Absage um Absage zur Armeereform

Absage um Absage zur Armeereform

Der Bundesrat läuft mit seinen Plänen zur Halbierung der Armee auf. Dies zeigen die Vernehmlassungsantworten zum Projekt «Weiterentwicklung der Armee» (WEA). Nachdem die Frist zur Einreichung dieser Stellungnahmen gestern abgelaufen ist, stellt sich die ernsthafte Frage, wer überhaupt noch hinter diesem Projekt steht. Denn selbst Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) gab in einem Interview vom Juli bekannt, dass die geplante Armee mit einem Bestand von 100 000 Angehörigen nach seiner Beurteilung «nicht verfassungskonform» sei. Diese wenig beachtete Aussage Maurers, in dessen Planungsstuben das neue Armeekonzept entstand, erschien in der militärischen Fachzeitschrift «ASMZ».
Das Problem: Die Verfassung hält die Armeeaufträge ziemlich klar fest. Demnach hat die Armee der Kriegsverhinderung zu dienen und sie muss zur Erhaltung des Friedens beitragen. «Sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen», so lautet Artikel 58 der Bundesverfassung.
Quelle: BAZ, 18.10.2013 / Text von Beni Gafner
Massive Meinungsunterschiede
Allerdings ist es nicht Maurer anzulasten, dass er den Mannschaftsbestand von 100 000 festgelegt hat. Nach Verhandlungen, die eher dem Hin und Her an einem orientalischen Bazar glichen als dem Festlegen eines Resultats nach erfolgter Lagebeurteilung, bestimmte das Parlament den neuen Bestand. Das war 2011. Die Linke verlangte dabei 60 000, die Mitte schwankte zwischen 80 000 und 100 000. Auch die SVP lieferte mit 120 000 eine Forderung. Die Gemeinsamkeit aller Vorschläge dauert bis heute an: Sie scheinen allesamt aus der Luft gegriffen. Wer 100 000 fordert, kann deshalb heute kaum plausibel darlegen, weshalb nicht auch 80 000 genügen sollten. Und wer, wie etwa die SVP 120 000 verlangt, hat dasselbe Problem. Wie soll FDP oder CVP klar gemacht werden, dass sie mit 100 000 Soldaten falsch liegen? Warum nicht 50 000, wie sie die SP will? Warum nicht 200000 und die Forderung der «Arbeitsgemeinschaft für eine wirksame und friedenssichernde Milizarmee» erfüllen?

Entsprechend kakophonisch fallen Beurteilungen und Zusatzforderungen im entscheidenden bürgerlichen Lager aus. Die Kritik am Armeeumbau ist dort massiv. Der Gewerbeverband (SGV) fällt derweil im dicken Bündel der Vernehmlassungsantworten mit einer klaren Analyse auf. Der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft, wie sich der SGV bezeichnet, fordert eine umgehende Sistierung der Planung. Und zwar so lange, bis klar sei, auf welcher strategischen Grundlage die Armee weiter entwickelt werden soll.
Zusammen mit der SVP kritisiert der Gewerbeverband «die Abkehr von der Kernkompetenz Verteidigung. Die Armee müsse auf eine sicherheitspolitische und strategische Lage- und Szenarienbeurteilung ausgerichtet sein. «Die Leistungen der Armee können nicht über Bestände definiert werden, sondern müssen als Kompetenzkatalog dargestellt werden.» Der Personalbestand dürfe erst am Schluss festgelegt werden.
WK-Dauer unter Beschuss
Einig sind sich die bürgerlichen Parteien einzig über die Untauglichkeit des Bundesratsvorschlags, die Wiederholungskurse (WK) seien von drei auf zwei Wochen zu verkürzen. Das gehe so nicht, sagen SVP, CVP und FDP. In zwei Wochen könnten Soldaten nicht genügend ausgebildet werden. Es fehle die Zeit für Übungen im Verbund. Hier pflichtet auch die Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) bei, die bei der WK-Dauer ein flexibles Modell verlangt. Nach Forderung der SOG sollte die neue Armee auf einer Basis von 120 000 Angehörigen geplant werden. Das Jahresbudget müsse dabei mindestens fünf Milliarden betragen. Unerklärlich sei, weshalb der Bundesrat vom ursprünglich ausgewiesenen Bedarf von 5,4 Milliarden Franken abgerückt sei. Es sei ein Trugschluss zu glauben, eine verkleinerte Armee koste automatisch auch weniger, sagte SOG-Präsident Denis Froidevaux.
Ein weiterer der raren Punkte, bei dem unter Bürgerlichen Einigkeit herrscht, betrifft die Alarmierung der Armee. Was wie ein schlechter Witz tönt, wurde unter Maurers Vorgänger, Bundesrat Samuel Schmid (BDP), geplant und umgesetzt: Die Schweizer Armee kann gar nicht mobilisiert werden. Neu sollen im Notfall einige Tausend für Schutzaufgaben und Katastrophenhilfe aufgeboten werden können. Die gesamte Armee mit ihren 100 000 Mann mobilisieren geht allerdings auch nach der Neukonzeption nicht. Man plant von Beginn weg mit Lücken bei der Ausrüstung und bei der Logistik. Dies sind denn auch Gründe, weshalb die Milizorganisation Giardino oder die Auns, die Reform entsetzt abschmettern.