Die Schweiz und die Partnerschaft [statt der Eigenverantwortung?] für den Frieden

Die Schweiz und die Partnerschaft [statt der Eigenverantwortung?] für den Frieden

Nach Lektüre der illustrierten Broschüre und des Jahresberichts 2011 lässt sich festhalten, dass die PfP ja an sich schön und gut sein mag. Aus Platz- und Zeitgründen verweise ich hier nur auf die Stellen, die bei mir mindestens ein Stirnrunzeln verursacht haben. Schliesslich äussere ich meine Meinung unentgeltlich (dafür unabhängig), wohingegen bezahlte Beamte und Politiker aus den beiden betroffenen Departementen genügend lobende Worte über die PfP verloren haben, wozu u.a. auch die im Link aufgeführten Dokumente gehören.
Aus dem Dokument „illustrierte Broschüre“ (2004)
Quelle: http://www.pfp.admin.ch
S. 7 Die Liste der Staaten, die an der schönen Partnerschaft für Frieden teilnehmen, enthält u.a. die Länder Russland und Georgien. War da nicht etwas, im Jahre 2008 des Herrn? Offensichtlich geht so eine ‚Partnerschaft für den Frieden’ nicht zwangsläufig mit ‚Frieden’ einher. Also bitte nicht zu viel in den Namen dieser Organisation hineininterpretieren.
S. 10 2004 blickte die NATO bereits auf mehrere Erweiterungsrunden (gegen Osten) zurück, worauf mit sichtlichem Stolz verwiesen wird. Ich verweise hier lediglich darauf, dass diese Erweiterungen dem ‚Friedenspartner’ Russland relativ sauer aufstiessen und zur Vorgeschichte des Krieges 2008 dazugehörten.
S. 21 „So beteiligt sie [die Schweiz] sich an umfassenden Vorbereitungen für internationale Hilfe im Falle eines Anschlags. Dabei steht die effiziente Koordination der zivil-militärischen Zusammenarbeit im Vordergrund.“ Was ist hier gemeint? Internationale Katastrophenhilfe, um die Folgen eines Terroranschlages zu bewältigen? Man merkt, im Jahr 2004 steckte 9/11 noch allen in den Knochen. Aber welcher Anschlag hat jemals die Rettungskapazitäten eines betroffenen Landes überfordert? Eine Bombe ist kein Erdbeben der Stärke 7 aufwärts und auch kein Angriff durch strategische Bomber! Die Bürger in entwickelten Industrieländern sollten von ihrem Staat noch erwarten dürfen, dass er die Folgen eines solch begrenzten Ereignisses mit eigenen Mitteln zu bewältigen weiss. Entweder wurde hier beim Schreiben nicht überlegt, oder man will mit solchen Sätzen den weiteren Kahlschlag bei den landeseigenen Schutz- und Rettungstruppen rechtfertigen, indem man darauf verweist, dass einem im Katastrophenfall praktisch die ganze Welt Hilfe schicken würde. Nein, internationale Solidarität soll vom Staat nicht dazu missbraucht werden, sich um seine Pflichten den eigenen Bürgern gegenüber zu drücken!
S. 22 „In den Staaten des Ostens geht es zusätzlich darum, die Erblasten des Kommunismus zu beseitigen – sprich die aufgeblähten, wenig effizienten Sicherheitsapparate zu verkleinern und unter demokratische Kontrolle zu stellen.“ Mit solchen Worten diskreditiert man heute in Europa nationale Streitkräfte, die nur für den legitimen Kriegsfall der Landesverteidigung ausgelegt sind/waren. Ich verweise hier auf meinen Beitrag zum Beispiel Georgien. Viele Mittel- und Osteuropäische Staaten erhofften sich von einem NATO-Beitritt einen glaubwürdigen Schutz vor Russland. Ausser ein paar multinationalen Flugzeugstaffeln über dem Baltikum beruht der militärische Schutz bald nur noch auf der nuklearen Abschreckung, weil alle NATO Armeen zu „effizienten Sicherheitsapparaten“ zusammengeschrumpft sind.
 
