Untaugliche im Militär – eine Erfolgsbilanz

Untaugliche im Militär – eine Erfolgsbilanz

Auch Menschen mit körperlichen und psychischen Problemen müssen Dienst leisten dürfen, wenn sie keinen Militärpflichtersatz zahlen wollen. So will es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Erstmals gibt es dazu in der Schweiz nun Zahlen: Neun von zehn Gesuchen konnten bewilligt werden.
Beitrag auf SRF.ch

 

Kommentare: 10

  1. Gotthard Frick sagt:

    z.Zt. Beijing, 16.10.2013
    “Behinderte” in der Armee – eine höchst erfreuliche Nachricht!
    1. Das Allerwichtigste für die Schweiz und auch für die Armee (und jede andere menschliche Gemeinschaft), sind Menschen, die voll zu ihr stehen, die motiviert und bereit sind, dafür auch grosse Opfer bis hin zu ihrem Leben zu bringen. Das gibt es anscheinend erfreulicherweise auch in grösserer Zahl unter “Behinderten”. Wir haben schon zu viele andere (SPS, Gott sei dank gibt es dort noch Ausnahmen, JUSO, GSoA etc.), sowie all die körperlich fitten jungen Leute, die sich vom Militärdienst wegen behaupteter “Gebrechen” drücken. Die “Behinderten”, die Militärdienst leisten wollen, sind ein Vorbild für das ganze Land.
    2. Sicher braucht die Armee eine überwiegend Anzahl von als “tauglich” angesehenen Menschen , d.h. Menschen, die auch körperlich in der Lage sind, als Kämpfer die enormen Anstrengungen eines Krieges auf sich zu nehmen. Aber in der Armee sind auch viele andere Aufgaben zu erledigen, z.B. solche, die eine hohes Fachwissen erfordern oder hinter der Front, in Büros und in geschützten Anlagen verrichtet werden können – sofern der Bundesrat diese nicht zerstören oder verkaufen liess oder noch lässt- oder auch solche, die eigentliche Kampfaufgaben sind, die aber nicht das ganze Spektrum an Fähigkeiten eines “tauglichen” Menschen erfordern. Man kann sich z.B gut vorstellen, dass z.B. ein gehbehinderter Soldat an einem fest installierten Luftraumübewachungsradar oder der Führung einer Lenkwaffe oder als Spezialist in einem ABC-Labor, um nur einige Beispiele zu nennen, kriegswichtige Aufgaben übernimmt und dort einen hervorragenden Beitrag leistet.((Mein Vater war dienstuntauglich, leistete aber während des Krieges im Hilfsdienst in einem Büro in der Festung Sargans viele Monate Dienst). Dadurch, dass “Behinderte” gewisse Aufgaben übernehmen, werden andere frei für Aufgaben, wo alle körperlichen Fähigkeiten erforderlich sind.
    Hier einige Beispiele aus dem Zivilleben, um meine These zu untermauern:
    – Szene 1: Eine grosse Hotel- und Tourismus-Fachhoch- und Fachschule in Kenya (ein DEZA Projekt). Den ersten Gruppen afrikanischer Studenten wollte ich gegen das Ende der Ausbildung zusätzliches Selbstvertrauen geben, nicht nur, weil sie sich – wie alle jungen Menschen in der Welt – dann auf dem Arbeitsmarkt gegen die älteren Inhaber der Stellen durchsetzen müssen, sondern weil sie ein weiters, sehr grosses Hindernis zu überwinden hatten: Zu jener Zeit, kurz nach der Unabhängigkeit des Landes, waren alle Direktions- und Abteilungsleiterpositionen aber auch die qualifizierten Stellen der Branche ausschliesslich mit Weissen oder einigen Indern besetzt. Die meisten hatten extreme Vorurteile gegen Afrikaner. Ich führte deshalb für unsere Studenten in den letzten Semestern nach dem Vorbild einer Schweizer Infanterie-Offiziersschule mehrwöchige, extrem anspruchsvolle Führungskurse durch (natürlich ohne Waffen und Drill), hatte ich doch an mir selber erlebt, welches Selbstvertrauen ich nach dem Bestehen der oft an der Grenze des Möglichen liegenden Anforderungen der Infanterie-Offiziersschule gewonnen hatte.
    In der ersten Hotel-Management-Gruppe hatten wir eine stark behinderte junge Kikuyu-Frau, die wegen einer durchgemachten Kinderlähmung auf einem Bein weitgehende gelähmt war und nur schwer hinkend laufen konnte. Eines Tages nahm ich die Gruppe zum Abseilen auf eine hohe Felswand. Als sie an der Reihe war, sagte ich ihr, sie dürfe sich nicht abseilen. Da fuhr sie mich an: “Herr Frick, was fällt Ihnen ein! Ich gehe hinunter!”, nahm das Seil und seilte sich ab. Als ich einige Jahre später als Tourist im Land war, war ich nicht überrascht, diese junge Frau als Direktorin der berühmten Kilaguni Lodge am Fusse des Kilimandjaro wieder zu treffen. (Ich selber hatte in Winter- und Sommergebirgskursen der Armee die nötigen Kenntnisse erworben, einschliesslich im Januar auf 3000 Meter Höhe eine Woche lang zu kämpfen und in einer Höhle im Schnee zu übernachten).
    Szene 2 Spitzenwissenschaft. Der weltberühmte Stephen Hawking, der seit vielen Jahren unter einer fortschreitenden Lähmung leidet und nur noch einen Finger bewegen und damit auf seinem auf ihn zugeschnittenen Computer arbeitet und durch eine Sprechmaschine mündlich kommuniziert, ist ein führender Wissenschafter, der sich mit den letzten grossen Fragen des Universums befasst und darüber Bücher schreibt.
    3 Eine KMU: Am Sitz meiner Firma hatte ich eine Dame als Alleinbuchhalterin beschäftigt, die nur über eine intakte Hand verfügte, die linke, aber trotzdem eine gute Buchhalterin war und ohne Problem die Buchhaltung auf dem Computer führen konnte.
    Gotthard Frick

