Jean-Claude Juncker: "Die europäische Einigung ist fragil"

Jean-Claude Juncker: "Die europäische Einigung ist fragil"

“1913 hat man gedacht, okay, Frieden ist da, Frieden wird bleiben, Krieg wird es nie mehr geben. Wenn Sie alles lesen was im Jahre 1913 geschrieben und gesagt wurde, nichts deutete auf den Ersten Weltkrieg hin. Er kam aber.
Wenn Sie nachlesen was in den 1930er Jahren auf deutsch-französischen Soldatenfriedhöfen an Schwüren abgeliefert wurde, wären sie sehr schnell, ich rede von den ersten drei Jahren der 1930er Jahre, zum Ergebnis gekommen, die haben es kapiert, es wird nicht mehr passieren. Es ist trotzdem wieder passiert.
1995, das ist noch keine irrsinnig lange Zeit her, wurde im Kosovo, das ist mitten in Europa, das ist anderthalb Stunden Flugzeit von Luxemburg entfernt, etwa, da wurde gefoltert, gemordet, vergewaltigt aus ethnischen Gründen. Mitten in Europa. 
Also dass wir denken, wir wären immun gegen die Wiederauferstehung von den schlimmsten Dämonen, die jemals in europäischen Bergen und Tälern Unterschlupf fanden, das ist eine naive Sicht der Dinge.
Ich bin da sehr, ja, nicht skeptisch, aber aufmerksam wenn es um derartige Gesamtzusammenhänge geht. In dieser Krise, was fällt mir da auf? Mir fällt auf, ich rede von der Wirtschats- und Finanzkrise, mir fällt auf wie fragil letztendlich diese europäische Einigung trotz allem geblieben ist. […]
Und ich sage jetzt nicht, wir stehen jetzt vor einer Wiederholung dessen was wir schlimmsterweise gekannt haben in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Aber bedacht, bedacht!”

Das Interview mit Jean-Claude Juncker auf gouvernement.lu

 

Kommentare: 4

  1. Fritz Kälin sagt:

    “Mein Vater war deutscher Soldat im Zweiten Weltkrieg, weil Hitler Luxemburg besetzt hatte, also die Nazis. Und die jungen Luxemburger, geboren zwischen 1920 und 1927 wurden gezwungen in die Wehrmacht einzutreten, kämpften also eigentlich in einer, wie wir Luxemburger heute noch sagen, verhassten Uniform gegen unsere Alliierten, die damit beschäftigt waren unser Land zu befreien.
    Wir nennen diese Generation die “verlorene Generation”, die zwangsrekrutierte Generation. Ein furchtbares Schicksal eigentlich, gegen sein eigenes Land in fremder, und ergo verhasster Uniform kämpfen zu müssen.”
    Darum stimmen wir Schweizer dieses Jahr für die Erhaltung der Wehrpflicht. Denn vielleicht müssen wir bald einmal mehr eine Insel der Demokratie bewachen – diesmal mitten in Junckers Europa.

  2. Ernst Kägi sagt:

    Wann endlich gehen unserer “Elite” die Augen auf?
    Ich hoffe immer noch, dass sich in diesem Zusammenhange das alte Sprichwort nicht bewahrheitet, wonach den Kartoffeln die Augen erst aufgehen, wenn sie (tief) im Dreck stecken.
    Ernst Kägi

  3. M. E. sagt:

    Lieber Herr Kälin, lieber Herr Kägi, werte Giardinos…!
    Eure Worte in Gottes Ohr Kamaraden, mögt ihr im ganzen Land ge- und vor allem erhört werden!
    Genau wie es früher mal hiess: HEIL DIR HELVETIA!

  4. Marco Bless sagt:

    Juncker’s Interview ist der Ausdruck eines,der glaubt,ganz genau zu wissen,worin das Glück der (europäischen) Menschheit besteht und er lässt durchblicken,dass er sich darüber ärgert, dass sein Glaube nicht von allen geteilt wird.
    In Wirklichkeit ärgert er sich vielmehr darüber,dass er vielleicht noch als Zeitzeuge miterleben muss,wie unrecht er hatte.
    “Und wir sind eigentlich sehr schwächelnde Erbverwalter eines großen Erbens, und das ist das Erbe der Menschen die wissen, und wussten was, zu was, und zu welchen Verwicklungen, und Fehlentwicklungen das nicht-Europa führen kann.”
    Wohin “es” geführt hat,wissen wir als Nicht-Zeitzeugen heute auch. Allerdings würde ich die Ursachen nicht in einem – wie er es nennt – “nicht-Europa” lokalisieren. Vielmehr liegen die Gründe,wie so oft,auf dem sturen Beharren in einer Ideologie. Und genau diesem Prozess des in-einer-Ideologie-gefangenwerdens ist er selbst erlegen. Es hat niemals mehr Nichteuropa gegeben,als in den dunklen Zeiten,als Grossmächte versuchten,es unter Zwang zu vereinen.
    “Wir brauchen eine neue europäische Erzählung.”
    Das nennt sich auch Revisionismus.

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