich von Machtverhältnissen geprägten Staatensystem keiner effektiven Armee zur Verteidigung gegenüber aussen. Neutralität ist gleichzeitig ein Zeichen von machtmässiger Schwäche als auch eine Art Trumpf und Selbststärkung im staatlichen Mächtespiel. Eine Bewaffnung der Neutralität wäre hingegen ein Eingeständnis der Schwäche der Neutralität: Ein Eingeständnis, dass Neutralität keine Friedensgarant im Mächtekampf darstellen vermag. Nur dann könnte man sich das ganze Theater um die ewige Neutralität ja auch von Anfang an sparen. M.E. gibt es nur unbewaffnete, aber völlig konsequente Neutralität einerseits und volle Aufrüstung inkl. situativer Verbündung als valable Optionen andererseits.
    – Aufgaben der Armee
    -> Man kann und soll die BV nicht am Volkswillen vorbei auslegen. Wenn das Volk keine volle Flugsicherung sprich kein „Dach“ will bzw. nicht bereit ist, für sämtlichen angeblich erforderlichen Kosten aufzukommen (siehe auch nachfolgender Punkt „Kosten der Verteidigung“), dann ist das als Massstab zu akzeptieren und für eine Neuorientierung zu berücksichtigen. Die BV ist seit je her interpretierfähig; das gilt auch für den „Schutz von Land und Bevölkerung“.
    – Kosten der Verteidigung
    -> Dem Kostenträger und Leistungserbringer namens Volk war der Gripen als Flugzeugersatz zu teuer. Das ist ein Richtungsweis. Dass das Volk nicht bereit ist, noch mehr für seine Landesverteidigung auszugeben, zeigte sich auch im ETH-Bericht „Sicherheit 2013“. Daher gilt es in logischer Konsequenz die Armeeansprüche zu redimensionieren anstatt nach immer mehr zu schreien und stets vom „absoluten Minimum“ zu reden. Das bedeutet denn auch, dass die Armee gewisse Aufgaben mit weniger Kohle ausführen muss und gegebenenfalls halt Schutzaufgaben einzustellen hat. Es hilft auf alle Fälle nicht, wenn irgendwelche selbsternannten Fachexperten auf Basis von irgendwelchen Visionen irgendwelche Zahlen und Forderungen aus dem Hut zaubern, diese entgegen dem Volkswillen durchboxen und exorbitant finanziert haben wollen.
    -> Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass das Volk sehr wohl weiss, welches Risiko es mit der Nicht-Voll-Aus- und Aufrüstung eingeht. Risikos sind dazu da, abgewogen und eingegangen zu werden; das gilt ja genau gleich für jeden Bergwanderer und Autofahrer. Darüber hinaus: Die Zeiten des bedingungslosen Nationalismus sind vorbei, wo es hiess: Leben als Bürger im Staate XY oder sonst halt glorioser, heroischer, schlachtfeldmässiger Tod und Untergang mitsamt seiner Nation. Dass dieser geistige Schritt bei Armee und GG noch längst nicht Einzug gehalten hat, ist logisch und in gewisser Weise konstitutiv, da die Armee weitgehend auf dieser Denkprämisse aufgebaut und ausgestaltet ist. Und um den Kreis zu schliessen: Vielleicht spielen Schweizer Frauen und Romands diesbezüglich ja wirklich bereits geistig in einer höheren Liga.

