Eine neue Organisationsstruktur für die Armee

Eine neue Organisationsstruktur für die Armee

Heute Donnerstag wird der Nationalrat über die Weiterentwicklung der Armee (WEA) beraten. Dabei ist sehr zu hoffen, dass er den Empfehlungen seiner Sicherheitspolitischen Kommission folgt und die beiden Teilstreitkräfte Heer und Luftwaffe, immerhin die wichtigsten Elemente für die Daseinsberechtigung der Armee, nicht herunterstufen und in ein sogenanntes Operationskommando eingliedern wird. Genau diesen Fehler hat leider der Ständerat bei der Beratung der WEA gemacht: Er hat, einem Vorschlag der Armee folgend, Heer und Luftwaffe durch die Eingliederung in ein neues “Operationskommando” heruntergestuft. Mit diesem, ohne Sachzwang neu aufgestellten Organisationskommando würde eine zusätzliche Führungsebene in der weiter verkleinerten Armee geschaffen. Im Gegensatz zur Ausbildung, Logistik und Führungsunterstützung wären Heer und Luftwaffe damit nicht mehr direkt dem Armeechef unterstellt. Dies wird ihrer Wichtigkeit nicht gerecht und würde zu einem Ungleichgewicht zwischen Ausbildung und Support auf der einen, und Leistungserbringung auf der anderen Seite führen.
von Roger Harr, Oberstlt i Gst aD
Um die Gründe für diesen planerischen Schritt zu verstehen, muss etwas zurück geblendet werden.Mit dem Ziel Kosten zu sparen, wurde in den vergangenen Jahren im Rahmen von Zentralisierungsmassnahmen den Teilstreitkräften Heer und Luftwaffe laufend Personalautonomie, Finanzautonomie und Führungsverantwortung entzogen. Die Logistik wurde in der Logistikbasis der Armee und die Übermittlungs- und Sensorsysteme in der Führungsunterstützungsbasis der Armee neu organisiert. Die Supportkomponente der Armee wurde dadurch aufgebläht, während die Leistungserbringer Heer und Luftwaffe jegliche Autonomie verloren haben. Wo früher eine einzige Kommandostruktur mit Einsatzverantwortung war, sind heute viele verschiedene Organisationen mit eigenen Strukturen (und Zielvorgaben) tätig.
Auf einem Militärflugplatz zum Beispiel kann im Gegensatz zu früher die Schneeräumung einer Piste nicht mehr einfach befohlen werden, sondern sie muss über „Leistungsvereinbarungen“ auf dem Dienstweg “eingekauft” werden und erfolgt aus diesem Grund manchmal zu spät. Es gab Fälle, in denen Militärflugplätze deshalb geschlossen werden mussten.
Schnittstellen und Koordinationsbedarf haben zugenommen und die Führung der Prozesse wurde laufend aufwändiger und komplexer. Das Thema «Schnittstellen» erfordert heute in der Organisation des täglichen Betriebs und der Einsätze mit Abstand den grössten Aufwand und ist die häufigste Quelle von Friktionen in den Abläufen. Wer ist zuständig, wer darf was, wer nicht, wo steht was etc.? In einem Konfliktfall hätte dies verheerende Auswirkungen. Das Ziel Kosten zu sparen wurde zudem nachweislich nicht erreicht.
Nach diesen unglücklichen Zentralisierungsmassnahmen wird die neue Organisationsstruktur nun damit begründet, dass die mittlerweile zerstückelten Teilstreitkräfte – die Raison d’Être der Armee – nicht mehr in der Lage sind, die für einen Einsatz notwendigen Leistungen alleine erbringen zu können. Dies ist schon fast als zynisch zu bezeichnen. Das Einfügen einer zusätzlichen Führungsebene löst keines der beschriebenen Probleme. Für Heer und Luftwaffe wäre es aufgrund der geplanten “Zurückstufung” nur noch schwieriger die erforderlichen Leistungen über die Partner-Organisationen sicherzustellen.
Empfehlungen
Heer und Luftwaffe brauchen den direkten Zugang zum Armeekommandanten. Ein zusätzliches Operationskommando macht keinen Sinn, weil eine zusätzliche Führungsstufe in einer weiter schrumpfenden Armee geschaffen wird, was die Entscheidungswege verlängert. Die Teilstreitkräfte brauchen so viel Autonomie, dass sie in ihrer Auftragserfüllung nicht behindert werden.
Die WEA hat verschiedene positive Aspekte, die es wert sind umgesetzt zu werden. Mit einem vernünftigen Entscheid des Nationalrats am Donnerstag besteht die Chance, diesen gravierenden Fehler in der Organisationsstruktur der WEA noch zu korrigieren und in der Herbstsession im Differenzbereinigungsverfahren zwischen den Räten einen vernünftigen Entscheid im Sinne der Truppe zu finden.

 

Kommentare: 3

  1. Schaub Rudolf P. sagt:

    Es geht nicht nur darum, dass keine Herunterstufung der Luftwaffe stattfindet, sondern auch darum, dass diese wieder zu einer “Totalunternehmerin” gemacht wird. Es darf nicht sein, dass die verschiedenen Tätigkeiten, welche für den Betrieb einer Luftwaffe unerlässlich sind, aufgesplittert werden. Heute ist die Luftwaffe nicht dafür verantwortlich, dass sich die Pisten in einem Zustand befinden, welcher den Start ihrer Flugzeuge zulassen. Weitere analoge Beispiele von nachteiligen Schnittstellen liessen sich anführen. Die erfolgreiche Erfüllung einer Aufgabe setzt einen Verantwortlichem mit einem Auftrag in einem Raum voraus. Da sich im Nationalrat kaum mehr Mitglieder mit dem nötigen militärischen Sachverstand, aber viele Ideologen befinden und die oberste Armeeführung trotz der Kritik namhafter Offiziere (beispielsweise auch Div a D Müller) an ihren untauglichen Führungsstrukturen unbeirrbar festhält, ist nicht mit den dringend nötigen Korrekturen zu rechnen.

    • Roger HARR sagt:

      Absolut korrekt Herr Schaub
      Es gibt noch Dutzende von weiteren Aspekten und ich habe einen seitenlangen Katalog mit Problemen zusammengestellt. Diese wurden in der Broschüre der AVIA kurz angeschnitten. Leider wird die Materie dann aber für den Normalparlamentarier und -bürger so komplex, dass sich keiner mehr dafür interessiert (der Nationalrat behandelt heute bis um 1300 etwa 10!!! Geschäfte). Der Beitrag ist ein Kompaktversion, mit der ich versucht habe, auf ein zentrales Anliegen aufmerksam zu machen und es zu begründen.

  2. zala boris sagt:

    Problem ist nur im Bundeshaus in Bern.Diese Leute sind nicht Techniker oder Spezialisten(Kompetente), sind nur Politiker mit ihre Philosophie darum das jede Sache die Positiv für die Armee (unsere Sicherheit)ist, diese sind immer dagegen!

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