Wortprotokoll: Postulat Föhn Peter. Reaktionsfähigkeit in Krisensituationen verbessern. Bestandeserhöhung für die Armee

Wortprotokoll: Postulat Föhn Peter. Reaktionsfähigkeit in Krisensituationen verbessern. Bestandeserhöhung für die Armee

Peter Föhn (SVP/SZ): “Es geht hier um ein Postulat. Wir erinnern uns noch sehr gut an die Diskussion über die Weiterentwicklung der Armee hier im Saal in der letzten Session. Damals hatte ich angekündigt, dass ich allenfalls einen persönlichen Vorstoss machen könnte mit dem Ziel, dass in einem Bericht darzulegen sei, wie eine Bestandserhöhung der Armee aussehen könnte, und zwar für zwei verschiedene Grundmodelle. Ein Modell würde eine grundsätzliche Erhöhung des Bestandes der Armee nach sich ziehen von 100 000 auf 120 000 oder allenfalls 140 000 Armeeangehörige, voll ausgerüstet. Das zweite Modell würde auf einer Reserve von 20 000 oder 40 000 mehr Armeeangehörigen basieren, einzig und alleine ausgerüstet mit der persönlichen Waffe und dem Allernotwendigsten. Mir schwebte einfach vor, dass die Leute länger im Militärdienst bleiben würden.
Der Bundesrat hatte mich damals dahingehend unterstützt und gesagt: “Es müsste dann vielleicht ein Auftrag in Form eines Vorstosses des Parlamentes erfolgen, in dem präzise gefordert wird, was man berechnen soll. Dann kann man das berechnen. Die Frage ist natürlich schon interessant.” Er bat mich, diese Frage von der Weiterentwicklung der Armee zu entkoppeln, und sagte, dass man in einem nächsten Schritt diese zusätzlichen Massnahmen aufzeigen könnte. Entsprechend hat er meinen Einzelantrag damals natürlich abgelehnt.
Ich zitiere, was der Bundesrat weiter gesagt hat: “Wenn Sie Ihre Fragen weiterverfolgen, dann wäre es wohl sinnvoll, dass das Parlament bzw. Ihr Rat hier einen Vorstoss überweist und einen Auftrag erteilt. Dann kann der Bundesrat das prüfen. Ich denke, dass ein solcher Vorstoss, diese Fragen zu prüfen, durchaus Chancen haben könnte, wenn er dann nicht allzu weit nach den Sternen greift.” Einzig im Schlusssatz schwächte er richtigerweise ab, dass er natürlich von sich aus keine Zusage geben könne, aber dass mir ja die parlamentarischen Möglichkeiten offenstünden.
Diese Möglichkeit habe ich, wie schon gesagt, beim Schopf gepackt und wie angekündigt ein Postulat eingereicht. Auch der Kommissionspräsident und damalige Kommissionssprecher Kuprecht betrachtete mein Anliegen absolut als begründet.
Mit der Antwort des Bundesrates bin ich auf keinen Fall zufrieden, und ich halte, wie gesagt, am Postulat fest, denn es geht ja nicht schon um eine Erhöhung des Bestandes, sondern schlicht darum, einzig darüber nachzudenken, welche finanziellen und zeitlichen Ressourcen in einen Aufwuchs investiert werden müssten. Es geht schlicht nur darum, die Zahlen zu kennen und über das Vorgehen nachzudenken. Es kann doch nicht sein, dass wir in der heutigen unsicheren und schnelllebigen Zeit nicht zumindest ein Krisenszenario andenken. Eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik besteht doch gerade darin, dass man sich ständig mit Risiken und Gefahren befasst. Wenn wir aber nicht bereit sind, solche Überlegungen anzustellen, dann ist das nichts anderes als ein Denk- und Planungsverbot für Krisenszenarien. Das ist schlicht fahrlässig. Es ist doch ein Gebot der Vernunft, dass man sich zumindest Gedanken macht, wie man in einem krass veränderten Sicherheitsumfeld reagieren könnte – denken wir nur noch einmal zurück an die 88 000 Sicherheitskräfte in Frankreich, die Anfang Jahr nach den Pariser Attacken im Einsatz standen. […]
In die Zukunft schauen ist angesagt. Es gilt noch zu sagen, dass ich meinen Antrag bei der Behandlung der Weiterentwicklung der Armee zurückzog, weil man mich eben motivierte, etwas zu unternehmen und einen Vorstoss zu machen. Und jetzt will man, Herr Bundesrat, von diesem Vorstoss nichts mehr wissen. Entweder sind Sie beim Gesamtbundesrat angerannt, oder ich verstehe schlichtweg die Welt nicht mehr.
Zitate aus der Diskussion:

