Erste Anzeichen für ein Rüstungsprogramm 2015

Erste Anzeichen für ein Rüstungsprogramm 2015

Die finnische Ranger-Drohne, baugleich zur schweizerische ADS 95 Ranger (Photo: Vertti Mäensivu)

Die finnische Ranger-Drohne, baugleich zur schweizerische ADS 95 Ranger (Photo: Vertti Mäensivu)

Mit dem Bundesratsbeschluss vom 25. April 2012 wird das Rüstungsprogramm 2012, welches auch den Tiger Teilersatz enhalten soll, voraussichtlich erst im Oktober 2012 durch den Bundesrat zuhanden des Parlaments verabschiedet. Der Tiger Teilersatz ist also noch nicht einmal in einem Rüstungsprogramm aufgeführt, schon wird der Ersatz des Aufklärungsdrohnensysteme 95 Ranger (ADS 95 Ranger) vorbereitet. Auch wenn die Ranger sowohl in der Schweizer wie auch in der Finnischen Armee erst ab 2001 eingesetzt wurde, basiert die Drohne auf dem Technologiestand der 1980er-Jahren. Nachdem die Schweiz 1985 zu Testzwecken vier Scout-Drohnen der Israel Aerospace Industries LTD (IAI) gekauft hatte und mit deren Leistungsfähigkeit nicht zufrieden war (fehlender Notfallschirm, zu tiefe maximale Flughöhe, zu wenig Ladegewicht, zu lauter Motor und zu wenig allwettertauglich), konzipierte die IAI mit der Contraves-Oerlikon zusammen die ADS 90 Ranger, welche etwas leistungsschwächer als die ADS 95 Ranger war. Wegen etlichen Problemen (beispielsweise wurde die Drohne ursprüngliche auf der Frequenz gesteuert, welche später für UMTS benutzt wurde) verzögerte sich die Beschaffung (Quelle: Steven J. Zaloga, David Rockwel, Philip Finnegan, “World Unmanned Aerial Vehicle Systems – Market Profile and Forecast“, Teal Group, 2008, p. 91f). Mit der beantragten Beschaffung von vier Drohnensystemen mit insgesamt 28 Drohne im Rüstungsprogramm 1995 wurde die neue Bezeichnung “ADS 95 Ranger” eingeführt. Von den ursprünglich beschafften Drohnen standen im April 2012 noch 16 im Einsatz. Die restlichen 12 Drohnen gingen im Laufe der Jahre entweder durch Unfälle verloren oder wurden infolge von zu hohen Kosten nicht mehr repariert (Quelle: “ADS 95 Ranger“, Schweizer Luftwaffe, 11.04.2012).
Die ADS 95 Ranger wird in den nächsten Jahren an das Ende ihrer Nutzungsdauer angelangen und bereits seit einigen Jahren wird über die Ablösung der ADS 95 Ranger nachgedacht. Mitte 2011 erhielt die Armasuisse vom Armeestab offiziel den Auftrag, ein neues Drohnensystem zu evaluieren und die Beschaffung von sech Drohnen für das Rüstungsprogramm 2015 vorzubereiten. Von ursprünglich elf potenziellen Systemen von neun verschiedenen Firmen bleiben zur Evaluation zwei israelische Systeme übrig: die Hermes 900 von Elbit Systems und die Heron 1 von IAI. Nach dem Erdbeben 2010 und den Problemen ein Lagebild zu erstellen, meldete die chilenische Armee den Bedarf von Hochleistungsüberwachungsdrohne an und befand sich letztes Jahr vor der genau gleichen Wahl zwischen der Hermes 900 oder der Heron 1. Sie entschied sich schlussendlich für die Hermes 900 (der erste Exportverkauf der Hermes 900). Die Ausgangslage Chiles unterscheidet sich jedoch von derjenigen der Schweiz: Chile setzte bereits die ältere Hermes 450 ein und kann zukünftig sowohl die 450er wie auch die 900er von den gleichen universellen Bodenkontrollstation aus steuern (ein paralleler Einsatz beider Drohnentypen ist dabei möglich; Quelle: Paul McLeary, “Elbit’s Mystery Sale to Latin America“, Aviation Week, Ares, 14.03.2012). Im Gegensatz dazu setzt die Schweiz mit der ADS 95 Ranger ein Produkt der IAI ein.

