Ausweichflugplätze: Problem erkannt? Konsequenzen keine?

Ausweichflugplätze: Problem erkannt? Konsequenzen keine?

Im Luftwaffen-Newsletter – dem “Informationsblatt für die Mitarbeitenden der Luftwaffe” – sprechen sowohl der Kommandant Luftwaffe wie auch sein Chef Kommunikation (bzw. im Zitat Oberst i Gst Peter Bruns, stellvertretender C Ei LW) ein Thema an, welches eigentlich weitreichende Konsequenzen für das Konzept der Luftwaffe in der WEA bzw. das “Stationierungskonzept” haben müsste. Es geht um die Problematik der Ausweichflugplätze aus Meteo-Gründen.
Der Kdt LW schreibt:

“Im Zusammenhang mit dem Luftpolizeidienst wird uns ein Punkt allerdings noch beschäftigen: Aus Meteo-Gründen mussten einige unserer Jets nach ihren Missionen in Sion landen, da sowohl in Meiringen als auch in Emmen dichter Nebel mit Gefahr der Eisbildung herrschte. Wir müssen uns überlegen, was dies für die künftige Einsatzbereitschaft der Luftwaffe bedeutet.”

Zur Erinnerung: SION soll im “Stationierungskonzept” der WEA geschlossen werden!
Und Jürg Nussbaum (Chef Kommunikation) zitiert den stellvertretenden C Ei LW:

“Der Einsatz habe gezeigt, wie abhängig die Luftwaffe bezüglich Wetter von einem Alternate Sion sei bzw. von der Verfügbarkeit von Schlüsselpersonen bei den Partnerorganisationen.”

Quelle (PDF)
Roger Harr hat dazu als Kommentar geschrieben:

Immer wieder kommt es vor, dass Kampfjets ab Sion bei schönstem Wetter im Wallis nicht eingesetzt werden können, da die einzigen Ausweichflugplätze Emmen, Meiringen und Payerne wegen Nebel und Entscheidungshöhen die über den Minimalkriterien liegen geschlossen sind. Seit Jahrzehnten sind die daraus resultierenden Einschränkungen den Piloten bekannt. Nachdem mit Dübendorf der letzte Jet-Flugplatz in der Ostschweiz geschlossen wurde, hat das VBS im November 2013 entschieden, nun auch den einzigen Jet-Flugplatz südlich des Alpenkamms zu schliessen.

Unsere F-5 TIGER sind weder mit ILS noch GPS ausgerüstet. Die F/A-18 haben dies zwar, sind jedoch nur nach CAT 1 – der Kategorie mit der grössten Entscheidungshöhe – zugelassen. Je nach Flugplatz sind unterschiedliche minimale Sichtbedingungen im Endanflug notwendig. Die Flugplätze Payerne, Dübendorf und Emmen sind mit ILS-Anflügen ausgerüstet, Sion hat einen IGS-Anflug (Instrument Guidance System). Dabei handelt es sich im Prinzip auch um einen ILS-Anflug, bei welchem jedoch der Localizerkurs auf welchem das Flugzeug lateral an die Piste herangeführt wird, von der Pistenrichtung abweicht. Meiringen hat lediglich einen GCA-Anflug (Ground Controlled Approach). Bei diesen erhält der Pilot über Funk von einem Controller Steueranweisungen, die ihm auch im Instrumentenflug ohne Sicht einen Landeanflug auf einem virtuellen Gleitpfad zur Piste erlauben. Für GCA-Anflüge mit den vor allem auf Gebirgsflugplätzen grösseren Anflugwinkeln (9° bis 11°) sind Entscheidungshöhen von 600 ft AGL (über Grund) bis etwa 1000 ft AGL notwendig. In Nebellagen reicht dies oft nicht um unsere Maschinen ab diesen Plätzen einsetzen zu können.

Liest man im Newsletter der Luftwaffe vom 10. Februar 2015, wie der WEF-Einsatz gezeigt habe, wie abhängig die Luftwaffe bezüglich Wetter von einem Alternate Sion sei, dann stellt sich die Frage, welchen Einfluss die Piloten noch in den Entscheidungsprozessen der Armee haben.

Quelle: gruppe-giardino.ch

Man fragt sich, ob beim Stationierungskonzept nach dem Muster A-E-K vorgegangen und militärische Kriterien herangezogen wurden oder ob rein politische und finanzielle Vorgaben den Ausschlag für diese Lösung herhalten mussten. Auf jeden Fall sollte die Luftwaffe diese Diskrepanz bald nachvollziehbar auflösen.

