Projekt BODLUV 2020

Projekt BODLUV 2020

Am 18. Mai 2014 hat die stimmberechtigte Bevölkerung der Schweiz mit 53,4% Nein-Stimmen entschieden, dass es keinen Fonds zur Beschaffung des Gripen E geben wird. Dieses Resultat hätte mit einer geeigneten Kommunikationsstrategie, ohne die etlichen Pannen im Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und ohne der fehlplatzierten Selbstsicherheit nach der erfolgreich bekämpften Eidgenössische Volksinitiative “Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht” verhindert werden könnte (siehe auch “Blogtreffen Teil 2: Der sicherheitspolitische Diskurs in der Schweiz“, offiziere.ch, 23.04.2014). Es ist insbesondere dem Vorsteher des VBS, Bundesrat Ueli Maurer zu verdanken, dass die Abstimmung über die Finanzierung des Gripen E zur Grundsatzfrage über ein neues Kampfflugzeug wurde (vgl.: “VBS kennt keinen Plan B für Gripen-Beschaffung“, news.ch, 06.04.2024). Damit ist die Beschaffung bis zur Ablösung des McDonnell Douglas F/A-18 Hornet (um 2025) vom Tisch (der Begriff “Hornet Teilersatz” ist schon mal zu reservieren). Möglicherweise werden nun die Northrop F-5 Tiger, deren Technologie aus den Sechzigerjahren stammt, “erneuert“. In jedem anderen Land hätte eine solch entscheidende Niederlage zu einem Rücktritt des Verteidigungsministers geführt – nicht so in der Schweiz. Ob er danach die Weiterentwicklung der Armee noch glaubwürdig durch das Parlament und eventuell durch eine Volksabstimmung bringen kann, muss sich zeigen.
Beitrag auf offiziere.ch

 

Kommentare: 10

  1. Sebastian sagt:

    Ich möchte Ihnen ganz herzlich für den gut recherchierten Artikel danken. Ich finde es sehr wichtig, dass sich jemand unvoreingenommen mit dem wichtigen Thema “Flab” auseinandersetzt, denn hier (wie leider fast überall in unserer Armee) klaffen seit längerem grosse Lücken. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass es sinnvoll wäre, die 35mm Flabkanonen mit AHEAD-Munition aufzurüsten. Für grosse Distanzen haben Sie ja einige leistungsfähige Systeme aufgezählt und ich hoffe, dass damit die “Bloodhound-Lücke” bald geschlossen werden kann.
    Ich würde jedoch gerne ein weiteres, interessantes System als Vorschlag bringen: Das Panzir-S1 oder SA-22 Greyhound. Es genügt zwar den Reichweitenanforderungen nicht ganz, aber ansonsten entspricht es eigentlich genau dem, was die BODLUV-Planer suchen. Die Tatsache, dass es sich um ein russisches System handelt bzw. die damit verbunden Probleme sind mir bekannt. Ich fände es aber wichtig, in der momentanen Situation die ideologischen Scheuklappen abzulegen und die überaus leistungsfähigen und kostengünstigen russischen Systeme ernsthaft zu berücksichtigen. Denn selbst den Experten des Bundes dürften die zahlreichen eindrücklichen Erfolge der russischen Flugabwehrtechnologie (nur ein Beispiel: der Flabpanzer ZSU-23-4 Schilka während des Jom-Kippur-Krieg) nicht verborgen geblieben sein.
    Überhaupt habe ich zusehends das Gefühl, dass sich die Verantwortlichen zu wenig mit der Militärgeschichte beschäftigen. Wie kann es denn sonst sein, dass in der ganzen Gripen-Debatte nicht EINMAL die Frage zu hören war, was passieren sollte, wenn unsere wenigen Jet-Flugplätze ausgeschaltet werden (Sechstage-Krieg lässt grüssen)? Die Option Senkrechtstarter wurde von unserer Luftwaffe seit ihrem Bestehen noch gar nie ernsthaft erwogen. Das spricht Bände…
    Ich glaube, ein wichtiger Faktor für die Abstimmungsniederlage beim Gripen ist im Umstand begründet, dass langsam auch die einfachsten Leute merken, dass unsere Armee nicht mehr glaubwürdig ist. Denn Hand aufs Herz: Würden Sie in eine solch marode Firma investieren, bevor sich grundlegendes verändert hat?