Aus dem Jahresbericht 2011
Quelle: http://www.pfp.admin.ch
S. 3 Um ein Haar hätte sich auch die Schweiz im Zuge der allgemeinen Terror-Hysterie als „Partner für den Frieden“ auch am NATO-Einsatz in Afghanistan beteiligt. So schnell wird aus sinnvoller Zusammenarbeit im militärischen Ausbildungsbereich etc. eine handfeste Involvierung in einem ‚Wiederaufbaukrieg’. Ich finde, so ein Armeeeinsatz wäre ein äusserst schwacher Ersatz für den Frieden, den unser Land bisher seiner immerwährenden bewaffneten Neutralität verdankt.
S. 5 Natürlich treffen sich Aussen- und Verteidigungsminister, Botschafter und Armeechefs der PfP-Länder regelmässig. Man fragt sich, ob die Schaffung eines CdA der Schweizer Armee einzig dem Zweck diente, an solchen Konferenzen jemanden mit der passenden Anzahl Sternchen auf den Schultern hinschicken zu können?
S. 6f. Neben solchen sporadischen Konferenzen gibt es natürlich auch regelmässige Arbeitstreffen der „ständigen [militärischen] Vertreter“ der Mitgliedsländer. Der Offizier, welcher die Schweiz vertritt, kann regelmässig Lob für unsere SWISSCOY entgegennehmen. Das Risiko dieses Einsatzes tragen aber die einfachen AdA, welche dort unten auf Posten stehen und die Schweiz als Ganzes, die mit diesem bewaffneten Auslandeinsatz einen aussenpolitischen Prinzipienbruch begangen hat.
S. 22 Letztlich kostete die PfP die Eidgenossenschaft 2011 knapp 4 Mio Steuerfranken – der Löwenanteil fällt natürlich beim VBS an, nicht beim EDA. Nicht viel, aber auch nicht nichts.
Fazit:
Die PfP ist voll von gut klingenden Absichten und Projekten. Aber wo aus sinnvoller Zusammenarbeit in sicherheitspolitischen Teilbereichen eine ‚Komplizenschaft für Abrüstung und Souveränitätsverlust’ wird, ist für den neutralen Kleinstaat ‚Rosinenpicken’ zwingend geboten! Denn letztlich ist jeder Staat zuerst seinen eigenen Bürgern und Steuerzahlern verpflichtet. Bevor man Verantwortung für andere übernimmt, muss man seine Eigenverantwortung wahrnehmen. 

 

Kommentare: 8

  1. Knutti Walter sagt:

    Ich habe Mühe mit den Aussagen des Schreibenden. Was soll dieser Beitrag bewirken? Man kann natürlich Alles und Jedes hinterfragen, aber einen Beitrag zu einer starken Milizarmee kann ich hier nicht erkennen. Schon Sun Zu hat geschrieben, dass wenn man sich verteidigen will, man zuerst den Gegner kennen muss. Da jeder Nachbar seit jeher immer auch ein potentieller Gegner sein kann, kann es wohl nicht schlecht sein, wenn man seine Nachbarn kennt und wenn man davon ausgehen kann, dass auch jeder Nachbar zum Freund und Helfer werden kann, dann erst recht nicht. Bei PfP erhalten wir tiefe Einblicke in die Funktionsweise und Denkweise der NATO. Das kann nicht schaden und hat uns auch aufgezeigt, dass eine Mitgliedschaft nicht anzustreben ist. Dass wir aber in gewissen Fällen sehr wohl auf eine Zusammenarbeit angewiesen sind, müsste auch dem noch so stolzen Eidgenossen einleuchten. Wer denn sonst als die NATO könnte einmal, wenn es uns ans Eingemachte geht, uns zur Seite stehen? Es wird wohl niemand im Ernst glauben, dass unsere 100’000 Mann Armee und unsere kleine Luftwaffe dieses Land nachhaltig und autonom verteidigen kann. Von Komplizenschaft für Abrüstung und Souveränitätsverlust zu sprechen ist falsch und unredlich und Rosinenpicken war noch nie ein taugliches Rezept.
    Wir leben nun einmal in einer anderen Welt als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Europa hat sich gewandelt und es ist nicht zu übersehen, dass dieser Wandel alle Staaten auf dem linken Fuss erwischt hat. Es ist wesentlich schwieriger mit dem Frieden umzugehen als mit der erkennbaren Gefahr. Wir tun uns schwer damit und die Anderen auch. Einfach zu sehen an der andauernden Diskussion innerhalb der NATO über ihre Zukunft und Aufgabe. Solange als wir in Europa die Chance haben den Wahnsinn der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu überwinden, solange müssen alle Wege genutzt werden, die uns den doch von allen ersehnten Frieden bringen könnten. Dazu ist eine verantwortungsvolle Politik aller Europäischen Staaten nötig und gegenseitiger Respekt, PfP ist dabei nur ein sehr, sehr kleiner Mosaikstein, den die Armee dazu beitragen kann, der Rest ist Aussenpolitik. Si vis pacem, para bellum dürfte eigentlich in Europa ein wohl lange gültiges aber heute überholtes Rezept sein.