 

Kommentare: 4

  1. M.Salm sagt:

    Einmal mehr zeigt sich wie kopflos die Aufgabe der Jet-fähigen Reduit-Flugplätze war

  2. Franz Betschon sagt:

    Es geht nicht nur um Ausweichflugplätze sondern um eine Einsatzkonzeption im weiteren Sinne. Unabhängig wie viele Flugzeuge noch flugtüchtig sind, die Anzahl Lande-/ Startbahnen pro Flugzeug ergeben erst die Flexibilität. Zur Erinnerung: Alle Walliser Flugplätze (vorläufige Ausnahme Sion) sind geschlossen oder unbrauchbar gemacht worden. Ambri, Mollis und die Berneroberländerplätze sind nicht mehr verfügbar. AMB und MOL waren stets Plätze mit besonderen Meteo Verhältnissen.Das Material für Autobahn-Notlandeplätze ist entsorgt worden. Insgesamt, will mir scheinen, war das zu viel Rücksicht auf die NATO.
    Russland hat seit dem Jahre 2000 fast 100 neue Flugplätze gebaut um möglichst viele Pisten pro Flugzeug zu haben.

  3. Markus Gisel sagt:

    “Der Einsatz habe gezeigt, wie abhängig die Luftwaffe bezüglich Wetter von einem Alternate Sion sei…”. Da stellt sich die Frage, warum gerade Sion, wenn doch Dübendorf im Gegensatz zu Sion mit einem voll tauglichen ILS ausgerüstet ist und meines Wissens in Dübendorf auch GPS-Anflüge möglich sind. Aber hier stehen zweifelsohne politische Überlegungen im Vordergrund – der Bund hat ja bereits entschieden 71 Hektaren des Flugplatzareals für einen sogenannten Innovationspark auszuscheiden, welcher überall gebaut werden könnte, so es ihn denn tatsächlich braucht. An den Finanzen kann es nicht liegen, auch wenn dieses Argument von der Armeeführung immer wieder ins Spiel gebracht wird. Die reinen Betriebskosten der aviatischen Infrastruktur von Dübendorf sind m.E. vernachlässigbar. Gestützt auf fundierte Schätzungen betragen diese lediglich zwischen 0.08% und 0.12% des VBS-Etats. Bleibt die Hoffnung, dass das Parlament zur Einsicht gelangt, dass die Sicherheit unseres Landes höher zu gewichten sei als irgendwelche visionären Projekte, wenn ihm das Geschäft, wie angekündigt, vom Bundesrat vorgelegt wird.

  4. Schaub Rudolf P. sagt:

    Der Schreibende ist bescheidener Infanterist und will sich zu den Fragen der Luftwaffe mangels Sachkenntnis nicht äussern. Immerhin vermag er aufgrund seines gesunden Menschenverstandes die Argumentation von Franz Betschon nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt gemäss offizieller Doktrin eine möglichst kostengünstige, zur Erfüllung des Verteidigungsauftrages (BV 58 II) unfähige “Friedensarmee” betrieben wird, die nicht kampffähig ist und nur ein “theoretisches Verteidigungs-Know-how” (savoir faire) sicherstellen muss. Dies erlaubt es unter anderem, eine “Friedensluftwaffe” zu unterhalten mit dem Auftrag, Luftpolizei während den üblichen Bürozeiten zu betreiben. Deshalb kann man sich auch auf wenige Flugplätze beschränken. Falls künftig durch “Antizipation” erkannt wird (???), dass ein Aggressor vor der Tür steht, soll gemäss Doktrin die Armee einschliesslich ihrer Luftwaffe schleunigst wieder aufgebaut und verteidigungsfähig gemacht werden (dazu: Militärdoktrin der Schweizer Armee: Stand der Arbeiten und Perspektiven, in: MPR 2/2013). Sicher werden dann alte Flugplätze wieder in Betrieb genommen oder sogar neue gebaut und blitzartig Flugzeuge gekauft. Gemäss den für die Doktrin Verantwortlichen sollen unsere politischen Instanzen dann schon “gefordert” sein. Gotthard Frick hat zum Ganzen einen höchst lesenswerten Artikel verfasst mit dem zutreffenden Titel “Eine Militärdoktrin der Illusionen”.

Kommentare sind geschlossen.