Staatliche verordnetet Zwangsarbeit

Staatliche verordnetet Zwangsarbeit

Ein Gespenst geht um in der Schweiz – das Gespenst der allgemeinen Dienstpflicht. Obwohl schon 1996 die Studienkommission Allgemeine Dienstpflicht (SKAD) zum Schluss kam, dass eine solche nicht eingeführt werden sollte, wird das Thema durch diverse parlamentarische Vorstösse, ein Büchlein von Avenir Suisse sowie durch die vom Bund eingesetzte Studiengruppe Dienstpflichtsystem (SGDP) wieder heiss diskutiert. Diese Diskussion findet aber unter den völlig falschen Vorzeichen statt. […]
Dass Avenir Suisse lediglich die Armee ins 21. Jahrhundert retten will, wird vollkommen offensichtlich bei ihren Erwiderungen auf das gewichtigste Gegenargument: Dem Zwangsarbeitsverbot in Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dort heisst es: «Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.» Eine Ausnahme sind «Dienstleistungen militärischer Art». Der Zivildienst oder eine allgemeine Dienstpflicht, stellen also lediglich einen Ersatz zur Wehrpflicht dar. Gegen diese grundlegende Problematik führt die Avenir Suisse nicht ein Gegenargument ins Feld.
Beitrag auf GSoA.ch
Kommentar:
In diesem Punkt stimmen wir mit der GSoA vollkommen überein. Umso mehr muss die WEA bekämpft werden, denn sie verlagert den Fokus weg von den “Dienstleistungen militärischer Art” hin zur “Unterstützung ziviler Behörden” (wenn auch in Krisenlagen).
Giardino befürwortet eine Milizarmee, welche sich auf ihren Kernauftrag konzentriert. Das Aufblähen des Aufgabenspektrums ritzt deshalb massiv Artikel 4 der EMRK.

 

Kommentare: 8

  1. Beda Düggelin sagt:

    Die Allgemeine Dienstpflicht wurde von Avenir im Jahr 2013 aufgeworfen. (Ideen für die Schweiz – 44 Chancen, die Zukunft zu gewinnen, Verlag NZZ)
    Mit diesem Vorschlag stellt sich Avenir noch stärker ins Abseits! Und Avenir Suisse stellt sich gegen die Armee! Es geht Avenir Suisse nicht darum, die Armee ins 21. Jahrhundert zu retten, es geht ihr darum, die allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen. Der Souverän hat sich mit klarem Mehr (73,2 Prozent) für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht entschieden! Diese von Avenir Suisse angezettelte Diskussion ist völlig überflüssig und ist wie oben festgehalten, mit der EMRK nicht in Einklang zu bringen!
    Patrick Schellenbauer schreibt auf S. 296 (des obigen “Machwerks”) “Den Ersatz der allgmeinen Wehrpflicht durch eine allgemeine Dienstpflicht für beide Geschlechter halten wir für prüfenswert.” Und weiter: “Da mit dem Einbezug der Frauen die Zahl der Dienstpflichtigen verdoppelt wird, könnte man mit weniger Diensttagen auskommen als den heutigen 260 Tagen im Militärdienst.” Das bedeutet im Klartext: die Avenir Suisse legt sich mit diesem Vorschlag ins Bett mit der GSoA, sie will die Armee durch die Hintertüre abschaffen. Das mit einer solchen Lösung die Einsatzfähigkeit und das Know How der Armee ganz verloren ginge, versteht sich von selbst.
    Muss mir noch einer erklären, was “think tank” Avenir Suisse für einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen stiftet? – Sie gehört ganz einfach abgeschafft, sie ist mit vielen ihrer anderen 43 Ideen völlig unnütz und beileibe nicht liberal! Zu nennen sind da z.B. die “Verdoppelung der Unterschriftenzahlen” für Initiative und Referendum sowie ein “Road pricing”!

