GGstOf: Bilanz zum Armeebericht 2010

GGstOf: Bilanz zum Armeebericht 2010

Vorbemerkungen
Es besteht kein Zweifel, dass der Armeebericht 2010 auf ein breites Interesse gestossen ist. Die Wogen gingen hoch, die Kritik war heftig.
Anfangs März hat der Vorstand GGstOf seine Mitglieder aufgefordert, sich zum Armeebericht zu äussern. Einen Monat lang blieb die Umfrage offen. Über 60 Mitglieder haben daran teilgenommen und mitunter ausführliche Feedbacks eingereicht – Herzlichen Dank!
Resultate
Nach ihrem beruflichen Hintergrund gefragt, meldeten sich 22 (35%) als pensioniert, 11 (17%) Berufsoffiziere, 8 (13%) aus der Verwaltung und 21 (33%) aus der Privatwirtschaft.

  • 40 (64%) vertraten eine ablehnende Haltung und daher die Meinung, die GGstOf sollte gegen den vorliegenden Armeebericht lobbyieren (25%) oder sich zumindest dagegen aussprechen (39%).
  • 8 (13%) sind der gegenteiligen Meinung, wobei niemand der Meinung ist, dass die GGstOf aktiv für den Armeebericht lobbyieren soll.
  • Knapp 10% meinen, die GGstOf soll sich dazu nicht äussern.
  • 13% wünschen sich eine neutrale Haltung.

Bei der nachfolgenden Bilanz geht es nun um den Versuch, die eingetroffenen Stellungnahmen zum Armeebericht 2010 zu sichten und zu ordnen, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Aus verständlichen Gründen werden die einzelnen Autoren nicht namentlich erwähnt.
Die verschiedenen Stellungnahmen decken folgende Bereiche ab: Sicherheitspolitischer Bericht 2010 (SIPOL B 2010), Armeebericht 2010 (Armee B 2010), unser Parlament, Allgemeines zu unserer Milizarmee, Aufgabe und Rolle der GGstOf.
1. Allgemeines
Sowohl die Entstehung des SIPOL B 2010 als auch des Armee B 2010 standen unter einem unglücklichen Stern. Im Herbst 2008 hat die Landesregierung die folgenden zwei Handlungsrichtlinien erlassen: die Armee muss kleiner werden, und sie muss weniger kosten. Anlässlich der Überweisung des Armeeberichts an das Parlament hat der Bundesrat folgendes präzisiert: zukünftiger Bestand der Armee noch 80’000 AdA bei einem Budget von 4,4 Mia CHF und einem Maximum von 5 Mio. Diensttagen[1]. Wie diese Zahlen entstanden sind, bleibt für nicht Eingeweihte ein Rätsel. Dabei können Bestandeszahlen und Finanzzahlen nicht am Anfang eines komplexen Strategieprozesses stehen.
Das VBS war federführende Instanz sowohl für den SIPOL B als auch für den Armee B. Der SIPOL B ist aber eindeutig einem Armee B vorangestellt, eine parallele Bearbeitung somit schlicht nicht zulässig, ausser man nimmt es in Kauf, dass das Parlament bei der Behandlung der Dokumente von einer Ebene zur anderen hüpft und damit jegliche Klarheit beseitigt. Der sachlogische Zwang, zunächst einen in beiden Parlamentskammern verabschiedeten SIPOL B vorzuweisen, wurde umgangen. Die Folge davon zeigt sich bei der Behandlung des Armee B in stets wiederkehrender Kritik am SIPOL B, die sich bei richtigem Vorgehen hätte vermeiden lassen. Dieses Hin und Her ermüdet ungemein und führt im Schlusseffekt zu Resignation – was gewissen politischen Kreisen durchaus behagen mag.
2. SIPOL B 2010