Elbit Hermes 900

Elbit Hermes 900

Die Armasuisse beauftragte nun beide Hersteller detaillierte Offerten bis zum August 2012 einzureichen. Die fliegerische Evaluation in der Schweiz ist für die zweite Jahreshälfte 2012, die Typenwahl für 2014 vorgesehen. Gemäss der Medienmitteilung der Armasuisse vom 30. April 2012 besteht das neue Drohnensystem aus unbemannten, unbewaffneten Flugzeugen, mit leistungsfähigen Sensoren (wobei Armasuisse-Sprechers Kaj-Gunnar Sievert momentan keine Informationen über die vorgesehenen Sensoren herausgibt), sowie den notwendigen Stationen für die Steuerung der Systeme durch Operateure am Boden. Das Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) verspricht sich vom neuen Drohnensystem Allwettertauglichkeit, flexiblere Einsatzmöglichkeiten, grössere Reichweite, kleinere Lärmemissionen und tiefere Lebenswegkosten. Geplant ist die Beschaffung von sechs Drohnen zum Preis von total 300-400 Millionen SFr. Nebst den Drohnen sind Ausbildung, Wartung und Training im Preis inbegriffen (Quelle: “Die neuen Schweizer Drohnen kommen aus Israel“, Tagesanzeiger, 30.04.2012). Schauen wir uns die beiden Drohnen etwas näher an.
Hermes 900 von Elbit Systems
Die Hermes 900 basiert auf der erfolgreichen Vorgänger-Drohne Hermes 450, ist dabei jedoch beinahe doppelt so gross und leistungsfähig. Sie kann mit ihrem Antrieb Lasten bis zu einem Gesamtgewicht von 550 kg transportieren und 40 Stunden in der Luft verbleiben. Wichtiger als das Fluggerät sind die eingesetzten Sensoren. Standardmässig rüstet Elbit die Hermes-Drohnen mit dem 33-38 kg leichten Digital Compact Multipurpose Advanced Stabilised System (Dcompass) aus. Bei Dcompass handelt es sich um einen optischen Sensor für Tag und Nacht mit einer Blende von 38,1 cm (15 Zoll), einer Farb-TV-Kamera mit 1394×1040 Pixel, Forward Looking Infrared (FLIR) sowie einen Laser-Zielbezeichner (siehe Verkaufsprospekt von Elbit). Die Hermes 900 kann noch mit weiteren Sensoren bestückt werden, wobei Elbit die Anzahl der möglichen simultan zu betreibenden Sensoren nicht angibt.

Weiter verfügt die Hermes 900 standardmässig über Satellitenkommunikation (SATCOM), welche den Operationsradius der Drohne deutlich über die normalerweise geltenden 300-350 km (Sichtweite) erweitert. Gemäss Elbit sind mit einer Tankfüllung und der Steuerung über SATCOM theoretische 2’000 km Flugweite möglich. Mit der Steuerung über SATCOM stellen topographisch bedingte Funklöcher und geringe Flughöhe keine Probleme mehr dar. Mit SATCOM wird die Bedienung der Drohne unabhängig vom Standort der Bodenstation (vgl.: Tamir Eshel, “Elbit Systems Wins Third Customer for Hermes 900 UAS“, Defense Update, 03.01.2012).
Zu den wichtigsten Abnehmer der Hermes-Drohnen gehören Israel (85% der israelischen Drohnen stammen aus Elbit’s Hermes-Produktlinie), Chile und wahrscheinlich auch Mexiko. Anfangs 2012 wurde bekannt, dass ein lateinamerikanischer Staat – wahrscheinlich Mexiko – zwecks Grenzüberwachung für 50 Millionen US-Dollar Hermes 900 Drohnen bestellt hatte (Paul McLeary, “Elbit’s Mystery Sale to Latin America“, Aviation Week, Ares, 14.03.2012).