  2. Burkhardt I. sagt:

    Die differenzierte Tauglichkeit hatten wir schon einmal. Wieso ist man davon abgekommen? Für eine kleinere Armee findet man vermutlich genügend “Top Gesunde” dachte man wohl. Es wäre wohl klüger, motivierte Plattfüsse in der Armee zu haben, als unmotivierte Leute die zwar 100 Prozent tauglich sind, aber keine Leistung erbringen wollen. Der blaue Weg um wegzukommen, steht Letzteren dann offen, wenn diese die Armee schon viel Geld gekostet haben.

  3. Franz Betschon sagt:

    Die beiden obigen Stellungnahmen zeigen, dass die begrenzte Tauglichkeit ein Erfolgsmodell war. Warum ist man davon abgekommen? Wahrscheinlich aus demselben Grund, warum man das Mehrheeresklassenmodell (Auszug, Landwehr, Landsturm) verlassen hat. Es mehren sich die Indizien, dass es hinter all den hysterischen Reorganisationen der letzten Jahre eine versteckte Agenda gibt. Wir weisen im Papier “Vernehmlassungsantwort zur WEA” darauf hin, dass mittlerweilen genügend Schriftstücke aus dem VBS und sonst unerklärliche Entscheide vorliegen, die vor Gericht zu einem glatten Obsiegen führen würden, wenn wir den Beweis für das Vorhandensein einer solchen “Hidden Agenda” führen müssten. Wahrscheinlich würden uns Aushebungsoffiziere hinter vorgehaltener Hand auch bestätigen, dass sie Anweisung haben, möglichst wenig junge Rekruten auszuheben um anschliessend zu lamentieren, dass die Taugichkeit zu niedrig sei. Wehrmänner mit “begrenzter” Tauglichkeit sind halt nicht chic, genau so wie es eine Heeresklasse oberhalb des Auszugs ist.

    • Fritz Kälin sagt:

      Vielleicht steckt dahinter auch der ‘Jugendwahn’, der auch in der Wirtschaft schon seit längerem grassiert? (Und das in einer überalternden Gesellschaft…)
      Je grösser der Gesamtbestand der Milizarmee, desto höher ihre Durchhaltefähigkeit in personalintensiven Szenarien. Man darf deshalb die Obergrenzen bei Bestandeszahlen und Diensttagen nicht länger politisch-willkürlich runterschrauben.

