Brief an den Chefredaktor 'Schweizer Soldat'

Brief an den Chefredaktor 'Schweizer Soldat'

Sehr geehrter Herr Chefredaktor Oberst Peter Forster

  1. In der letzten Ausgabe wird von 120 000 Mann für die Armee gesprochen. Der UOV hätte dies verlangt. Leider geht jetzt die Sicherheitskommission des Ständerates aus politischen und opportunistischen Gründen mit der Forderung auf 100 000 Mann noch tiefer.
  2. Nun mal die Frage: Zu was braucht man 120 000 Mann? Aufgrund welcher Überlegungen kommt man auf diese Zahl? Ist es der richtige Lösungsansatz, aus politischen Gründen aus dem hohlen Bauch heraus die personellen und finanziellen Mittel zu bestimmen ohne vorher gründlich abgeklärt zu haben, was denn die schlimmsten Fälle für unser Land seien und mit welcher Armee-Organisation im Verbund mit allen Sicherheitseinrichtungen  diesen optimal begegnet werden kann? Ist nicht zu befürchten, dass einmal eine Mannschaftszahl festgeschrieben, sie so bleibt, bis Tatsachen ein Umdenken erzwingen, das dann Gefahr läuft, zu spät zu sein?
  3. Mir fällt auf, dass in letzter Zeit im „Schweizer Soldat“ sehr oft über höh Stabsoffiziere und ihre grossartigen Leistungen berichtet wird. Da hiess es z.B. von einem, er sei einer der besten Offiziere der Armee. Frage: Woher weiss man das? Für mich nähert man sich dem Heldenkult. Dabei tun die Herren ja nur ihre Pflicht. Dafür erhalten sie gute Entschädigungen und Sicherheiten. Zudem soll beachtet werden, dass die grosse Zahl der höh Stabsoffiziere aus der Aera Samuel Schmid stammen, wo sie ihre Nato-Ideen einbringen konnten und mit devoten „Verbeugungen“ ihre Karriere gesichert haben, ja sich heute noch in Anwesenheit von Samuel Schmid als frisch beförderter Brigadier feiern lassen. Ein Rückblick kommt zur erschreckenden Einsicht, dass es die Armeeführung selber war, die die Milizarmee auf das Äusserste gefährdet hat und es leider immer noch tut. Was tun denn die immer noch über 50 höh Stabsoffiziere beim heutigen Zustand der Armee, die schwer zu mobilisieren und für einen effizienten Einsatz in einem schweren Krisenfall nicht fähig ist? Bei der Armee 61, die 600 000 Mann mobilisieren konnte, waren es etwa 80 „Generäle“. Man rechne einmal das Verhältnis Armeebestand zu „Generälen“ von früher und heute. Der Chef VBS müsste doch hier einmal den Hebel ansetzen, will er in Zukunft eine leistungsfähige Armee. Vor allem braucht er „Generäle“, denen „Milizarmee“ nicht ein Lippenbekenntnis ist zwecks Weiterbeförderung. Sie müssen das Wesen der Milizarmee, das sich grundsätzlich von der Berufsarmee (s. Ziff. 3) unterscheidet, begreifen und leben.
  4. Kosovo: Ist Kosovo ein Staat, der ein gesichertes Rechtssystem hat, der echt demokratische Einrichtungen aufweist, der wirtschaftlich jetzt und in Zukunft eigenständig sein kann, der über die nötige Grösse, die für einen neuen Staat erforderlich ist, verfügt? Die Schweizer Truppe, die dort Dienst leistet, besteht aus Freiwilligen. Hat man sich schon echt Gedanken darüber gemacht, wer denn freiwillig zu einem Einsatz geht, der möglicherweise Leib und Leben gefährdet? Was tut denn die Truppe dort, wenn alles „normal“ verläuft, sich Langeweile breit macht? Besteht nicht die Gefahr, dass Exzesse stattfinden, die geduldet werden von den dort tätigen Berufsoffizieren, die sich durch Eingreifen ihren Ruf nicht verderben wollen, weil im Kosovo die Grauzone Politik-kriminelle Organisationen riesig ist? Man kennt ja die Sympathien, die Bundesrätin Calmy-Rey gegenüber Kosovo und seinem Ministerpräsidenten pflegt. Liest man bei Schweizer Soldat nur die „Jubelmeldungen“ von VBS und einsichtslosen Politikern? Will man nicht auf warnende Stimmen hören, die sogar im sicher nicht rechts stehenden „SPIEGEL“ zu lesen waren? Die einseitig lobende Berichterstattung zum Kosovo-Einsatz von Schweizer Truppen in der letzten Ausgabe des Schweizer Soldat gibt mir zu denken.
  5. Der Schweiz sind Berufssoldaten grundsätzlich fremd. Wir haben bis heute begriffen, wovor Machiavelli in seinem Werk „Der Fürst“ warnte, nämlich vor Söldnern und Hilfstruppen. Bleiben wir dabei. Wir brauchen eine Bürgerarmee geführt von Bürgeroffizieren, angeleitet und beraten von Berufsleuten als Mentoren, die nur bei ausserordentlichen Fähigkeiten als höh Stabsoffiziere einzusetzen sind.

An sich braucht es den „Schweizer Soldat“ dringend, weil er viel mehr auf die Probleme der Basis der Armee eingeht als andere Publikationsorgane. Nach wie vor bilden Milizsoldaten die Basis der Armee. Sie verkörpern mehrheitlich den Volkswillen. Und das Volk will eine leistungsfähige Armee, zu der man Vertrauen haben kann. Es geht nicht an, dass sogar der Bundesrat erklären kann, die Armee könnte die verfassungsmässige Aufgabe, das Land verteidigen zu können, heute nicht mehr erfüllen. Vom Verhalten der meisten Parteien und gewisser sich „Experten“ nennenden Personen schweigen wir lieber.
Mit freundlichen Grüssen
Johannes Fischer