  2. Fritz Kälin sagt:

    Die ganze Aufzählung ist nichtig, weil die Verantwortlichen den Gripenkauf fast ausschliesslich mit dem banalen “Luftpolizeidienst” begründeten. Auch die endlose Überstrapazierung des Begriffes ‘Sicherheit’… die Bundesverfassung führt bei den Armeeaufträgen bekanntlich andere Begriffe auf.
    Man hätte von Beginn weg eine Zweitypenflotte von über 50 Maschinen mit Durchsetzung der Neutralität gegenüber einem uns umgebenden Militärbündnis rechtfertigen müssen. Schliesslich ist die Neutralität gemäss Umfragen der mit Abstand grösste gemeinsame politische Nenner in diesem Land.
    Man ging bei der Kampagne stattdessen den Weg des vermeintlich geringsten Widerstandes, sprich: das preiswerteste Flugzeug für die wahrscheinlichsten, aber zugleich unbedeutendsten Einsätze. Damit köderte man kaum einen fundamentalen Armeegegner, aber man stiess die treueste Wählerbasis vor den Kopf, die seit jeher einer starken Armee zur Wahrung des Friedens in Unabhängigkeit die Stange hielt. Diese Leute fragen sich schon lange, warum die Armee bisher alle Abstimmungen gewinnt, aber die Politik ihr fortwährend Mittel entzieht. Man weiss von den eigenen wehrpflichtigen Angehörigen, dass es der Truppe an beschämend Vielem fehlt. Doch nun soll zuerst ein zweiter Kampfjettyp gekauft werden, um für die WEF-Besucher totalen, für das eigene Volk während dem Rest des Jahres aber ‘nur zu Bürozeiten’ für ‘Sicherheit’ zu sorgen? Da könnte man die Leute gerade so gut fragen, ob wir unsere Polizeikorps endlich personell aufstocken sollen – aber nur, um Falschparker und Schnellfahrer zu ahnden, nicht um das Verbrechen zu bekämpfen, weil Verbrechen im schönen, neuen Europa offiziell der Vergangenheit angehörigen.
    Eines ist klar: das Bekenntnis der bürgerlichen Parteien zur Armee (und ihren Verfassungsaufträgen) darf sich nicht mehr darin erschöpfen, alle 3 Jahre geschlossen ‘gegen eine GSoA-Initiative’ zu waibeln.

  3. Willy Stucky sagt:

    Vielleicht haben Sie recht, Herr Kälin. Vielleicht spielen viele Frauen und Romands tatsächlich in einer höheren Liga, und zwar in einer Liga, in welcher ein moralisch schöneres Fussball gespielt wird. Doch hier liegt der Hund begraben: Würde weltweit – oder nur schon in Europa – auf dieser moralischen Ebene gespielt, so brauchte es gar keine Armeen.
    Die Frage muss folglich lauten: “Warum gibt es überhaupt noch Armeen, und zwar auch noch in Europa und nicht nur in Russland?”
    Sie wollen uns doch nicht weismachen, Herr Kälin, dass es ausserhalb der angeblich nationalistischen Schweiz nur aus einem einzigen Grunde Armeen geben, nämlich weil alle friedliebenden Menschen Angst vor der schweizerischen Armee hätten.