  4. Kurt Anton Brugger sagt:

    Grüezi Giardinos, auch ein behinderter Mensch soll die Möglichkeit haben sich in den Arbeitsablauf eines Betriebs zu integrieren. Das stärkt sein Selbstwert-Gefühl und hilft ihm als wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft eigenverantwortlich sein Leben zu gestalten. Zu dieser Einsicht ist endlich eine Mehrheit der Politiker in Bundesbern gekommen. Das Unschöne dabei ist, einige hatten dieses Einsehen erst, nachdem der Druck auf die Kosten der Sozialversicherungen bedrohlich wurde.
    Wer Behinderte im Arbeitsprozess erlebt hat, spricht mehrheitlich von positiven Erfahrungen. Dabei geht es oft um viel schwerere Behinder-ungen als wenn ein junger Mann bei der Aushebung den Anforderungen nicht genügt und so als untauglich für den Wehrdienst befunden wird. Die heutigen Auswahlkriterien schliessen in vielen Fällen die Wehrdienstpflicht aus, weil wegen tieferen Sollbeständen, weniger AdA’s rekrutiert werden.
    Bis zum Ende des Kalten Krieges kannte die Armee den Status “hilfs-dienst-tauglich” und hat somit die Kategorie HD (Hilfs-Dienst) in den Reihen der Truppe geführt. Der Einzelne wurde in einer kurzen Einfüh-rung auf seinen Einsatz vorbereitet. Bei den damaligen Vsg Trp (Versorgungstruppen) standen HD-AdA’s im Einsatz. Die Versorgung der Heereseinheiten mit Verpflegungsmitteln, Futtermitteln, Betriebstoff, Munition, Material und Feldpost beinhaltete viele fachspezifische Funktionen, wofür diese Spezialisten eingesetzt wurden.
    In einer grossangelegten logistischen Uebung (Bezeichnung: Hamster, 2. AK, 14000 AdA’s, 3000 Mfz inkl Pz,Spz,PzHb, 850 Pferde, 150 Maultiere, zu versorgen mit allem was die Truppe brauchte zum Leben und Kämpfen, während 2 Wochen) ist damals das Vsg Konzept 75 ausgetestet worden. Dabei kam, unter anderem, ein ad hoc Vsg Bat zum Einsatz bestehend aus rund 1000 AdA’s, dabei ein Detach von 400 HD.
    Nach anfänglichen unbedeutenden Schwierigkeiten (Uebernahme der Standarte zu Beginn des WK’s, bei der Achtungstellung) haben sich diese “Untauglichen” (von wenigen Ausnahmen abgesehen) mit viel Enthusiasmus, bestens motiviert, in den Dienstbetrieb eingeordnet. Die Arbeiten pflichtbewusst, fehlerfrei und mit Bravour erledigt.
    Für die einen mag diese Erfahrung antiquiert sein. Tatsache ist: auch in der Neuzeit lassen sich Untaugliche für die Wehrpflicht, mit den richtigen Massnahmen und in den richtigen Funktionen, bestens in den Dienstbetrieb einer Truppe integrieren.

  5. Hans Ulrich Suter sagt:

    Für mich sind das alles Trivialitäten, die Leute müssen natürlich gemäss ihren Fähigkeiten eingesetzt werden, das ist völlig selbstverständlich und muss jetzt nicht diskutiert werden, erstaunlich nur, dass es immer und immer wieder kommt. Eine Schande für diejenigen, die sich als Superman fühlen, nur weil sie jetzt gerade nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Aber denkt daran, die wenigsten wären fit genug für ein Kampfflugzeug und als Grenadiere sehen die meisten von uns (auch die dort eingeteilten, nur so nebenbei gesagt) auch eher bescheiden aus.

