«Ein dramatischer Rückfall in den kalten Krieg»

«Ein dramatischer Rückfall in den kalten Krieg»

Der Korrespondent des Tagesanzeigers schreibt zur Lage in der Ukraine:

“Was heute passiert ist, ist ein dramatischer Rückfall in den kalten Krieg – zu einer Zeit als der kalte Krieg an der Kippe zu einem heissen Krieg stand. Wir stehen kurz vor einer Kriegserklärung. Die Hauptfrage ist, wie die Nato reagieren wird. Im Schwarzen Meer sind zurzeit nicht nur die Russen präsent, sondern auch die Amerikaner. Britische und französische Truppen wären ebenfalls schnell vor Ort. Ich halte die Situation für brandgefährlich.”
Quelle: tagesanzeiger.ch

Die Mitglieder von Giardino wurden oft als “Kalte Krieger” verunglimpft. Ein Konflikt zwischen Ost und West sei nach dem Fall der Mauer ein Ding der Unmöglichkeit. Unsere Befürchtungen seien an den Haaren herbeigezogen. Nun denn: Unsere Warnungen erscheinen heute in einem neuen Licht. Sie scheinen plötzlich real. Heute stehen unsere staatlichen Propheten mit kurzen Hosen da.
Selbstverständlich hatte wieder einmal niemand die Krise vorhersehen können. Dabei verspricht man uns, dass ein Krieg in Europa Jahre entfernt sei und die Vorwarnzeit für den nächsten Krieg 20 Jahre betrage. Man hätte also 1994 (vor Windows 95!) den Konflikt in der Ukraine und die möglichen Konsequenzen für die westliche Welt vorhersehen müssen. Dabei hat die westliche Welt erst vor wenigen Monaten von den Spannungen in der Ukraine Kenntnis genommen.
Unsere Sicherheitspolitik steht deshalb auf einem nicht haltbaren, “falsch” zu bezeichnenden Fundament. Niemand kann die Zukunft voraussagen. Genau deshalb richtet sich eine Armee auf die “gefährlichste gegnerische Möglichkeit” aus. Eintretenswahrscheinlichkeiten – von wem auch immer eingeschätzt – geben eine trügerische Sicherheit und sind bei Kriegsausbruch sicher nicht nachgeführt.
Zur Berücksichtigung: Zwischen der Ukraine – einem Land, welches zum europäischen Kontinent gehört – und der Schweiz liegen einzig zwei (2) Länder (Deutschland/Polen, Oesterreich/Ungarn, Oesterreich/Slovakei). Und die ukrainische Grenze ist innert 12h mit dem Auto (!) erreichbar.
Vielleicht geht unseren Unsicherheitspolitikern endlich ein Licht auf?!
 

 