  4. Gotthard Frick sagt:

    Unbewaffnete Neuralität? Zum Kommentar von Herrn Erwin Kälin:
    Was ist ein Krieg? Ein Kampf auf Leben und Tod zwischen zwei Staaten oder Staatengruppen. Nichts zählt dann mehr, als was einem selber militärisch nützt. Die Schweiz – mitten in Westeuropa – ist mit den Alpentransversalen, dem übrigen Verkehrsnetz, ihrem Luftraum, den grossen Flughäfen, ihrer Elektrizitätsproduktion, ihrer Wasserreserve in den Alpen und Seen und vielem anderen für jede zukünftige Kriegspartei von grösster strategischer Bedeutung und wird – da wir keine Armee mehr haben – leider in einen auch in Europa möglichen zukünftigen Krieg hineingerissen werden. Aber wir habe das ja so gewollt.
    Was für eine völlige Verkennung der Realität eines Krieges zu glauben, eine unbewaffnete, strikte Neutralität werde von irgend jemandem respektiert.
    Zu Beginn des 2. Weltkrieges waren Belgien, Dänemark und das zu ihm gehörende Island, Finnland, Griechenland, Jugoslawien, die Niederlande, Norwegen mit den Färör Inseln, Persien, Portugal mit Madeira neutral. Sie alle wurden von den Kriegsparteien überfallen. Ausser Finnland und Griechenland hatten alle mehrheitlich Erwin Kälins in der Bevölkerung, waren schon vor Kriegsausbruch demoralisiert und hatten keine starken Armeen aufgebaut.
    Belgien, Dänemark, Holland, Norwegen hatten keine starke Armeen und kapitulierten innert Tagen oder, Norwegen innert weniger Wochen vor Deutschland. Nachdem die Regierung des grossen Jugoslawiens von linken Kreisen gestürzt worden war und sich das Land mit der Sowjetunion verbündete, überfiel es Deutschland, praktisch ohne Gegenwehr der recht grossen jugoslawischen Armee (dieser Krieg kostet „nur“ 115 deutschen Soldaten das Leben). Die Briten hatten – unter Verletzung der norwegischen Neutralität und schon vor dem deutsche Angriff – die norwegischen Gewässer vermint, ein in einen norwegischen Fjord geflüchtetes deutsches Transportschiff geentert und ein Expeditionskorps losgeschickt, um die Färöer-Inseln zu besetzen.
    Zusammen mit der Sowjetunion überfielen die Briten, denen sich später noch die USA anschlossen, das neutrale, fast wehrlose Persien, benützten es als Nachschubroute und zwangen es, Deutschland den Krieg zu erklären. Die USA zwangen das neutrale Portugal, ihnen die Insel Madeira als Luftstützpunkt zu überlassen.
    Der sozialdemokratische Ministerpräsident Finnlands brüstete sich damit, kein Geld für Waffen verschwendet zu haben. Wenige Wochen später überfiel die Sowjetunion das Land mit seinen 3 Millionen Einwohnern (der Premierminister trat sofort zurück) mit einer riesigen Streitmacht, aber die Finnen, ohne schwere Waffen, aber auch ohne Erwin Kälins, verteidigten sich erbittert 4 Monate lang, unterstützt durch viel Schnee und eisige Kälte, mussten dann aufgeben und Land abtreten, durften aber als einziges aller von der Sowjetunion besiegter Länder ihr demokratisches politisches System behalten und mussten nicht dem Ostblock beitreten. Stalin löste sogar eine von ihm schon mit finnischen Kommunisten gebildte Exilregierung auf. In allen anderen besiegten Ländern wurden solche Exilregierungen eingesetzt.
    Griechenland feierte am 28. Oktober jeden Jahres den NEIN-Tag als nationalen Feiertag. Weshalb und warum heisst er NEIN-Tag? Weil am 28. Oktober 1940 Italien ein Ultimatum stellte. Sollte es abgelehnt werden, bedeute das Krieg. Noch am gleichen Tag skandierten die Griechen aller politischen Richtungen, sie hatten keine Erwin Kälins, an Massendemonstrationen “NEIN, NEIN, NEIN” (“OCHI”), NEIN zur Unterwerfung. Die griechische Armee hielt dem Angriff nicht nur stand, sondern trieb die grosse Angriffsarmee weit nach Albanien hinein zurück, wo die Italiener stecken blieben. Hitler hatte unterdessen die 12. Armeen ins verbündete Bulgarien verschoben, um die Sowjetunion anzugreifen. Diese erhielt dann den nicht vorhergesehenen Auftrag, zuerst noch Griechenland quasi von hinten anzugreifen. 6 Monate nach Angriffsbeginn mussten die Griechen doch kapitulieren. Aber wegen dieses langen griechischen Widerstandes verzögerte sich der deutsche Angriff auf die Sowjetunion derart, dass die Wehrmacht unvorbereitet in den russischen Winter geriet und vor Moskau die erste katastrophale Niederlage des 2. Weltkrieges einsteckte. Der grosse britische Kriegspremier Churchill meine dazu: „Von jetzt an werden wir sagen, das Helden wie Griechen kämpfen.“
    Und die Schweiz? Unmittelbar vor und nach Beginn des 2. Weltkrieges untersuchten die deutschen, französischen und britischen Generalstäbe, ob es sich für ihre eigene Armee lohnen würde, den Feind durch die Schweiz anzugreifen oder – umgekehrt – ob es sich für ihren Feind lohnen würde, ihre eigenen Stellungen durch die Schweiz zu umgehen. Trotz unserer auch erkannten Schwächen kamen alle zum Schluss, ein Angriff durch die Schweiz sei angesichts der grossen Schweizer Armee und dem schwierigen Gelände nicht erfolgversprechend. Zu dieser Schlussfolgerung schrieb der deutsche Generalstabschef, Generaloberst Halder, der Architekt der grossen deutschen Siege, in das Kriegstagebuch. “Eine Umgehung” (er meinte der französischen Front), “durch eine unverteidigte Schweiz wäre eine verlockende Möglichkeit”.
    1943 war die Lage Deutschland bereits sehr kritisch. Deutschland fürchtete, die Schweiz könnte freiwillig oder von den Alliierten militärisch gezwungen werden, auf deren Seite in den Krieg einzutreten. Das führte 1943 zur Ausarbeitung des letzten deutschen Angriffsplanes auf die Schweiz. Sein Zweck, den Alliierten durch eine präventive Besetzung jede Hoffnung zu nehmen, die „Schweiz in ihre militärischen Spekulationen einbeziehen zu können“. In der Planung wird festgestellt, die Schweiz sei strikt neutral und werde sich jedem Angreifer entgegenstellen. Auch wird es wird für unmöglich gehalten, dass die Schweiz von sich aus in den Krieg eintrete. “Ein Einfall in ein fremdes Land” sei mit der „Schweizer Mentalität“ überhaupt nicht vereinbar. Also ging es nur darum, wie man die Schweiz besetzen könne, damit sie von den Alliierten nicht besetzt werden könne. Dann seine Beurteilung der deutschen Erfolgsaussichten: “Die Bezwingung der sich erbittert verteidigenden Truppen im Hochalpenreduit wird eine schwer zu lösende Aufgabe darstellen”.
    Aber auch 1944, als die Alliierten lange an der deutschen Verteidigungsfront in Frankreich stecken blieben, stellte sich die Frage nochmals. Stalin forderte die Alliierten ultimativ auf, die deutschen Abwehrlinien durch einen Angriff durch die Schweiz zu umgehen. Die US Streitkräfte waren inzwischen mächtig und kriegserfahren. Ihr Generalstab (Joint Chiefs of Staff) prüften diese Option und kam zum Schluss, die kleinen, aber anerkannt effizienten Schweizer Streitkräfte im Kampf auf ihrem eigenen Boden würden den Erfolg eines solchen Unternehmens zweifelhaft machen (“doubtful”).
    Soviel zu Herrn Erwin Kälin’s Meinung zur unbewaffneten Neutralität.
    Gotthard Frick
    (Quelle: „Hitlers Krieg und die Selbstbehauptung der Schweiz 1933-1945“, Gotthard Frick, ISBN9783033029484)

