Einschätzung der Gruppe Giardino zur multinationalen Luftverteidigungsübung in Schweden
Die Gruppe Giardino wurde von verschiedenen Medien und Mitgliedern gefragt, was sie zur “Multinationalen Luftverteidigungsübung Arctic Challenge Exercise (ACE 2015)” in Schweden meint. (Beitrag im tagesanzeiger.ch)
Hier unsere Antworten:
Journalist: 8 F/A-18 der CH-Armee trainieren derzeit zusammen mit schwedischen, finnischen und Nato-Kräften in Schweden. Die militärische Zusammenarbeit mit Spanien und Österreich soll ausgebaut werden, wie Ueli Maurer in den letzten Wochen angekündigt hat. Meine Fragen an Sie:
Sehen Sie einen Trend, die Armee zu Trainingszwecken wieder stärker ins Ausland zu schicken? Quasi eine Rückkehr zum alten Motto: Sicherheit durch Kooperation?
Giardino: Uns ist nicht bekannt, dass sich die Schweiz offiziell von der Doktrin “Sicherheit durch Kooperation” verabschiedet hat. Angesichts des Zustands der Armee ist dies aktuell der einzig gangbare Weg, um politisch nicht mit abgesägten Hosen da zu stehen. Wir können aber nur hoffen, dass wir uns nicht an den falschen Partner anschmiegen und er sich nicht plötzlich gegen uns wendet. Die “autonome Landesverteidigung” und insbesondere die “autonome Luftverteidigung” ist mit dieser (und erst recht nicht mit der geplanten) Armee NICHT möglich.
Wir können keinen Trend feststellen, dass diese Trainings im Ausland häufiger stattfinden würde. Es muss sich um eine kurzfristige Kummulation handeln.
Begrüssen Sie diese Auslandeinsätze der Armee?
Giardino: Wir begrüssen die Trainings im Ausland, wo sie politisch tragbar sind und einen positiven Effekt auf die Ausbildung im Inland haben. Wir stellen jedoch fest, dass das VBS je länger je mehr damit Mühe bekundet, ein internationales sicherheitspolitisches Feingefühl an den Tag zu legen. Die Ausladung der “Russian Knights” anlässlich der AIR14 war aus unserer Sicht neutralitätsschädlich. Die Teilnahme an einer NATO-Übung vor den Grenzen Russlands ist heikel. Etwas mehr Zurückhaltung – besonders gegenüber der NATO – täte der Schweiz gut. Grundsätzlich plädieren wir für einen Austritt der Schweiz aus der NATO-Organisation “Partnership for Peace” (siehe Manifest II).
Sollte die Armee aus Ihrer Sicht vermehrt mit Nachbarstaaten kooperieren, um die Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten? Soll das Ausland-Engagement ausgebaut werden?
Giardino: Die Kooperation mit dem (nahen) Ausland gibt der Schweiz ein falsches Gefühl von Sicherheit. Im Notfall wollen wir uns nicht auf die Partner verlassen müssen. Wir würden relativ schnell die Befehlsgewalt über die Aktionen auf und über unserem Staatsgebiet verlieren (siehe Luftpolizeidienst über den Baltischen Staaten).
Eine Kooperation mit unseren Nachbarn bedeutet automatisch eine grössere Nähe zur NATO. Damit sitzen wir in einem Boot mit diesem Kriegsbündnis. Das ist aus unserer Sicht nicht im Interesse der neutralen Schweiz.
Wir plädieren generell für eine Rückkehr zur bewaffneten, dissuasiven Neutralität und einer defensiv aufgestellten, jederzeit innert weniger Stunden mobilisierbaren und über Monate durchhaltefähigen Milizarmee.
Kommentare: 10
Mit solchen hirnrissigen Aktionen sinkt die Chancen für neue Kampfflugzeuge gegen Null.
