'Freikorps' als Speerspitze der nächten Osterweiterung?

'Freikorps' als Speerspitze der nächten Osterweiterung?

J.-C. Juncker warnte davor, dass in Europa diverse Kriegsgeister nur ‘ruhen’ würden. Ein besonders kriegerischer Geist ist nun wieder erwacht: junge, militaristische Männer mit politisch extremen Vorstellungen schliessen sich zu ‘Freikorps’ zusammen, um im eigenen Land gegen andere, ähnlich gepolte Männer zu kämpfen. Die Rede ist von den ultranationalistischen Freiwilligen, die im Donbass gegen die Separatisten antreten. Dazu ein Artikel im britischen Independent, keineswegs ein ‘russophiles’ Blatt: (Link)
Der Ukraine wird keine Brückenfunktion zwischen West und Ost zugebilligt. Die neue Regierung in Kiev hat von ihren westlichen Patrons den Auftrag bekommen, das innerlich zutiefst gespaltene Land (ausgenommen Krim) vollständig in den Westen zu integrieren. Doch Kievs Armee scheint nicht in der Lage zu sein, das staatliche Gewaltmonopol im Donbass selber herzustellen. (Dort ist der Staat übrigens schon seit Sowjetzeiten ähnlich ‘präsent’ wie in Sizilien.) Deshalb wird der Teufel nun mit dem Beelzebub ausgetrieben (siehe Artikel des Independent unten).
Wieso lässt Kiev rechtsradikale Battaillone für sich kämpfen? Es dürfte nicht nur an der mangelhaften Ausrüstungs- und dem ungenügenden Ausbildungsstand der regulären Streitkräfte eine liegen. In diesen Bereichen haben die ‘Freiwilligen’ kaum mehr auf dem Kasten. Der Vorteil dieser ultranationalistischen Freiwilligen gegenüber der Armee besteht vermutlich darin, dass sie aufgrund ihrer politisch homogenen Zusammensetzung bzw. Einstellung viel weniger Skrupel als die legalen Streitkräfte haben, gewaltsam gegen Landsleute vorzugehen. Es erscheint naheliegend, dass die ukrainische Armee (und die militärische Führung) bislang aus Skrupel vor eigenen und zivilen Verlusten nicht ‘effektiv’ gegen die Separatisten vorzugehen wagte. Denselben Skurpel legte die Armee an den Tag, als sie sich weigerte, für Janukowitsch jene Kräfte auf dem Maidan zu zerschlagen, die nun offenbar hochgerüstet in der Ostukraine zum Einsatz kommen. Ob dies der Grund ist, weshalb Poroshenko die militärische Führung auswechselte, bevor er die jüngste Offensive wagte?
Soweit bekannt, sind diese ukrainischen Ultranationalisten (genau wie seinerzeit die Freikorps in der Weimarer Republik) dem neuen Staat gegenüber innerlich genauso feindselig eingestellt wie gegenüber den Separatisten, die sie derzeit im Namen dieses Staates bekämpfen. Finanziert werden sie, gemäss Independent-Artikel, von Oligarchen. Wer kann das begrüssen? Und dann nennen sich solche Verbände noch ‘Schwarze Armee’ – ob die namentliche Ähnlichkeit mit der ‘Schwarzen Reichswehr’ nur Zufall ist?
Die Nato, EU, die USA und die europäischen Staaten dulden es offensichtlich, dass sich ihre Einflusszone mithilfe von ultranationalistischen Freikoprs gegen Osten erweitert. Aus Schweizer Sicht ist es auf lange Sicht bedenklich, dass sämtliche sicherheitspolitisch relevanten Player in unserem Umfeld keinen moralischen Kompass zu besitzen scheinen. Nach all der Empörung über den Sitzgewinn nationalistischer Parteien im EU-Parlament hält sich nun die Besorgnis der einschlägigen Friedensnobelpreisträgern über Geländegewinne ultranationalistischer Freischärler auffällig in Grenzen. 
Memento: Ein vergleichbares jüngeres Beispiel sind die Hizbollah und andere freiwillige Milizen in Syrien, welche die schwer bewaffnete, aber personell ausgedünnte Armee Assads mit dringend benötigter manpower gegen die Aufständischen unterstützten. Auch Libyen wird die Geister nicht mehr los, die gegen Gaddafi gerufen wurden. Und im Irak ist eine von den USA für zich Milliarden hochgerüstetete Armee ebenfalls auf die Hilfe von Milizen/ Freiwilligen etc. angewiesen, um sich gegen einige tausend leicht- bis mittelmässig bewaffnete Islamistenkrieger behaupten zu können.
Nun haben wir also auch in Europa ein Musterbeispiel dafür, wie rasch in einem (halbwegs demokratisch-europäischen!) Staat das staatliche Gewaltmonopol herausgefordert und aus den Angeln gehoben werden kann. Motivation/Moral und zahlenmässige Stärke scheinen in solchen Szenarien weit mehr gefragt zu sein, als hochentwickeltes Militärgerät. Die vielen Beispiele der letzten Jahre lassen den Schluss zu, dass es sich hier um einen Trend handelt, den sicherheitspolitische Planung berücksichtigen muss bzw. sollte. Die Schweiz mit ihrem zahlenmässig starken, im Volk gut verankterten Milizheer könnte solche Szenarien heute weit besser von sich fernhalten, als ihre Nachbarn. Allein, die geplante Halbierung des Armeebestandes auf 100’000 AdA droht unsere Armee der einzigen Stärke zu berauben, welche durch die unselige A XXI noch nicht demontiert wurde: Manpower (mit einhergehender Verankerung in der Bevölkerung und Durchhaltefähigkeit im Einsatz).
Zur Kurzorientierung über die ‘Freikorps‘ und ‘Schwarzer Reichswehr‘ in der frühen Weimarer Republik genügt ein Blick in die entsprechenden Wikipedia-Artikel.