    • Fritz Kälin sagt:

      Die Kritik kann ich so entgegen nehmen. Die Absicht hinter dem Artikel muss ich aber nochmals kurz darlegen: Nur weil man sich via PfP kennen lernt, heisst das noch lange nicht, dass man sich aufeinander verlassen kann. Ich kritisiere nicht das an sich sinnvolle PfP, sondern die Geisteshaltung, die bei vielen Teilnehmerstaaten dadurch gefördert wird. Ist es ein reiner Zufall, dass die Demontage unserer Armee in der Zeit einsetzte, als die Schweiz dem PfP beitrat? Die von der Politik betriebene Zerstörung unserer altbewährten Sicherheitsarchitektur wurde erst dadurch möglich, dass die Bevölkerung von Mainstreammedien in einer falschen Sicherheit gelullt wird.
      Von “para bellum” kann in Europa wirklich keine Rede mehr sein. Meine Generation wird es erleben, ob erstmals in der Geschichte Frieden einfach herbeigewünscht werden kann, oder ob ihm nicht aktivere Anstrengungen und Opfer zugrunde liegen müssen. In den übrigen Weltgegenden gilt das alte Rezept des para bellum weiterhin – welche Konsequenzen wird der Rest der Welt aus Europas Schwäche ziehen? Und wie werden sich die zunehmend bankrotten Staaten in Europa gegenüber der reichen Schweiz verhalten? Wo sehen Sie in Europa noch eine “verantwortungsvolle Politik”, auf der Frieden und Wohlstand auch in Zukunft aufbauen könnten?

    • Hans Ulrich Suter sagt:

      Das scheint mir jetzt aber als blutiger Laie schon eine merkwürdige Aussage. Es ist natürlich die Aufgabe der Militäatasches und der Geheimdienste möglichst viel über die Nachbarn=potentielle Feinde rauszufinden. Es gibt sogar das Extremum, das man eigentliche Kopien der feindlichen Armee zu Uebungszwecken nachbaut (die “agressors squadron” kennen Sie natürlich auch). Was wir hier aber beobachten, ist der Totalumbau der Schweizer Armee um Zitat “interoperabel” zu werden. Das ist nicht dasselbe und kann auch nicht verglichen werden. Daher ist das PfP etwas ganz anderes und bedeutet für mich die Unterstellung der Schweizer Armee unter NATO Hoheit. Ansonsten sind auch die an Dummheit nicht zu überbietenden “Modernisierungen” auch nicht verständlich.

    • M. E. sagt:

      Guten Tag Herr Knutti,
      Die von Ihnen am Rande angesprochene 100’000 Mann CH-Armee, ist nach eigenen Angaben im jetzigen Zustand NICHT mehr fähig ihren verfassungsmässigen Auftrag also: DAS LAND ZU VERTEIDIGEN wahrzunehmen. Sie wurde ganz einfach, nicht mehr dafür konzipiert. Aber… um das geht es eigentlich hier bei Giardino, wieder eine starke Milizarmee zu bekommen, eine die diesen Auftrag auch wieder wahrnehmen kann…!

  2. Alfred Müller sagt:

    Guten Tag Giardinos
    Sehr geehrter Herr F Kälin
    Lese immer wieder mit grossem Interesse Ihre Gi-Beiträge.
    Muss vorausschicken, dass ich als strenger Verfechter der „immerwährenden, bewaffneten schweizerischen Neutralität“ kein Freund der Entsendung unserer „Söhne“ (AdA) ins kriegerische Ausland bin.
    Ihr Fazit unterstütze ich zu 99% !
    Sie sprechen in Ihrem Beitrag im letzten Abschnitt (S. 22) die Kosten des Einsatzes im Kosovo für 2011 an. Ich gehe davon aus, dass Sie diese Angaben (4 Mio SFr) der Bundesbuchhaltung entnommen haben.
    Bestand der SWISSCOY beträgt max 220 Mann.
    Geht man von einem bescheidenen, durchschnittlichen Gehalt von 100’000.- Fr/AdA aus, exkl Gefahrenzulagen, Unterkunft und Verpflegung, Versicherungsprämien, Betriebstoff, Nach-/Rückschub, spez Trsp aller Art, Amortisation aller Ausrüstungsgegenstände (RdSPz, Helikopter, etc), Reparaturen aller Art, etc, etc, ergibt dies einen Betrag von 22’000’000.- SFr
    ( 22 Mio !).
    Ich stelle fest, diese Bundesberner-Angaben entsprechen einmal mehr nicht der Wirklichkeit! Augenwischerei ?
    – Vollkostenrechnung (VKR) in der
    Bundesbuchhaltung ?
    Gibt es diesen Elementarbegriff
    in Bundesbern (BB) überhaupt ?
    – Ist das Fehlen einer SWISSCOY
    -VKR der Grund dafür, dass in
    der „Heimatarmee“ die Fränkli zur
    Beschaffung von Lkw-Pneus knapp
    geworden sind ?
    – … wo mache ich den
    Rechnungsfehler ??
    Wäre froh um diesbezügliche Feedbacks, Einschätzungen, etc ! Danke zum voraus !