    • Fritz Kälin sagt:

      Auch ich stelle gleich voran, dass mir die praktischen und politischen Pferdefüsse bei Waffendeals mit Russland bekannt sind.
      Nun eine militärgeschichtliche Überlegung zur Gretchenfrage, ob’s auch mal etwas aus dem Osten sein darf.
      Eines ist klar. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner maximale Anstrengungen unternommen, um in Punkto Flugwaffe dominant zu bleiben. Dieser ‘airpower-lastige American Way of War’ wurde auch an ihre Verbündeten und übrigen Waffenkunden exportiert, wenn nicht sogar aufgezwungen. (Südvietnam hatte Anfang der 70er Jahre die ca. viertgrösste Flugwaffe der Welt, aber war volkswirtschaftlich nicht in der Lage, diese ohne massive US-Hilfe in Betrieb zu halten.)
      Folglich wurde die Gegenseite i.d.R. von russischer/sowjetischer Seite beliefert mit entsprechenden Bedarf an Flugabwehr. Die östlichen Flugabwehrsysteme haben also jahrzehntelang gegen Airpower made in U.S.A. im Einsatz gestanden. Relativ arme Länder wie z.B. Nordvietnam, Ägypten und Serbien konnten mit ihrer russischen Bodluv zumindest Achtungserfolge erzielen.
      Umgekehrt bedeutet das: westliche Luftabwehrsysteme haben insgesamt weit weniger Bewährungsproben bestehen müssen. Am bekanntesten waren vermutlich die Patriot-Abschussversuche gegen Saddams SCUD-Raketen (die Bilanz ist heute noch umstritten aber bestenfalls durchzogen).
      Betreffend Kostenfrage:
      Interessant ist auch: die Golfstaaten, bei denen Geld wirklkich keine Rolle spielt, kaufen meines Wissens ihre Kampfflugzeuge praktisch alle im Westen – bei der Luftabwehr lese ich aber fast nur von russischen Systemen, die den Zuschlag erhalten.
      Für eine neutrale Schweiz, welche von der grössten Luftmacht der Welt umgeben ist, darf es beim Investieren in die eigene Luftabwehr auf rein technisch-sachlicher Ebene kein Denkverbote geben.

  2. offiziere.ch sagt:

    Vielen Dank für Ihren Kommentar. Da wir auf offiziere.ch die Kommentare zum Artikel etwas zusammensammeln, waren wir so frei und haben Ihren Kommentar dort hinzugefügt (https://www.offiziere.ch/?p=17231#comment-205132).

  3. Franz Betschon sagt:

    Es war zu erwarten, dass die Teilaufgabe Luftverteidigung der Luftwaffe nun mit bodengestützten Mitteln gelöst werden soll. Dabei wurde schon mal vorsorglich verbreitet, die früheren Mittel der Fliegerabwehrtruppen seien veraltet. Deshalb wurde unsere seinerzeit rohrstärkste 35mm-Flab Europas von 14 Abteilungen (à 12 Geschütze) auf gerade mal deren zwei reduziert. Dazu kamen noch verschiedene M Flab Geschütze 35 mm in den Flugplatz Flab Formationen und in einer selbständigen Abteilung. Die verbliebenen zwei Abteilungen könnten knapp ein Kernkraftwerk schützen (oder den Flughafen Kloten, oder das Bundeshaus in Bern etc.), aber kein Stauwehr, kein Güterbahnhof, kein Strassenverkehrstunnel zusätzlich etc. Eine frühere M Flab Abt hätte auf Knopfdruck, innert Stunden den ganzen Talkessel von Davos (WEF) abdichten können. Das 2014 um Einsatz gebrachte eine Geschütz, das nicht einmal schussbereit war, wirkte da recht hilflos. Das Projekt BODLUV ist aber immerhin geeignet, die Flabspezialisten unserer Armee nochmals für mindestens 10 Jahre bei Laune zu halten.
    Auch beim Projekt BODLUV wird meines Wissens ein Geschütz vorgesehen das auf der altbewährten M Flab Kan 35 mm basiert, die geschütztechnisch noch heute unerreicht ist. Dass Sensoren ergänzt werden können, war immer so. Die alte rohrstärkste Fliegerabwehr der Schweiz wurde unter den Augen unserer Luftverteidigungsspezialisten abgewrackt. Das Projekt BODLUV 20 wird in keiner Weise den Kampfauftrag Luftverteidigung der Luftwaffe voll erfüllen können.
    Noch etwas zur möglichen Kampfwertsteigerung des Tiger: Es gibt Möglichkeiten, mit denen aus diesem eleganten Überschalljäger wieder ein durchaus verwendbares und allwettertaugliches System werden kann. Solche Tiger könnten weitere 20 Jahre als brauchbare Frontflugzeuge für die Luftverteidigung eingesetzt werden. Strukturverstärkungen (die früher üblich waren) und verbesserte Avionik sowie Lenkwaffen können dies möglich machen und werden in verschiedenen ausländischen Luftwaffen bereits ausgeführt. Meine Befürchtung ist die, dass nun noch eine Weile lang behauptet wird, dies sei kostenmässig unmöglich. Später wird man sich vielleicht zu einer Kampfwertsteigerung Light durchringen mit der Begründung, mehr liege nun wirklich nicht drin. Die Gründe, warum man sich sosehr dagegen sträubt, dürften nicht technischer Art sein, sondern andere, viel schlimmere, über die zu reden sein wird.
    Man vergesse nicht, dass heutige Kampfflugzeuge eine sehr lange Lebensdauer haben. Der Erstflug des F/A-18 erfolgte auch bereits vor 35 Jahren. Weder unsere Hunter oder Mirage wurden aus Strukturgründen ausgemustert. Mindestens die Mirage hätte noch länger fliegen können. Also auch hier : HIDDEN AGENDA!