  6. Hans Ulrich Suter sagt:

    Vielleicht sollte man das noch Ergänzen: Es ist natürlich so, dass auch zum Beispiel stark gehbehinderte Leute sogar Drohnen fliegen können… Das heisst es ist so, dass die technische Entwicklung die körperlichen Anforderungen immer mehr reduziert, auch für Infanteristen, was alle wissen, die nur schon mit einem alten Karabiner geschossen haben. Und dann kommt noch etwas dazu, es ist auch für die Leute eine gewisse Motivation sich körperlich (durch Sport) auf den Dienst vorzubereiten, beziehungsweise sich sportlich zu verbessern während der Ausbildung in der RS oder auch während des WKs. Ich erinnere mich dunkel auch Luddendorffs Kommentare zum Landsturm, nachdem diese Einheiten vergleichbare Leistungen wie jüngere Einheiten haben, ich habe diese Zitat im Moment aber nicht gefunden, naja es hat ja professionelle Historiker hier….
    Zum Jugendwahn: Das spielt sicher eine Rolle (ich ziehe übrigens die Bezeichnung Jugendfaschismus vor, da interessanterweise gerade im Dritten Reich dazu eine ähnliche Einstellung wie heutzutage herrschte, allerdings war damals die ältere Generation weg, also war das damals sogar noch logisch, heute eher weniger wie Herr Kälin ja oben erwähnt).

  7. Walter G u l e r sagt:

    • Zum Jugendwahn: Das spielt sicher eine Rolle (ich ziehe übrigens die Bezeichnung Jugendfaschismus vor, da interessanterweise gerade im Dritten Reich dazu eine ähnliche Einstellung wie heutzutage herrschte, allerdings war damals die ältere Generation weg, also war das damals sogar noch logisch, heute eher weniger wie Herr Kälin ja oben erwähnt).
    Herr Suter: im Dritten Reich herrschte der Nationalsozialismus. Der Faschismus wurde 1922 durch Benito Mussolini in Italien installiert; dessen Emblem das Rutenbündel mit Beil finden wir übrigens auch im Wappen unseres Kantons St.Gallen.
    Da die Sowjetunion unter Stalin den Begriff «Sozialismus » für sich gepachtet zu haben scheint, musste für Deutschland der Begriff «faschistisches Deutschland» nach einem Dekret Stalins, eingeführt werden. Trotzdem Falsch. Deutschland verstand sich Sozialistisch, aber eben NATIONAL. NSDAP

  8. Hans Ulrich Suter sagt:

    @Guler:
    Wenn schon besserwisserisch, dann auch richtig… Das Rutenbündel stammt aus dem römischen Reich, das sog. Fascis, das könnte doch etwas bedeuten…, und hat a priori gar nichts mit dem modernen Faschismus zu tun, genausowenig wie die Swastika, übrigens. Der Faschismus ist unter anderem gekennzeichnet durch den Glauben, dass Experten. oder Arierer, oder sonst eine Gruppe über andere Gruppen bevorzugt werden können, eben auch Junge über Alte, oder Weisse über Schwarze usw. In Extremform ist das eben der “Führer”. Daher ist die Bezeichnung Faschismus sehr genau. Richtig ist, dass viele eher linke Forscher den Nationalsozialismus als Unterspielart der des Faschismus ansehen, ich schliesse mich dieser Ansicht, und nur dieser, an. Belegt wird das eben zum Beispiel durch den Jugendlichkeitswahn, der Nationalsozialismus hatte aber natürlich auch noch Eigenschaften (die “sozialistischen”: wie das Kraft durch Freude Programm, den Einbezug der Frauen in die Arbeitswelt, die Ausrichtung der Lehrpläne in den Volksschulen), die eher an die schweizer SP erinnern als an Benito Mussolini, wie sie zurecht erwähnen, was aber indem Zusammenhang belanglos ist.

  9. Walter G u l e r sagt:

    @ Hans Ulrich Suter
    Meine Replik hatte nichts mit besserwisserisch zu tun. Ich habe nur die Herkunft des Rutenbündels nicht erwähnt:
    Das Motiv des St. Galler Wappens stammt aus dem antiken Rom. Wenn Personen aus dem gehobenen Bereich, wie beispielsweise Richter, in der Öffentlichkeit auftraten, gingen ihnen mindestens zwei Liktoren voran, die als Leibwachen dienten. Diese trugen als Symbol der Gerichtsgewalt ein Rutenbündel mit einem Beil.
    Wie Sie richtig schreiben hat auch die Swastika nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun. Aber versuchen Sie einmal dieses Symbol zu veröffentlichen, Sie werden Ihre blauen Wunder erleben.
    Soweit zu Symbolen

Kommentare sind geschlossen.