  5. Hans Ulrich Suter sagt:

    Wir müssen immer daran denken, wenn man das Staatsmodell der “Linken und anderen Weltoffenen (also die die nicht ganz dicht sind)” umsetzt, dann haben wir ein wirtschaflich darniederliegendes Land, das von einer grauen Bevölkerung bevölkert wird (Unterschiede wie Mann oder Frau, nicht aml der Rasse) werden nicht mehr toleriert. Die Leute sind multikulturell, das heisst ohne individuelle Geschichte, keine individuellen Wünsche und Träume, ohne singluäre kulturelle Leistungen. Das alles wird erreicht, in dem man die Kinder schon früh in Tagesstätten, danach in Schulen schickt, wo nicht mehr Wissen sondern Kompetenzen in die Jugendlichen reingeprügelt werden (kennen wir ja von der Grundausbildung der US Army, n ur noch schlimmer!). Ein solches Land muss man auch nicht verteidigen und daher ist es nur konsequent, wenn die Armee von der SP abgelehnt wird. Sowas muss man nicht verteidigen, eine Besetzung wäre eine Erlösung! Die Schweizer müssen sich halt entscheiden ob sie das wollen, wir können nur militärische Dienste anbieten, aber auch nur für einen freien Staat, nicht für die Karikatur von “Brave New World”.

  6. Willy Stucky sagt:

    Herzlichen Dank, Herr Frick, für Ihren glänzenden Abriss der Kriegsgeschichte des Zweiten Weltkrieges! Und herzlichen Dank, Herr Suter, für Ihren Mut, unseren Visionären den Spiegel vors Gesicht zu halten! Tatsächlich ist die menschenverachtende Erziehung zur totalen Gleichschaltung aller Individuen und Völker nach dem überraschenden Zusammenbruch der Sowjetunion wieder salonfähig geworden.
    Das Schlimmste ist, dass jede Diskussion darüber von den Visionären im Keim erstickt wird, und zwar mit dem Keulen-Argument, wer nicht für ihre Visionen sei, sei ein Kriegshetzer.
    Die Befürworter einer starken, eigenständigen schweizerischen Armee sind aber keineswegs Kriegshetzer, sondern verantwortungsbewusste Individuen, welche die Verteidigung eines ausserordentlich erfolgreichen Staatsgebildes über ihr eigenes (sowieso limitiertes) Leben stellen, was jedoch ohne starke Armee zu viel mehr Blutvergiessen führen könnte als mit einer starken Armee.