  2. Schaub Rudolf P. sagt:

    Bei Avenir Suisse sind offensichtlich Banausen am Werk. Denn eine allgemeine Dienstpflicht stellt “Zwangsarbeit” dar, welche gemäss EMRK verboten ist. Zulässig ist einzig eine militärische Dienstpflicht. Die Armee dürfte von ihren Angehörigen auch keine Zwangsarbeit verlangen, was sie aber tut. Zwangsarbeit liegt vor, wenn die Armee-Angehörigen zu nicht- militärischen Tätigkeiten befohlen werden, es sei denn, die verlangte Tätigkeit habe wenigstens eine indirekte Ausbildungswirkung. Solange die Schweiz noch Gebirgstruppen unterhielt, war das Pisten-Stampfen bei Ski-Rennen deshalb noch halbwegs vertretbar. Nachdem die Gebirgstruppen mit Skiern abgeschafft worden sind, verletzt das Erstellen von Pisten durch Armee-Angehörige die EMRK. Natürlich sind die Armee-Angehörigen, welche gerne Ski fahren, nicht gegen solche Einsätze eingestellt. Im VBS werden diese auch positiv beurteilt. Denn Pisten-Stampfen kostet weniger als Gefechtsschiessen mit teurer Munition. Zudem können diejenigen, welche die Unterstützung von Sportanlässen gutheissen, mit Gratis-Eintritten als VIPs rechnen.

  3. Dieter Wicki sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren
    als Sekretär der erwähnten Studiengruppe Dienstpflichtsystem liegt mir daran, folgende Punkte zu klären:
    1.) Die vom Bundesrat eingesetzte Studiengruppe hat NICHT den Auftrag, sich mit dem Aufgabenspektrum der Armee zu beschäftigen oder Vorschläge zu dessen Veränderung zu erarbeiten. Es geht um die Zuteilungsmechanismen der Pflichtigen, nicht um die Aufgaben der Organisationen.
    2.) Die Studiengruppe ist an Rahmenbedingungen gebunden, die der Bundesrat formuliert hat: Beibehalt von Milizprinzip und Wehrpflicht, Priorität der Armee zur Bestandessicherung, Einhaltung des Zwangsarbeitsverbots.
    3.) Das Dienstpflichtsystem (Dienst in Armee, Zivildienst oder Zivilschutz bzw. Entrichten der Wehrpflichtersatzabgabe gemäss Art. 59 und 61 der Bundesverfassung) wurde noch nie als ganzes System untersucht. Die Studiengruppe soll dies ganzheitlich und mit einer langfristigen Perspektive tun. Diese Arbeiten sind klar zu trennen von der WEA.
    4.) Beim Zwangsarbeitsverbot ist der ganze Artikel 4 der Europ. Menschenrechtskonvention zu beachten, nicht nur der von der GSoA zitierte Teil (ich füge ihn unten an). NICHT als Zwangsarbeit gelten Dient in der Armee, im Zivildienst, im Zivilschutz sowie die Erfüllung der „üblichen Bürgerpflichten“. In der juristischen Lehre ist umstritten, wie gross der Spielraum zur Erweiterung von Pflichten ist. Der Europ. Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) hat keine Fälle behandelt, die dies klären würden; auch keine, die die Lesart von Herrn Schaub unterstützen würden.
    5.) Wehrgerechtigkeit bedeutet mehr als die GSoA meint: Es geht um die Umsetzung von Art. 59 der Bundesverfassung (Armee, Zivildienst, Wehrpflichtersatz). Von verschiedener Seite wurde die Meinung vertreten, dass dieser Verfassungsartikel nicht mehr korrekt umgesetzt werde. Die Studiengruppe soll dies untersuchen.
    Der Bericht der Studiengruppe wird Anfang 2016 dem Bundesrat vorgelegt.
    Freundliche Grüsse
    Dieter Wicki
    EMRK Art. 4 Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19500267/index.html)
    (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
    (2) Niemand darf gezwungen werden, Zwangs- oder Pflichtarbeit zu verrichten.
    (3) Nicht als Zwangs- oder Pflichtarbeit im Sinne dieses Artikels gilt
    a) eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;
    b) eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;
    c) eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
    d) eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.