Kommentare: 8

  1. Jean Pierre Peternier sagt:

    Politisch wurde und wird aktuell auch bei uns viel diskutiert. Entscheidend sind aber letztlich wie immer die harten Fakten. In der UNO und der NATO werden Sitzungen anberaumt. Die EU verfügt über keine ernstzunehmenden Machtoptionen und muss hoffend zuschauen, während die russische Führung eine ihre Machtoptionen realisiert. Die Planung, Vorbereitung, Bereitstellung und der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Krim könnten als Lehrbuchbeispiel einer Doktrin des kalten Krieges par excellence gelten: Agitation und Mobilisierung von Sympathisanten durch eingeschleuste Agenten; Hilferufe der vermeintlich Bedrohten an den grossen Nachbarn; Besetzung politisch und militärisch wichtiger Infrastrukturen (u.a. Regierungsgebäude, Flugplätze) durch „Zivilisten“ mit nachfolgender Ablösung und Übernahme durch Sondereinheiten ohne erkennbare Uniformabzeichen; Einfliegen von Verstärkungen auf die in Besitz genommenen Flugplätze; Ausweitung der Kontrolle über die relevante Infrastruktur (u.a. Kontrollposten, Sperrzonen); Nachzug weiterer Verstärkungen an regulären Streitkräften auf dem Land- und Luftweg. Und wie geht es weiter? Auskunft darüber gibt die Doktrin aus dem sogenannten Kalten Krieg, der scheinbar nur noch in den Köpfen nostalgischer Denker existieren soll!
    Was wir heute am Schwarzen Meer beobachten ist solides militärisches Handwerk ohne jeden Hinweis auf den Einsatz der vielbewunderten und hochgelobten Wunderwaffen, für welche bei uns die Einen schwärmen und die Anderen nur Verachtung zeigen. Den militärischen Flachdenkern bei uns geht vielleicht ein Licht auf, dass die Epoche des kalten Krieges zwar vorbei ist, dass aber militärische Strategien und Taktiken in der Regel Epochen überdauern. Armeekritiker und Technofreaks müssen enttäuscht zur Kenntnis nehmen, dass die Dämonen des kalten Krieges nicht gebändigt sind und sich von Kampfdrohen, Gefechtsrobotern, Laserkanonen und Cyberattacken kaum beeindruckt zeigen. Wir sind daher gut beraten bei der Weiterentwicklung der Schweizer Armee den weltpolitischen und militärischen Realitäten vorurteilslos in die Augen zu schauen!

  2. Schaub Rudolf P. sagt:

    Die USA, die mit ihrem Nachrichtendienst Alle und Alles ausspionieren wollen, sind durch Putin überrascht worden, sonst hätte Präsident Obama früher und anders reagiert. Telefonate von Frau Merkel abzuhören ist natürlich einfacher, als herauszufinden, was Putin im Schilde führt. Wenn sich die USA mit ihrem Nachrichtendienst blamieren, dann darf sich die kleine Schweiz selbstverständlich noch viel blöder verhalten. Bundesrat und VBS wollen auf eine Verteidigungsarmee mit Abschreckungswirkung verzichten und nur ein theoretisches Verteidigungs-Know-how (savoir faire) erhalten. Sobald man sich über eine Bedrohungslage, die eine Verteidigungsarmee erfordert, einig geworden ist, soll dann die nötig gewordene Verteidigungsarmee wieder aufgebaut werden.Unsere Berner Strategen sollten nun schleunigst auf die Krim fliegen, um die Praktikabilität ihrer naiven Vorstellungen im Feldversuch 1 : 1 zu überprüfen. Vielleicht würden dann einzelne Damen und Herren (mit offensichtlich fehlenden Geschichtskenntnissen) zum Schluss gelangen, dass der Bericht über die Weiterentwicklung der Armee einzustampfen ist und mit der Planung unserer zukünftigen Armee nochmals begonnen werden muss unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Römer “Si vis pacem para bellum!” (wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor). Putin hat in diesen Tagen gezeigt, dass diese Weisheit der Römer nach wie zutrifft.

  3. Fredy Stuber sagt:

    Es ist besser Intelligenz zu haben wenn man sie nicht braucht….
    als sie zu brauchen wenn man sie nicht hat.
    Dies sollte in der Eidgenossenschaft, in Bundes-Bern Augen öffnend in Gesprächen immer wieder berücksichtigt werden. Schlussendlich endscheidet nicht nur die Quantität, es entscheidet auch die Qualität. Dies gilt besonders für Entscheidungsträger!

  4. Willy Stucky sagt:

    Die Krim ist schon lange ein Teil Russlands. Sie wurde 1954 scheinbar ein Teil der Ukraine, aber dies war eine rein interne Angelegenheit in der damaligen Sowjetunion. Mit dem Zerfall der Sowjetunion hat sich die heutige absurde Situation ergeben. Nun holt sich Russland die Krim zurück, was die Westmächte nicht verhindern können. Doch Russland kennt seine Grenzen. Es will keinen grossen Krieg, es sei denn, die Westmächte zwingen ihm einen grossen Krieg mit unabsehbaren Folgen auf.
    Trotzdem sollte die Lektion für die Schweiz klar sein. Vielleicht gehen nun sogar Bundesrätinnen die Augen auf: Ihr Weltbildchen hat offensichtlich mit der Realität nichts zu tun. Es ist halt um einiges einfacher, den Knaben die Spielzeugpistolen wegzunehmen als sich mit den weltgeschichtlichen Tatsachen auseinanderzusetzen.