  • In unserem Land fehlt ein nationaler Konsens zu den zentralen Themen der Sicherheitspolitik. Umso wichtiger wäre es gewesen, zumindest einen Versuch dazu zu unternehmen und sich nicht mit der kleinsten gemeinsamen Schnittmenge zu begnügen. Die Tatsache, dass es auch im SIPOL B 2010 lediglich ansatzweise gelungen ist, die nationalen Interessen der Schweiz zu formulieren, also jene zwingenden Aussagen, die unsere gesamte Politik steuern würden, lässt tief blicken, was das Verständnis für die grösseren Zusammenhänge betrifft.
  • Im Lichte der Bedeutung des SIPOL B für die einheitliche Ausrichtung sämtlicher sicherheitspolitisch relevanter Instrumente ist es nicht länger nachvollziehbar, dass das Parlament den Bericht lediglich zur Kenntnis nimmt und nicht ordentlich verabschiedet. Nur eine Verabschiedung durch das Parlament könnte dem Bericht die notwendige Verbindlichkeit geben.
  • Es kann nicht Aufgabe eines SIPOL B sein, die Armee in ein Korsett zu zwingen, die anderen Mittel des Bundes und der Kantone aber sehr “grosszügig” zu behandeln. Einen Viertel eines rund 80-seitigen Berichts der Armee zu widmen, kann nicht anders begründet werden als dass man bereits auf der sicherheitspolitischen Stufe die Armee beschneiden wollte. Man hat es dabei verpasst, den Kantonen entsprechende Auflagen, z.B. was ihre Durchhaltefähigkeit in ausserordentlichen Lagen betrifft, zu machen. Klar ist, dass die Kantone wenig Freude daran gehabt hätten, aber diese Diskussion wäre zwingend gewesen, wenn man die Armee nicht als Selbstbedienungsladen betrachtet. Stolz ist die Rede vom “Sicherheitsverbund Schweiz”. Das grenzt aber an Augenwischerei, wenn die eine Seite nur nimmt und die andere nur geben muss.
  • Es ist Zeit, von der Idee Abschied zu nehmen, dass ein bestimmtes Departement die Federführung bei der Erarbeitung eines SIPOL B innehat. Seit dem Bericht 1973 war stets das EMD bzw. VBS in der direkten Verantwortung; die anderen Departemente hatten zuzudienen. Das hat aber bis in die höchsten Ränge der Politik den Eindruck nicht nur erweckt, sondern gefestigt, dass Sicherheitspolitik vornehmlich eine Sache des Militärs sei – was spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr der Fall ist. Gremien wie die ehemalige “Sachgruppe Strategie” hätten das Wissen, das Können, die notwendige Unvoreingenommenheit und auch die intellektuelle Redlichkeit, die Dinge beim Namen zu nennen. Voreilig geschlossene Kompromisse auf unterster parteitaktischer Ebene kennen solche Gremien nicht.

3. Armeebericht 2010

  • Der stets wiederkehrende Kritikpunkt sind die im Schlusseffekt von der Landesregierung vorgegebenen Rahmenbedingungen (vgl oben).
  • Insbesondere die Tatsache einer fix vorgegebenen finanziellen Enveloppe, die jeglichen Prinzipien einer strategischen Lagebeurteilung widerspricht und budgettechnischen Sachzwängen zu gehorchen scheint, lässt beim Gros der eingetroffenen Stellungnahmen einen Unmut hörbar werden, der in dieser Klarheit ungewöhnlich ist. Eines der reichsten Länder auf dieser Welt soll sich nicht mehr leisten können? Am Willen fehlt es, entsprechende Prioritäten zu setzen und dem hohen Wert der “Sicherheit” einen angemessenen Platz einzuräumen.
  • Durch die politischen Rahmenbedingungen und bereits definierten Eckwerte im Armeebericht rückt “die beste Armee der Welt” in weite Ferne.
  • In der Zwischenzeit kennen wir die von der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates geforderten Zusatzvarianten, und man kann die Folgen der Vorgaben der Landesregierung besser und präziser abschätzen. Liest man den Zusatzbericht zum Armee B 2010 sorgfältig (insbesondere Kap.4 “Bewertung”), so wird es augenscheinlich, dass die von der Landesregierung vorgegebene Zahl von 80’000 AdA bei einem Budget von 4,4 Mia. CHF nicht zu überzeugen vermag und einer massiven Korrektur bedarf.