Trainingsaufenthalte der Schweizer Luftwaffe bei ausländischen Luftstreitkräften sind aufgrund unserer Verhältnisse unerlässlich. Die Teilnahme an der aktuellen Übung in Skandinavien verträgt sich aufgrund des Übungszweckes und der Teilnehmer (neben Schweden und Finnland auch NATO-Verbände) mit unserer Neutralität nicht. Wenn die Luftwaffe an solchen Übungen teilnimmt, müsste sie auch Russland die Teilnahme an analogen Übungen offerieren. Ich frage mich schon, was man sich im VBS überlegt.
Wenn das VBS weiterhin aus populistischen Gründen (Tourismus, Landwirtschaft) sich selbst auferlegt, dass bestimmte Lufträume und Übungstypen (Nachtflug, Tiefflug, Überschallflug) im eigenen Land nicht mehr möglich sind, ist das Ausweichen ins Ausland die einzige mögliche Alternative, wenn man Ausbildung nicht nur auf Simulatoren betreiben will.
Über kurz oder lang wird das auch für Panzer und Artillerie der einzig verbleibende Weg sein, wenn laufend weitere Auflagen und Verbote kommen: Hinterrhein, Wichlen und Bure lassen grüssen.
Unsere gegenwärtige sicherheitspolitische Führung vergisst immer wieder und immer mehr, dass wir uns als Kleinstaat nicht wünschen können, was andere Staaten über unser Tun und lassen denken. In der Politik zählt die Macht des Faktischen. In diesem Fall: Fakt ist, dass Schweizer Kampfflugzeuge an einer multinationalen Übung im nördlichen Interessenraum teilnehmen, die unter dem Kommando eines norwegischen Nato-Generals steht. Das “Kleingedruckte”, ob diese Mitfliegerei nun im Rechtsstatus eines PfP-Assoziierten oder sonstwas Kompliziertes stattfindet, interessiert die diesen Raum beobachtenden Mächte nicht.
Das ehemals bedeutendste sicherheitspolitische Dogma der schweizerischen Sicherheitspolitik, Gebot der Neutralität, wird durch eine blauäugige fadenscheinige Flunkerei einmal mehr auf’s schwerste verletzt. Wo bleiben unsere Parlamentarier, die diesem tolldreisten Treiben ein Ende bereiten?
Vorsicht: Gerade die Gegner unserer Neutralität bezeichnen unsere bewährte Neutralitätspolitik als ‘Dogma’. Dabei war sie ein Mittel zum Zweck – und dieser Zweck war die Wahrung der nationalen Souveränität.
Statt Bündnisse mit anderen zu schmieden, um an Kriegen teilnehmen zu ‘können’, welche unsere eigenen Kräfte zwangsläufig übersteigen, haben wir uns (früher) darauf konzentriert, uns aus fremden Händeln herauszuhalten.
Die Aufweichung unserer Neutralität ist ein warnendes Symptom dafür, dass unsere Politik (im immer schärferen Gegensatz zum Mehrheitswillen des Souveräns) nicht mehr die Wahrung unserer Unabhängigkeit als oberstes Ziel verfolgt.
… Unsere sog. Parlamentarier scheinen, zumindest in Ihrer Mehrheit, zu einem allgemein korrupten Haufen verkommen zu sein… Die stellen doch lieber der eindeutig belasteten Christa Markwalder (FDP/BE) einfach einen Persilschein aus, anstatt anständig Ihres Amtes zu walten. Heul Dir Helvetia…!
Die Ausführungen von Hanspeter Drayer kann man gut nachvollziehen, wenn man sich den kurzen Beitrag der Nachrichtenagentur Reuters zur Übung ansieht: http://www.spiegel.de/video/nato-und-russland-starten-zeitgleich-manoever-video-video-1580237.html. Die Schweizer FA/18 sind an ihren Hoheitszeichen klar zu erkennen. Welchen Eindruck gewinnt man? Welche Schlüsse ziehen sicherheitspolitische Experten im Ausland daraus? Welches Signal sendet die Schweiz nach aussen?