  7. Willy P. Stelzer sagt:

    Die SP hat mit ihrem Partei-Programm 2010 beschlossen (auf Antrag des damaligen JUSO Cédric Wermuth, ewiger Student, jedoch heute wohlbezahlter Nationalrat) die Armee abzuschaffen. Grundlage für diesen Entscheid war die im Jahre 2006 von Frau NR Barbara Haering-Binder ausgearbeitete SP-Strategie. Die SP ist in ihren Anstrengungen, im Gegensatz zum bürgerlichen Lager, konsequent. Vergessen wird was Bundesrat Rudolf Minger in ernster Zeit sagte: “Ein Volk, das den Willen zu seinem Schutz nicht mehr aufbringt, verdient, dass es untergeht”. Die schweizerische Wohlstandgesellschaft ist auf dem besten Wege dieses unsägliche Ziel zu erreichen. Man lese im Buch “Erinnerungen an die Armee 61” das Kapitel 3.1. des ehemaligen Generalstabschef Heinz Häsler.

  8. Alain Vincent sagt:

    Es ist schlichtweg ein Witz, wenn “Sicherheitspolitiker” glauben, dass sie entscheiden müssen, was für ein Flugzeug oder Fahrzeug das richtige für unsere Armee sein soll.
    Bei einer Feuerwehr bestimmt ja auch eine Arbeitsgruppe aus Feuerwehr-Offizieren, und nicht der Einwohnerrat, welche Fähigkeiten ein Tanklöschfahrzeug haben muss oder welches Markenzeichen auf dem Kühlergrill des Fahrzeugs prangen wird.
    Ebensowenig tun die Gesundheitspolitiker den Chirurgen vorschreiben, welche Werkzeuge sie verwenden müssen (obwohl die Kosten dauernd steigen).
    Allein die Tatsache, dass eine Volksabstimmung über diese Flugzeugbeschaffung stattfand, zeigt, wie die Schweiz “zu Boden verwaltet” wird. Und dass es hier kaum noch staatstragende Politiker gibt.

  9. Sebastian Huber sagt:

    Vielen Beiträgen hier im Forum ist die Verbitterung über die momentane Armee-Situation (und nicht nur über die verlorene Grippen-Abstimmung) deutlich anzumerken. Wir haben mit der direkten Demokratie ein riesiges Privileg, um das uns alle anderen beneiden. Dabei besteht das Risiko, dass auch Leute ihren “Senf dazugeben” dürfen, die keine Experten sind. Aber das Volk ist nicht dumm oder unfähig. Es folgt denen, mit den besseren Argumenten. Bei einer fairen Abstimmung besteht immer das Risiko, dass man verliert. Leider ist das jetzt passiert. Das Volk, der Oberbefehlshaber, hat entschieden. Diese Entscheidung gilt es zu akzeptieren und umzusetzen.
    Viel wichtiger ist jetzt doch die Frage: Warum hat das Volk so entschieden? Ich glaube, dass Volk ist nicht gegen die Armee. Aber viele sind gegen die jetzige Schweizer Armee. Dies hat verschiedene Gründe. Einige, eine Minderheit, sind grundsätzlich gegen alles Militärische. Andere, wie die Gruppe Giardino, kennen die momentane Armee vor allem vom Papier her und kritisieren mangelnde Grösse, Ausrüstung, Ausrichtung, Gliederung u.v.m. Manchmal macht es den Eindruck, Sie wollten einfach die Armee 61 zurückhaben. Diese war sicherlich leistungsfähiger, hatte aber auch viele Mängel. Und vor allem musste sie sich niemals im Kriege bewähren! Wir wissen also nicht, ob sie so gut gewesen wäre, wie wir glauben. Ich kann, wahrscheinlich als einer der wenigsten hier, die Armee von innen beurteilen. Und da zeigen sich meiner Meinung nach die grössten und schlimmsten Mängel. Weil sie sich direkt auf die Moral der Truppe auswirken. Jeder, der momentan eine RS, eine Kaderschule oder ein WK absolviert und dabei das Hirn nicht einfach auf “Off” stellt, kommt zum Schluss, dass das Ganze gar nicht funktionieren kann. Neben den bekannten Giardino-Mängeln, ist unsere Armee weder motiviert, noch genügend ausgebildet, noch effizient geführt. Um dies zu verschleiern, werden irgendwelche Inspektionen oder Vorführungen durchgeführt, die tagelang einstudiert werden und mitnichten den wahren Ausbildungsstand der Truppe zeigen. Vielfach liegen diesen Übungen Szenarien zugrunde, die eher an Afghanistan als an die Schweiz erinnern. Solange das nicht geändert wird, können Sie 1000 Gripen kaufen. Es wird nichts nützen! Niemand mit Verstand investiert in ein Fass ohne Boden. Und wenn die Verantwortlichen nicht bald an einen Tisch sitzen und eine nüchterne, ehrliche Beurteilung der Bedrohungslage vornehmen und darauf bezahlbare, brauchbare Lösungsvorschläge (nicht Armee 61-Maximalforderungen und nicht Jo Lang-Minimalforderungen) definieren, sehe ich schwarz!
    Bitte: Nehmt die Sache ernst! Wir können uns nicht vorstellen, welch schreckliche Dinge passieren können, wenn wir es nicht tun!