4. Parlament – Lobbying

  • Zahlreich sind die Kritiken an unseren Parlamentariern. Moderne Sicherheitspolitik ist komplex, und es bedarf besonderer Anstrengungen, um hier das Wesentliche vom Unwesentlichen klar zu unterscheiden. Es stellt sich die Frage, ob mittelfristig ein gangbarer Weg der folgende sein könnte: Patenschaften mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern, angeboten durch die GGstOf, nicht mit dem Ziel, diese konkret zu beeinflussen, sondern sie in die Lage zu versetzen, sachlich bessere Fragen zu stellen. Die Zielsetzung wäre dabei das Schaffen einer WIN-WIN Situation: der Politiker gibt sich in öffentlichen Diskussionen sicherheitspolitisch weniger Blössen, und die Armee gewinnt Unterstützung. Was das aber für den Einzelnen bedeutet, darf jedoch nicht unterschätzt werden!
  • Als besonderes erfolgversprechend werden gezielte Einzelgespräche beurteilt. Das persönliche Gespräch erlaubt es, dass sich keine Seite blamieren muss, man kann zu Wissenslücken stehen, ohne dass dies öffentlich angeprangert wird.

5. Zur Zukunft unserer Milizarmee
Unabhängig von allen Diskussionen rund um den SIPOL B und den Armee B 2010 gilt es, rechtzeitig weitergehende Überlegungen anzustellen, die die bis heute im Wesentlichen noch unbestrittenen Eckwerte unserer Armee tangieren, d.h. Milizsystem, Allgemeine Wehrpflicht, Bündnisfreiheit / Neutralität.
6. Aufgabe und Rolle der GGstOf
(Anmerkung des Vorstandes: Die nachstehend aufgeführten Gedanken zu Aufgabe und Rolle der GGstOf sind Anstösse seitens unserer Mitglieder. Es ist selbstredend, dass eine konkrete Umsetzung einer vertieften Analyse und je nach Inhalt auch eines klaren Beschlusses der Vereinsversammlung bedarf. Der Vorstand möchte aber die eingebrachten Anregungen nicht einfach als Interna behandeln.)

  • Der Grundgedanke der “Alumni-Organisation” mag historisch begründet sein, in der heutigen Zeit ist er möglicherweise nicht mehr opportun. Anzustreben wäre eine Vereinigung, deren wesentliche Zielsetzung darin besteht, in sicherheitspolitischen Sachfragen (Schwergewicht: Armee) eine glaubwürdige “Adresse” zu sein. Anders ausgedrückt, die GGstOf soll sich als selbständige, informierte, sachliche und glaubwürdige Stimme in der aktuellen und in zukünftigen Armeedebatten etablieren. Die wesentliche Zielsetzung müsste sein: Wirkung in der Politik zu erzielen.
  • Dabei hat die GGstOf alles daran zu setzen, ihre beschränkten Ressourcen gezielt einzusetzen und sich nicht zu verzetteln.
  • Eine Zusammenarbeit mit interessierten Journalisten ist näher zu prüfen. Dabei geht es darum, Know-how zu vermitteln und Verständnis für bestimmte Zusammenhänge und Abläufe in Armeefragen zu wecken.
  • Es ist anzustreben, dass die GGstOf vom VBS bereits bei der Erarbeitung von Grundlagenpapieren eingebunden wird [2].
  • Auch wenn die Vereinsversammlung 2011 die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der GGstOf unterstrichen hat, so sollen Aktionen wo immer möglich mit der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) koordiniert werden. Sich widersprechende Aussagen in wesentlichen Dingen der Landesverteidigung wecken Argwohn in der Öffentlichkeit und schwächen die “Feuerkraft”.
[1] Vgl SIPOL B 2010 (vom 23.6.2010), Ziff 5.2.2.9, Fussnote 40 (Bundesratsbeschluss vom 26. November 2008); Armeebericht 2010 (vom 1.10.2010), Seite 67.
[2] Ist mit Schreiben des Chefs der Armee vom 5. April 2011 “Weiterentwicklung der Armee: Mitarbeit in Begleitgremien” berücksichtigt worden.
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