“Wenn wir nun hingehen und eine Armee planen, die weit grösser ist als die, die wir im Moment beraten, dann nehmen wir uns doch jegliche Glaubwürdigkeit. Das verunsichert nicht nur die Politik, das verunsichert auch die Armee und die dort Verantwortlichen und letzten Endes auch die Bevölkerung. Wir brauchen in der Armeeplanung Verlässlichkeit. Wir haben eine Linie eingeschlagen. Wir wollen diese jetzt beibehalten und die neue Armee mit 100 000 Sollbestand umsetzen.” – Peter Bieri (CVP/ZG)
Wir sind heute in einem luftleeren Raum und wissen nicht, was es bedeuten würde, wenn wir den Bestand effektiv erhöhen müssten. Da gibt es ganz viele Fragen. Wie würde in der Zukunft eine Aufwuchsfähigkeit überhaupt gewährleistet werden können?” – Alex Kuprecht (SVP/SZ)
” ‘Der Bundesrat begrüsst aber grundsätzlich das Anliegen einer Notfall- bzw. Vorsorgeplanung, damit eine allfällige Bestandeserhöhung rechtzeitig an die Hand genommen werden kann, falls eine Verschlechterung der Sicherheitslage eine solche Massnahme nahelegen würde.” Dann fährt er weiter: “Allfällige Planungsmassnahmen müssen dementsprechend in eine strategische Gesamtplanung eingebettet sein.’ Genau das will der Bundesrat machen.” – Hans Hess (FDP/OW)
“Wenn ich es richtig interpretiere, wäre das eine Planung analog zu Berichten, die wir bereits verfasst haben, das ginge bis hin zu Angaben über Bataillone, Materialkosten usw. So weit werden wir in der zur Verfügung stehenden Zeit im sicherheitspolitischen Bericht nicht gehen können und auch nicht gehen wollen. Vielmehr wollen wir Ihnen mit dem sicherheitspolitischen Bericht eine globale Sicht unterbreiten.” – BR Ueli Maurer

Für Annahme des Postulates … 6 Stimmen
Dagegen … 31 Stimmen
(3 Enthaltungen)
Wortprotokoll des StänderatsMitteilung des VBS
Kommentar:
Man glaubt seinen eigenen Augen nicht, wenn man die Diskussion hier nachverfolgt. Da zerstört man mit der WEA, was von der Restarmee noch übrig ist, und überlegt sich danach, wie man es wieder aufbauen könnte..! Dabei wird man dann wohl feststellen, dass ein Wiederaufbau teilweise gar nicht mehr möglich ist (Das Abreissen eines Innovationsparks z.G. eines Militärflugplatzes ist höchst unwahrscheinlich) oder so viel Zeit und Geld verschlingt, dass man definitiv zu spät kommt. Wir erinnern uns: Als General Guisan die reduzierte “Festung Schweiz” (Reduit) gebaut hatte, war der Krieg vorbei. Ob wir dann wieder gleich viel Glück haben, wird sich wohl zeigen.
Noch schlimmer erachtet Giardino hingegen den Umstand, dass das VBS zu solchen Überlegungen überhaupt gezwungen werden muss. Einmal mehr muss man von einem “Unsicherheitsdepartement” sprechen.
Und leider haben auch unsere Medien diese Diskussion verpasst.

 

Kommentare: 8

  1. Fritz Kälin sagt:

    Dass man sich im Ständerat zusammen mit dem Bundesrat und der Verwaltung so standhaft weigert, sich auch nur Gedanken darüber zu machen, wie die durch die WEA stillgelegten Potentiale von Wehrpflicht/ Milizsystem wieder reaktiviert werden könnten, ist ein Symptom für ein tiefsitzendes, schlechtes Gewissen. Der Souverän hat sich glasklar hinter der Wehrpflicht gestellt, aber die obersten Verantwortlichen im Staat weigern sich, auch nur über eine sinnvollere Ausschöpfung unseres personellen Wehrpotentials nachzudenken.
    Sind die 6 Stimmen namentlich bekannt, die für dieses Postulat der Restvernunft gestimmt haben?
    Für die Üürigen Beteiligten reichen zwei Wörter: Schande und Schuld!

    • Edwin Rüegsegger sagt:

      Vielen Dank Herr Dr. Kälin für ihre träfe Analyse. Die Wehrpflicht ist subito wieder voll auszuschöpfen mit Wehrpflicht bis mind. 50 Jahre. Doch gleich wichtig ist auch das sich genügend Miliz-Kader bereit erklären, unsere Truppen zu Führen – in harten realistische Uebungen auf Gegenseitigkeit und im Krieg!! Deshalb ist es umso verdienstvoller dass Junge wie Sie bereit sind, ihren Dienst als Offiziere freiwillig! in unserer Schweizerischen Armee zu leisten und mehr zu tun als die läppische 300 Tage Minimum. Vor allem viele Studenten machen keinen Mil. Dienst oder werden nicht Off. wie dies früher selbstverständlich war, sondern studieren nur auf unsere Steuerkosten ohne dem Staat etwas zurück zu geben. Deshalb herzliche Dank für Ihr Engagement! Im Nationalrat dagegen gibt es fast keine aktive Off. mehr was sich im völlig mangelnde Verständnis für mil. Frage ausdrückt, Heul dir Helvetia!