 

Kommentare: 4

  1. Fritz Kälin sagt:

    So wird die ‘prorussische’ Seite durch Radio Free Europe dargestellt – dementsprechend vorsichtig muss man die gemachten Äusserungen zur Kenntnis nehmen. Unabhängig davon, wieviel davon stimmt, lohnt es sich zu lesen, welches Bild im Westen von diesen Kämpfern vermittelt werden soll.
    http://www.rferl.org/content/ukraine-i-was-a-separatist-fighter/25455466.html
    Am unglaubwürdigsten ist seine Behauptung, die Kämpfer würden dafür nicht bezahlt. Überhaupt gibt er nirgends seine Motive an, wofür er sein Leben riskierte (wenn nicht für Geld). Zumal man ihm, gemäss seiner Aussage, von Anfang an klar gemacht hatte, dass dieser Einsatz sehr wahrscheinlich tödlich enden könnte.

  2. Peter H. Kuhn sagt:

    Das Problem besteht vor allem durch die unglaublich machtgierige EU (heute EUdssR genannt), die mit Rückendeckung der USA ihren Machtbereich immer weiter nach Osten verschieben will. Nötigenfalls sogar gegen grosse und grösste Volksmehrheiten. Die können ja nicht genügend Bankrotteure aufnehmen, die andere dann bezahlen müssen! Drohungen, Erpressungen, Sanktionen und gescheite Belehrungen gehören ebenso zum Repetoire, das wir ja bestens kennen. Dazu sind Kiew sogar Battaillone von wirklichen Extremisten gut genug. Putin soll und muss sich standhaft wehren! Unsere neutraler, unabhängiger, freiheitlicher Weg ist immer noch weitaus der beste Weg! Sichergestellt und verteidigt durch eine starke, glaubwürdige Armee! Den Anpassern, Duckmäusern und Ausverkäufern in der Regierung und Verwaltung ist eine klare, eidgenössische Antwort zu erteilen!

  3. Kurt Brugger sagt:

    Guten Abend Giardinos,
    In allen kriegerischen Konflikten der letzten hundert Jahre, hatten Freischärler nationalistischer Ausrichtung die Hand im Spiel. Meistens vor Beginn der eigentlichen Kampfhandlungen zwischen den verfeindeten Nationen. Ihre Motive für den Griff zu den Waffen sind unterschiedlich, alle sehen sich als Beschützer ihrer Nation und ihrer Mitbürger. Eigen ist ihnen ihr ausgeprägter Hang, Macht zu demonstrieren und aus zu üben. Gleichzeitig zeichnet sie aus, ihr unerschütterlicher Glaube an die Legitimität ihres Handelns. Unter die Mitläufer mischen sich auch abendteuerliche Hasardeure, die in ihren Träumen glorifizierte Heldengeschichten erahnen, sich selber in historischer Rolle sehen.
    Diese Freikorps im erneut aufkeimenden Konflikt Ost-West, die geo-politischen Differenzen um die Ukraine, stellen ein Gefahrenpotential dar, das innert Tagen aus dem Ruder gelaufen ist. Aus dem angeblichen Bürgerkrieg, ist ein Streit zwischen den Mächtigen dieser Welt entstanden, mit ungewissem Ausgang.
    Die Schweiz täte gut daran, unter Wahrung einer unbestechlichen, neutralen Haltung, diese Zwietracht aus der Distanz zu beobachten. Humanitäre Hilfe zu leisten wo diese erforderlich ist. Der EU zu verstehen geben, dass Zahlungen zu gunsten der Ukraine (Kohäsionszahlungen) bis auf weiteres nicht erfolgen werden, aus Gründen unserer neutralen Haltung.

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