IAI Heron 1

IAI Heron 1

Heron 1 von IAI
Die Heron 1 ist älter als die Hermes 900, weist aber sehr ähnliche Spezifikationen auf. Seit 2011 kann die Heron 1 nicht nur über die Bodenstation, sondern auch mittels SATCOM gesteuert werden. Es ist jedoch unklar, ob SATCOM mitlerweile zum standardmässigen Lieferumfang der Drohne gehört. Auch bezüglich den Sensoren ist (noch) nicht bekannt, welche Konfiguration der Schweiz angeboten wird (simultan können 4 Sensoren betrieben werden). Im Gegensatz zur Hermes 900 kann bei der Heron 1 ein möglicher Stückpreis durch veröffentlichte Verkaufstätigkeiten abgeschätzt werden. Bei Preisvergleichen in der Rüstungsindustrie ist jedoch Vorsicht geboten, weil Preise von der Austattung, dem Technologietransfer, der vereinbarten Ausbildung, den Wartungsverträgen, vereinbarten Gegengeschäften und dem Miteinbezug von Firmen des Empfängerstaates abhängig sind. Dadurch können sich offensichtlich identische Systeme in ihren Preisen deutlich unterscheiden. Im Mai 2005 gab die IAI bekannt, dass die israelische Luftwaffe für 60-80 Millionen US-Dollar 8 Drohnen (inkl Bodenkontrollstationen) beschafft hatte. Ebenfalls 2005 bestellte die Türkei 10 Heron 1 für 183 Millionen US-Dollar (Quelle: Steven J. Zaloga, David Rockwel, Philip Finnegan, “World Unmanned Aerial Vehicle Systems – Market Profile and Forecast“, Teal Group, 2008, p. 93, 105). Vorsichtig geschätzt, ergibt dies ein Stückpreis von 10-20 Millionen US-Dollar. Das ist erstaunlich, denn werden die von der Armasuisse bekannt gegebenen Anschaffungskosten der zukünftigen Drohne auf den Stückpreis hinuntergebrochen, so wird eine Drohne des Typs Hermes 900 bzw. Heron 1 die Schweiz rund 50-65 Millionen SFr kosten, darin eingerechnet sind jedoch nebst der Drohne – und vermutlich auch den Sensoren – Ausbildung, Wartung und Training.
Und hier die Daten der ADS 95 Ranger, der Elbit Hermes 900 und der IAI Heron 1 im Vergleich:

Kenngrösse
ADS 95 Ranger [1]
Elbit Hermes 900
IAI Heron 1
Typ: Aufklärungsdrohne Aufklärungsdrohne Aufklärungsdrohne
Jungfernflug: 21.12.1988
(ADS 90)
09.12.2009 15.07.2006
Indienststellung: 10.12.2001 2011 [2] 2007
Länge: 4,61 m 8,3 m [3] 8,5 m
Spannweite: 5,71 m 15 m [4] 16,6 m [5]
Höhe: 1,13 m unbekannt 2,3 m
Leergewicht: 200 kg 830 kg 1’000 kg
Max. Abflugmasse: 275 kg 1’180 kg [4] 1’250 kg [5]
Max.
Geschwindigkeit:
220 km/h 220 km/h 220 km/h [5]
Max. Flugzeit 4 h 36 h [4] 20-45h [5]
Operationsradius: 100 km >350 km >350 km
Max. Flughöhe 5’500 m um 10’000 m [4] >10’000m [5]
Bewaffnung keine keine keine
Ladegewicht: 75 kg 350 kg [4] 250 kg [5]
Antrieb: Göbler-Hirth Motor F-31 (38 PS; ADS 90 Ranger) Rotax 914 Rotax 914
Steuerung: Bodenkontroll-
station (Funkverbindung)
Bodenkontroll-
station (Funk- und/oder Satelliten-
verbindung)
Bodenkontroll-
station (Funk- und/oder Satelliten-
verbindung)
Stückpreis: 10-12 Mio SFr unbekannt 10-20 Mio US-Dollar
Eingesetzt in: Schweiz, Finland. Israel, Chile, Kolumbien, (wahrscheinlich) Mexiko. Israel, Deutschland, Frankreich, USA, Kanada, Mexiko, Brasilien, Australien, Türkei, Azerbaijan, Singapore, Indien.
[1] Wenn nichts anderes angegeben: “ADS 95 Ranger“, Schweizer Luftwaffe, 11.04.2012.
[2] Beth Stevenson, “Export drive“, Unmanned Vehicles, 16:6, Dez 2011/Jan 2012, p.19ff.
[3] “First Flight of the Elbit Systems Hermes 900 UAV“, Defense Update, Dezember 2009.
[4] Factsheet: Hermes 900 von Elbit, 2012.
[5] Factsheet: Heron 1 von IAI.