    • Fritz Kälin sagt:

      Vielen Dank für die lobenden Worte, an denen aber zwei Punkte mich überbewerten:
      – Ich bin erst Doktorand, nicht Doktor.
      – Ich bin nicht Offizier, sondern habe als einfacher Soldat meine 260 obligaten Diensttage bereits beisammen. (300 Tage sind es bei den Durchdienern)
      Patriotismus verlangt heute mehr denn je, auch mal ausserhalb der Kaserne kritisch über die heutige und künftige Armee nachzudenken, als sich während möglichst vieler Diensttage mit der alltäglichen Pflichterfüllung zufrieden zu geben. Was nutzt es, wenn zwei Generationen enorm viel im Dienste des Landes leisten und aufwenden, aber der dritten Generation dann nicht einmal ein brauchbares Mobilmachungssystem hinterlassen?

  2. Schaub Rudolf P. sagt:

    Letztlich geht es um den früher postulierten “Aufwuchs” der Armee, von dem alle wissen, dass er nicht funktioniert. Dies ist der Grund, weshalb man die berechtigten Fragen von Herrn Ständerat Föhn nicht beantworten will. Jede Beantwortung seiner Fragen ist entweder unglaubwürdig oder zeigt, dass man vor einem nicht zu bewältigenden Problem steht. Das führt zu weiteren unangenehmen Kontroversen. Diese will der Bundesrat vermeiden. Denn es würde einmal mehr offenkundig, dass mit der “WEA” eine verantwortungslose Sicherheitspolitik mit unabsehbaren Konsequenzen betrieben wird. In diesen Tagen konnte man in den Zeitungen lesen, dass der Bund den Sport und die Kultur (letztere ohne Kompetenz) mit Hunderten von Millionen Franken fördern will, obwohl er nicht in der Lage ist, die Armee vollständig und adäquat auszurüsten. Die Kulturschaffenden werden dann unser Land als Dank für die erfahrene Unterstützung verteidigen. Es drängt sich die Frage auf, ob sich unser Land bereits in der Spätphase seines Niedergangs befindet. Diese Frage mit “ja” zu beantworten, ist nicht abwegig.

  3. Auch ich komme hier zurück auf bereits mehrmals von mir
    Gesagtes: Umfasste die Armee 61 über 700 000 Mann, so
    ist doch die Welt auch bei grobem Blick heute nicht
    sieben- oder auch nur fünfmal sicherer als damals, so dass
    sich die Dezimierung auf eine reine Alibi-Armee (” nice to
    have”) auch nur im geringsten rechtfertigen würde! Allein
    schon der Verweis auf den Fall “Charlie Hebdo”, der
    kurzfristig 88 000 Mann absorbiert hat, verleiht mir den Mut,
    einen Minimalbedarf von min 500 000 in den Raum zu
    stellen, ein voll und bestens ausgerüstetes Volksheer,
    welches seine DISSUASSIONSWIRKUNG aus seiner
    Glaubwürdigkeit bezieht. Eine solche Armee kostet, was sie
    kostet, und jeder Betrag darunter ist hinausgeworfenes Geld.
    “Wehrhafte Schweiz!” ist kein Blabla, und ein Bestand von
    100 000 oder 140 000 ist ein himmeltrauriger Witz.
    bezieht.

  4. Schaub Rudolf P. sagt:

    Ich teile die Meinung meines Kameraden Wehrli aus der Zeit in der F Div 5 weitgehend. In einem Punkt muss ich ihm allerdings widersprechen. Bei der WEA-Armee bzw. der Armee 17 ist es fehl am Platz, von “nice to have” zu sprechen. Denn – falls man sie als Verteidigungsinstrument braucht – taugt sie nichts und muss als “awful to have” qualifiziert werden. Dies gilt ganz besonders für die 20- bis 25-jährigen Armee-Angehörigen, welche über 8 Millionen von der Dienstpflicht befreite, bequeme und hedonistische “Warmduscherinnen” und “Warmduscher” verteidigen dürfen.

  5. Hohermuth sagt:

    ….und was passiert nun???

  6. Wir, Kamerad Schaub, widersprechen uns nicht.
    Nice to have IS awful. Wenn ich in Relation zur
    Armee 61, in welcher wir aufgewachsen sind,
    von einer “Alibi-Armee” rede, von
    “hinausgeworfenem Geld” sowie von lediglich
    140 000 Mann (anstelle von mindestens einer
    halben Million) als einem “himmeltraurigen Witz”,
    dann rede ich wie Du präzis und prägnant von
    nichts anderem als von totaler Untauglichkeit.
    Nichtdestoweniger danke ich Dir für Deine
    blumige Herausforderung, mich im Sinne einer
    Verstärkung unseres gemeinsamen Anliegens
    nochmals zu erklären.

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