Es erstaunt schon, wenn man bedenkt, wie sich die Schweiz auch mit dem Argument der Neutralität gegen einen Beitrag der Armee an der von der EU geführten Operation ATALANTA gestemmt hat, die auch im Interesse der Schweiz ist. Dies, obwohl Streitkräfte aus allen global relevanten Mächten gemeinsam engagiert sind. Das Horn von Afrika gehört seither nicht mehr zu den am stärksten von Piraterie gefährdeten Gebieten der Welt.
Natürlich ist man gezwungen gewisse unverzichtbare Flugoperationen im Ausland zu üben, solange politische Vorgaben diese im Inland nicht ermöglichen. Man hat bisher in fast allen Fällen aufgrund bilateraler Abkommen mit einzelnen Luftwaffen geübt und dabei erfolgreich vermieden sicherheitspolitisch heikle Signale auszusenden.
Deshalb fragt Hans Peter Drayer zu Recht, wo bleiben unsere Parlamentarier, die diesem tolldreisten Treiben ein Ende bereiten? Eine Antwort ist, sie im Herbst in Parlament und Regierung zu wählen!
Sorry, aber man darf einfach nicht immer die Anderen als dümmer verkaufen als sie sind. Das Ausland, auch die nicht Nachbarn inklusive Russland und China, wissen haargenau was wir in Schweden trainieren. Sie wissen auch, dass wir nicht an irgendeinem Muskelspiel teilnehmen, sie wissen, dass wir das Handwerk des Luftkrieges trainieren, so wie sie es auch tun. Nur: Diese Länder verfügen über unendlichen eigenen Luftraum, wir nicht. Sie wissen, dass wir ein Teil Europas sind und deshalb das Training auch in Europa stattfindet. Stellen sie sich mal vor, was das für eine Aufschrei in der Schweiz geben würde, wenn wir eine Staffel FA-18 nach Sibirien verlegen würden. Solche Ansinnen sind doch einfach weltfremd und dienen nur der Diffamierung unseres Tuns. Wir trainieren seit Jahrzehnten in verschiedenen Ländern, wir trainieren das Handwerk und wir profitieren von vielen Vorteilen im Ausland, wobei der billigere Treibstoff nur eine schöne Nebensache ist. Sollte es dereinst mal wieder eine kriegerische Auseinandersetzung im Herzen Europas geben, dann wären wir ohne dieses Training völlige Dilettanten. Dank diesem Training haben wir aber eine Luftwaffe, die ihre wenigen Mittel in Kenntnis aller wichtigen Elemente einsetzen kann. Unsere Piloten gehören zu den Interoperablesten der ganzen Welt, was im entscheidenden Fall ihr Vorteil sein kann.
Also wer von tolldreistem Treiben redet, versteht gar nichts, aber auch gar nichts von der Luftwaffe.
Werter Walter Knutti
Ich unterstütze voll und ganz das Auslandtraining unserer Schweizer Luftwaffe. Es ist aber ein Unterschied zwischen Training und Teilnahme an einem Manöver, das von einem Nato General befohlen wird und ganz klar erkennbar zum gegenwärtigen beiderseitigen Muskelspiel der Manöver-Politik in den Grenzräumen des Baltikums, des Nordatlantiks und im Schwarzen Meer gehört. In solchen Manöververbänden hat das Schweizer Kreuz NICHTS zu suchen.
Die Darlegungen von Herr Knutti zielen am eigentlichen Problem vorbei. Die Antwort von Herr Drayer zeigt dies klar auf. Es ist deshalb etwas verwegen festzustellen: „Also wer von tolldreistem Treiben redet, versteht gar nichts, aber auch gar nichts von der Luftwaffe“.
Es gilt nämlich dem aktuellen Trend einer Sicherheitspolitik nicht zu folgen, deren prekäre Wirkung die Urheber gar nicht abzuschätzen in der Lage sind. Vor solchen Einsätzen unter sichtbarer NATO Führung kann man nur empfehlen: Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Packungsbeilage!
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