  4. Schaub Rudolf P. sagt:

    Zu den “üblichen Bürgerpflichten” kann die nicht freiwillige Arbeitsleistung zu Gunsten von Sportanlässen nicht gehören, selbst wenn diese nicht der Erzielung von Profit dienen. Die Armee ist nicht berechtigt, ihre Angehörigen zur Leistung von Arbeit zu Gunsten von Sportanlässen einzusetzen, auch wenn dies einzelne Armeeangehörige aus Bequemlichkeit toll finden. Das Fehlen von EGMR-Entscheidungen ist darauf zurück zu führen, dass die durch ihren Arbeitgeber in den “Bundesferien” voll bezahlten Armeeangehörigen keinen Anlass und kein Interesse haben, den Rechtsweg zum EGMR zu beschreiten. Als Steuerzahler ist es dem Schreibenden aber daran gelegen, dass die Armee das tut, wofür sie vorgesehen ist, und keine Gefälligkeitsdienstleistungen erbringt, welche den Ausbildungsstand beeinträchtigen.

  5. Dieter Wicki sagt:

    Sehr geehrter Herr Schaub
    Bitte beachten Sie, dass es im Zusammenhang mit dem Dienstpflichtsystem und dem Zwangsarbeitsverbot nicht nur um Armeeangehörige geht, sonderm um alle, die in Armee, Zivildienst oder Zivilschutz Dienst leisten.
    Freundliche Grüsse
    Dieter Wicki

  6. Schaub Rudolf P. sagt:

    Sehr geehrter Herr Wicki
    Dass meine Überlegungen auch für den Zivildienst oder Zivilschutzdienst gelten, ist völlig richtig. Wir sind uns somit erfreulicherweise einig. Ich habe die von Ihnen genannten Dienste nicht ausdrücklich in meine Überlegungen eingeschlossen, da es mir als Offizier a D primär um die Armee geht.
    Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende und grüsse Sie kameradschaftlich
    Rudolf P. Schaub

  7. Ueli Gruber sagt:

    Ein gut organisierter Sportanlass mit internationaler Aufmerksamkeit und militärischer Präsenz kann für die nationalen Interessen oft besser sein als eine halbpatzig angelegte Übung mit Gruppengefechtsschiessen auf einer Alp.

  8. Alexander Steinacher sagt:

    Es ist auch hier störend, wenn in Bezug auf unsere nationale Rechte und Pflichten auf ausländische Ordnungen und Bestimmungen geschielt wird. Wir wissen doch selbst was wir zu tun haben, und brauchen weder das EMRK noch andere ausländische Besser – oder Überwisser zu fragen. Wir müssen uns endlich wieder an unsere Bundesverfassung und unsere eigenen Gesetze halten. Alles andere ist illegal, weil von unserer Verfassung bzw. vom Souverän nicht sanktioniert bzw. erlaubt. Man denke mal drüber nach zu was für “Entwicklungen” das sonst irgendwann in absehbarer Zukunft führen könnte. Verträge die vom Bundesrat ohne Legitimierung in unserer Verfassung abgeschlossen werden sind rechtsstaatlich nicht verbindlich! Die Alternative ist eine ins Chaos ausufernde Rechtsunsicherheit und der endgültige Verlust der Eigenverantwortung und Selbständigkeit. Danach brauchen wir auch keine Armee mehr! Diese Verpflichtung ist ja auch ein fundamentaler Teil dieser Rechtssicherheit des souveränen Staates und selbst in der UN-Charta geforderten Selbständigkeit der Nationen!

Kommentare sind geschlossen.