  10. Erwin Kälin sagt:

    Da haben einige gestandene Herren und selbsternannte Militär-Versteher offenbar den essentiellsten Grundsatz der Schweizer Armee selbst im vorgeschrittenen Alter noch nicht verstanden: Das Milizprinzip.
    Dieses wirkt nun mal nicht bloss als simple und unentgeltliche Vaterlandespflicht zum Einrücken, sondern wirkt sich bis in Details und Teilaspekte der Schweizer Armee aus. Es ist nun mal ein meilenweiter Unterschied, ob Personenverbände ihre Leute berufsmässig gegen Geld anstellen oder alle Landesbürger per se zur Teilnahme verpflichtet sind – bis hin zur Hingabe des eigenen Lebens. Die Identifikation der Bürger mit der Armee und die bedingungslose Überzeugung dazu ist hochgradig essentiell im Milizsystem – aber man erzielt dies nicht bloss durch einen gedruckten BV-Artikel.
    Die Leute müssen das durchdringende Milizprinzip nun mal auch in seinen Vorteilen spüren: Oder um es in Abwandlung von Lincoln zu sagen: „Army of the people, by the people, for the people“.
    Solange man auf das Milizprinzip setzt, soll es – soweit möglich und verhältnismässig – gefälligst auch die Miliz sein, die alle relevanten und fundamentalen Entscheide fällt, welche Ausgestaltung und Ausrüstung der Armee betreffen. Dies ist man den Milizionären sprich dem Volk schuldig. Erst wenn man auf ein Berufsheer umstellen würde, kann man legitim Anspruch nehmen, dass bloss ausgewiesene Fachexperten sämtlich Entscheide technokratisch festzulegen sollen.
    Und das Milizprinzip es halt eben, was das Schweizer Militär von Gesundheitswesen, Medizin, Polizei oder den „bösen“ Sozial-, Asyl- und Entwicklungshilfeindustrien grundlegend unterscheidet. Tja, so sieht die Realität aus; täublen, trötzeln und schimpfen hilft gar nichts dagegen.

  11. Alexander Steinacher sagt:

    Na klar doch, da liegt das Problem begraben, viele von uns, vor allem die gestandenen Herren von Giardino (wie immer Erwin Kälin das auch meint)verstehen uns selbst nicht mehr, wir, unser Milizprinzip. Wir verteidigen es ja auch nur wegen einem gedruckten BV-Artikel! Und die Miliz soll also alle relevanten und fundamentalen Entscheide fällen, welche Ausgestaltung und Ausrüstung der Armee betreffen. Genau! Dann wäre das “Geschäft” mit der Flugzeugbeschaffung, und dahinter der Ausrüstung und Ausbildung aber garantiert anders gelaufen. Sebastian Huber spricht in seinem Aufruf von Verantwortlichen. Tatsächlich ist es auch im Milizsystem und der direkten Demokratie so, dass die Details und Ausführungen an Verantwortliche delegiert werden müssen. Und diese Verantwortlichen werden von der “Miliz” nach entsprechend vorhandenen Qualifikationen ausgesucht, bzw. gewählt. Die Mischung im letzten Satz zwischen Militär, Gesundheitswesen, Medizin, Polizei usw. verrät, dass Herr Erwin Kälin Mühe hat, Organisationsprinzipien, Entscheidungskompetenzen und Verantwortlichkeiten im Zusammenhang zu verstehen. Damit versucht er sich wohl selber von den wesentlichen Fragen abzulenken. Er lese doch (noch?) einmal die Erklärungen von Gotthard Frick!