  4. Hohermuth sagt:

    Der Kommentar von Giardino zu BODLUV ist für mich ausgezeichnet. Leider geht keiner der Kommentare geht auf das zentrale Problem ein, das Giardino aufführt. Das ist der derzeit zuständige BR und Teile der Armeeführung, denen nichts ausser Schaden für die Armee zugetraut wird. Wieso werden diese Personen nicht endlich zum Rücktritt gedrängt bevor sie weiteren massiven Schaden anrichten.

    • Fritz Kälin sagt:

      Man muss sich dann aber auch fragen, wer dann nachfolgen könnte. Ich wage zu behaupten, dass die Dinge sich in den letzten paar Jahren noch wesentlich schlimmer hätten entwickeln können. Man denke nur an Österreich, wo ein Darabos zum Verteidigungsminister gewählt wurde. Stellen wir uns einen Moment lang vor, Chantal Galladé wäre Verteidigungsministerin…
      Der Blick zum östlichen Nachbarn sei aber nicht als schwacher Trost, sondern als ernste Warnung verstanden!

    • Hohermuth sagt:

      @Fritz Kälin
      da haben Sie natürlich recht. Es bleibt nur die Hoffnung, dass jemand an die VBS Spitze kommt, der für eine starke Armee ist und dies auch entsprechend durchsetzen kann. Dazu braucht es massive Unterstützung der Armeebefürworter und im Endeffekt wahrscheinlich insgesamt 7 neue Bundesräte, die den Namen und das Amt verdienen. Es braucht ein Umdenken im Land. Das geht aber wahrscheinlich auch nur durch ändern der bisherigen linken Mediendiktatur. Solange diese armeefeindliche Hydra existiert und nicht wieder objektiv berichtet wird, wird es schwierig.
      Die Baustellen “Armee” sind vielschichtig.

  5. Willy P. Stelzer sagt:

    Der Wechsel an der VBS-Spitze ist überfällig. Und unabhängig davon wer die neue Führung übernimmt. Aber zuerst sind die Mitglieder der beiden Sicherheitskommissionen National- und Ständerat und in der Folge die bürgerlichen Parlamentarier aufzurütteln und zu überzeugen, dass es so wie in der Aera Ogi/Schmid/Maurer nicht weitergehen kann. Denn in Europa herrscht Krieg! Dem Schweizervolk wird in Bezug auf die Armee ein potemkinisches Dorf vorgeführt. Artikel 58 der Bundesverfassung kann nicht mehr erfüllt werden: Dies ist mindestens seit dem Rücktritt von KKdt Keckeis und seiner Abschiedsrede klar. Mit der Abstimmung vom 18. Mai 2003 wurde das Schweizervolk über den Tisch gezogen. Die Methoden der “Spin Doctors im Bundeshaus” haben funktioniert. Man lese das entsprechende Buch der mutigen Frau Dr. Judith Barben und das Buch “Mut zur Kursänderung”, Eikos Verlag.

  6. Franz Betschon sagt:

    Lieber Willy Stelzer,
    Leider wird die Natur, und das sage ich nicht ohne Grimm, schon dafür sorgen, dass unsere Verantwortlichen aufgeweckt werden. Du bist ja bestens im Bilde über die Nachrichtenlage. Wir sorgen dafür, dass auch für die Nachwelt die schweiz-internen Vorgänge dokumentiert werden.

  7. fritz kälin sagt:

    Eindrücklich…
    http://www.thedailybeast.com/articles/2015/04/13/putin-s-missile-could-make-u-s-attacks-on-iran-nearly-impossible.html
    “The U.S. government has lobbied Russia hard for years to prevent the sale of the S-300 to Iran. In 2010, convincing Putin to suspend the sale of the S-300 to Iran was heralded as a major foreign policy coup by the Obama administration. In many ways, it was one of the central achievements of the so-called reset in relations with Moscow, said Heather Conley, a Russia expert at the Center for Strategic and International Studies in Washington.”
    “A senior U.S. Marine Corps aviator said that if Russia delivers the S-300 missile to Iran, it would fundamentally change U.S. war plans. “A complete game changer for all fourth-gen aircraft [like the F-15, F-16 and F/A-18]. That thing is a beast and you don’t want to get near it,” he said.”
    ““I find it almost hilarious that the Russians are saying, ‘It’s an entirely defensive system and cannot attack anyone, including Israel,’” the senior officer said. “But it also essentially makes Iran attack-proof by Israel and almost any country without fifth-gen [stealth fighter] capabilities.”
    Hmmmm, aber wenn die Ukraine entsprechende Systeme im Westen kauft (welche Separatistenflugzeuge sollen damit abgeschossen werden…?), spricht man von “tödlichen Defensivwaffen”.

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