  5. Franz Betschon sagt:

    Von wegen “Rückfall in den Kalten Krieg”. Wir leben seit 10 Jahren im Zweiten Kalten Krieg (Giardino Buch S. 48 bis 50). Die Krim-Krise ist eine direkte Folge des Wortbruchs der Nato gegnüber Rudssland im Jahre 1990, die versprach keine NATO Osterweiterung vorzunehnmen, zugesagt als Gegenleistung für das Einverständnis Russlands, den Zusammenschluss beider Deutschland zu zu lassen.
    Lieber Tagesanzeiger: Verkauf uns Schweizer nicht für blöd! Wenn Du die Zusammenhänge nicht siehst, so kauf Dir das Giardino Buch.
    Und noch etwas: Putin brauchte für den Wiederaufbau der russischen Streitkräfte nach deren Zusammenbruch fast 20 Jahre. Diese waren 1992 in demselben miserablen Zustand wie die Schweizer Armee heute (Hidden Agenda!). Seit einigen Jahren üben die russischen Streitkräfte wieder den Kampf der vebundenen Waffen, führen Logistikübungen, Mobilmachungsübungen und Verschiebungsübungen über grosse Distanzen durch. “Genf” war nur ein Test! Putin rechnet damit, in ca. zwei Jahren mit seinem Militärapparat volle Kampfstärke zu erreichen. Vorher dürfte er sich kaum zu weiteren Schritten hinreissen lassen, es sei denn die Schreibtischtäter der NATO würden ihn weiter provozieren.

  6. Peter H. Kuhn sagt:

    Und urplötzlich kann die politische Situation dramatisch schnell ändern! Viel schneller als man denken kann. Genau so wie wir, vielfach bösartig als “kalte Krieger” beschimpft, immer wieder vorsichtig warnend darauf hingewiesen haben. Es ist ja beinahe Landesverrat, wenn man die Landesverteidigung (die übrigens in der Verfassung klar vorgeschrieben ist) derart leichtsinnig vernachlässigt! Das haben wir der grassierenden EU- Euphorie, dem verordneten Gutmenschentum und der unüberlegten Linkslastigkeit gewisser “bürgerlichen” Parteien zu verdanken! Jene Kreise werden dann einfach entschuldigend sagen, so etwas hätten sie nie gedacht! Man müsste sie jedoch so oder so für ihre Fahrlässigkeit zur Verantwortung ziehen! Mindestens bei den Wahlen.

  7. Hans Ulrich Suter sagt:

    Ich finde v.a. interessant, dass die maximale Ausdehnung des EU-Raumes ziemlich genau der maximalen Ausdehnung des 3. Reiches entspricht, mit den Besonderheiten, dass Schweden und Norwegen vertauscht sind, England ist ja so halb schon weg und Portugal ist neu dazugekommen, dafür fehlt Nordafrika. Die Frage ist einfach wie stark wird das “Zurückfluten” des EU Einflusses militärisch stattfindet, wahrscheinlich und zu unserem Glück eher weniger, aber als Entschuldigung, die Schweizer Armee auf dem gegenwärtigen Tiefstand zu halten wird das wohl nicht gelten, auch sehe ich nicht, warum das 20 bis 30 Jahre dauern soll.

  8. Adrian Déteindre sagt:

    Es bestätugt sich auf dramatische Weise, dass der wahrscheinliche Fall nicht relevant ist, sondern der Schlimmste Fall. Der ist jetzt mit dem Menetekel an der Wand auf Krieg am Rande von Europa eingetreten.
    Schade, dass man die Versager in der Spitze vom VBS, die den Zerfall der Armee durchgezogen haben, nicht zur Rechenschaft ziehen kann.

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