    • Erwin Kälin sagt:

      @Steinacher: Die in der Tat unsinnige Mischung wurde nicht von mir angerissen, sondern von den Herren Vincent und H.U.Suter. Aber ich leite Ihren berechtigten Einwand gerne weiter.
      Herrn Frick nimmt in seiner (ausführlichen) “Erklärung” keine Stellung zu der essentiellen von mir aufgeworfenen Frage des Zusammenspiels von Armee, Milizprinzip und direkter Demokratie. Vielmehr legt er bloss seine Sicht auf die auch von mir eingewandte “unbewaffnete Neutralität” dar; wobei er hierbei bloss die vermeintliche Situation der Schweiz im 2. WK beizieht, aber keine generellen grundsätzlichen Analyse betreibt oder Brücken in die Gegenwart schlägt. Daneben stützt er sich faktisch primär auf zusammengesuchte Einzelstatements von Militärs, welche er als reale Gesamtbeurteilungen und Tatsachen abbucht. Wenn ich x Privattagebüchern, Briefe und Notizen von irgendwelchen Offizieren von damals nur genug lange durchblättere, finde ich sicherlich auch zahllose Einträge, die genau das Gegenteil von Herrn Fricks Ausführungen “belegen”.

  12. Ich freue mich über die rege benutzte Gelegenheit zur Diskussion. Es gibt in der Tat verschiedene Sichtweisen. Mein grosses Anliegen an alle Diskussionsteilnehmer/-innen ist es, Sie alle einzuladen, das Buch “Mut zur Kursänderung – Schweizerische Sicherheitspolitik am Wendepunkt” zu LESEN und sich dann anschliessend eine Meinung zur komplexen Fragestellung “Wie weiter mit unserer Landesverteidigung” zu bilden. Das Buch kann jederzeit(und via Internet) zum Preise von Fr 25.– bezogen werden.
    Hermann Suter, Präsident Gruppe GIARDINO.

  13. Kurt Anton Brugger sagt:

    Hallo Giardinos,
    Seit dem Gripen-Nein täglich neue Hiobs-Botschaften! Die letzten Konsequenzen sind noch lange nicht absehbar.
    Analysen sind gut. Es braucht diese um Klarheit zu schaffen. Vor jeder Abstimmung findet ein Meinungsbildungs-Prozess statt. Das untaugliche Vorgehen der Befürworter ist aus den Analysen nicht ersichtlich.
    Den Befürwortern ist es nicht gelungen, eine Mehrheit zu finden. Warum?
    1. Uneinheitliches Auftreten in der Oeffentlichkeit. Widersprüchlichkeiten in der Argumentation und mangelhafte Information.
    2. Politik und militärische Führung konzeptlos, in Einzelfällen die Gegner geradezu ermuntert zur öffentlichen Polemik.
    3. HSO (Gst und TrpKdt) samt SOG, KOGs und anderen paramilitärischen Vereinigungen sind bei dieser anspruchsvollen Ueberzeugungsarbeit mit sich selber beschäftigt gewesen. Die Oeffentlichkeit hat wenig bis gar nichts von ihnen gehört.
    Mit soviel Passivität lässt sich ein derart emotional geführter Abstimmungskampf nicht gewinnen. Nun schiessen die Gegner und Armeeabschaffer aus allen Rohren. Im Parlament werden wir schon bald wieder von ihnen hören (Sommersession).
    Was ist zu tun? Unter Federführung der (noch) verlässlichen Parteien (eventuell nur der SVP) mit den Armeebefürwortern (inkl allen zugehörigen Organisationen) die Lancierung einer Verfassungs-Initiative an die Hand nehmen: “Wehrhafte Schweiz”. Ziel: Die Landesverteidigung (als Teil der Sicherheit für Volk und Territorium) mit allem was dazu gehört in der BV verankern.

Kommentare sind geschlossen.