    • Fritz Kälin sagt:

      Ihre 99%ige Zustimmung ehrt und freut mich, Herr Müller. 🙂
      Zu den Zahlen:
      Achtung, in den knapp 4Mio SFr ist SWISSCOY nicht enthalten! Dem Jahresbericht 2010 kann man auf S. 22 entnehmen, dass darin lediglich die (unzähligen) “Workshops”, “Kooperationsprojekte” sowie unsere Vertreter bei der NATO in Brüssel enthalten sind. Ich schätze, die Kosten setzen sich vermutlich primär aus Lohnkosten für die Teilnehmer an diesen Kursen, Veranstaltungen etc. zusammen.
      Man kann sich natürlich fragen, warum die SWISSCOY nicht mit eingerechnet wurde. Meines Wissens steht unsere SWISSCOY-Mission im Rahmen des PfP. Würde man sie dazurechnen, sähen die Kosten für unsere schöne heile-Welt-PfP-Beteiligung nicht mehr ganz so bescheiden aus… Ich will dem Bund hier nicht gleich Augenwischerei unterstellen, sondern belasse es bei einem weiteren Stirnrunzeln.

    • Alain Vincent sagt:

      Vielleicht liegt es daran, dass die Swisscoy ein “Einsatz-Projekt” des VBS mit Auftrag der Bundesversammlung ist (basierend auf UN Resolution 1244, zeitlich befristet, muss duch Parlament/Legislative verlängert werden),
      während PfP ein mehrgleisiges “Projekt” der Exekutiven ist (mit diplomatischer Komponente auf aussenpolitischer Stufe EDA, einsatzbezogenen Aufträgen/Personalbeteiligungen VBS/SWISSINT, militär-wissenschaftlichen Aspekten der Militärakademie MILAK, etc.).
      Der Unterschied zeigt sich auch darin, dass ein Swisscoymitarbeiter im Prinzip ein gewöhnlicher Zeitsoldat ist während zB. ein (unbewaffneter!) Militärbeobachter ein UNO-Mitarbeiter ist (mit militärischem Arbeitskittel und Offizierspatent irgend einer Armee).

  3. Brugger Kurt sagt:

    Hallo Giardinos, alles auch die Mitgliedschaft bei der PfP, hat viele Aspekte,für die Schweiz. Vor- und Nachteile einer Aussenpolitik die PfP Mitlgiedschaft unseres Landes befürwortet sind demokratisch ausdisku-tiert worden. Die damit zusammenhängenden Einsätze der Armee, mit friedenserhaltendem Zweck (in den bet-roffenen Staaten), sind jenseits der Regeln, welche uns die Befolgung des Neutralitäts-Grundsatzes auf-erlegt. Die damaligen Debatten haben deutlich gezei-gt, die Befürworter haben die Bedeutung nicht richtig interpretiert und verstanden.
    Ein gut schweizerischer Kompromiss zwischen Befürwor-tern und Gegnern der Ausland-Einsätze hat dazu gefüh-rt, die Schweizer-Kontingente unbewaffnet zu belas-sen. In der Annahme andere (nicht Schweizer-Truppen) könnten für deren Sicherheit sorgen. Nachdem sich die Untauglichkeit dieser Annahme offenbart hat, sind die CH-AdAs mit der persönlichen Waffe (für den Selbst-schutz) ausgerüstet worden.
    Vor diesem aussenpolitischen “Manöver” (von der Linken aktive Neutralität genannt,nach aBR CalmiRey) hat die bewaffnete Neutralität der Schweiz hohen Goodwill und grosse Glaubwürdigkeit beinhaltet. Jahr-zehntelang unantastbar, gepaart mit einer kampfstar-ken Armee, einer glaubwürdigen Landesverteidigung, ungeteiltem Wehrwillen im Volk, humanitärer Tradition und unmissverständlicher Diplomatie, hat sich die Schweiz über 160 Jahre den Frieden erhalten.
    Verunsichert hat unser “Freude herrscht” BR, der nicht nur den EWR als Trainingslager (damals kam er als ex GD einer grossen Sportvermarktungs-Firma dirket ins Bundehaus)für die Schweizer mit dem Ziel EU-Beitritt gesehen hat, sondern die PfP als Traini-ngslager für die Schweizer-Armme mit dem Ziel NATO-Beitritt proklamierte. Ein unseeliger Entscheid der einerseits die schweizerische Neutralität zum fast Nonvaleur abwertete, und für unser Land weitere schi-cksalshafte Folgen haben kann. Eine Rückbesinnung mit Korrektur, im aktuellen politischen Klima, dürfte schwierig sein.

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