Die europäische Armee kommt

Die europäische Armee kommt

Ironischerweise verhelfen ausgerechnet jene der europäischen Armee zum Durchbruch, die sich am vehementesten gegen mehr Europa in der Verteidigung stemmen. Zu erwarten ist nämlich nicht etwa eine bewusste Entscheidung der Staatschefs für ein starkes Europa, das endlich selbst – ohne Unterstützung Amerikas – für seine Sicherheit einsteht. Die (ungewollte) Entstehung dieser europäischen Armee wird vielmehr vorangetrieben durch das Zusammenspiel von politischem Selbstbetrug einerseits und dem seit langem real stattfindenden Zusammenwachsen der europäischen Militärapparate andererseits.
Die Staaten können sich nicht von ihrem überkommenen Denken verabschieden, laut dem souverän ist, wer militärisch national autonom ist, also keine Kooperation braucht. Aber gleichzeitig sind sie nicht bereit, für diese Autonomie ausreichend Geld in ihr Militär zu stecken – um 15 Prozent sind die Ausgaben in den EU-Staaten im Schnitt zwischen 2006 und 2013 gesunken. Keiner dieser Staaten ist mehr in der Lage, sich allein zu verteidigen; sie haben die dafür notwendige militärische Handlungsfähigkeit verloren. […]
Doch kann kein Staat mehr allein Ja sagen, also einen nationalen Einsatz erfolgreich durchführen. Das merkte Frankreich, als es 2013 in Mali einmarschierte – und schnell nach europäischer und Uno-Unterstützung rief. Die Spirale von Autonomiestreben und Integrationsautomatismus setzt sich fort: Die Staaten entscheiden weiterhin national über das An- oder Abschaffen von Material und Armeen, um ihre Souveränität zu demonstrieren.
Zugleich schrumpfen die Streitkräfte in Europa weiter, weil die Finanzkrise die öffentlichen Haushalte noch Jahre belastet. Neu ist, dass Europa dabei unter die kritische Grenze dessen zu rutschen droht, was militärisch noch relevant ist. Kostendruck und mangelnde Kooperation verhindern zunehmend die Beschaffung etwa von Tankflugzeugen oder Transportern. Zudem geht schrittweise die Schlüsselfähigkeit verloren, militärische Einsätze überhaupt durchzuführen, weil Fähigkeiten zur Kommunikation und Aufklärung ebenso fehlen wie sogenannte Nischenfähigkeiten, etwa Luftabwehr.

Beitrag auf NZZ.ch
Kommentar:
Mit der gleichen Begründung wird eines Tages auch die Schweizer Armee in einer europäischen NATO-Armee eingegliedert. Dieser Schritt wird dann als “alternativlos” bezeichnet werden und leider wohl auch so sein, weil die Weichen schon vor Jahren falsch gestellt wurden. Eine solche Weiche ist die Revision des Militärgesetz (WEA).