Leserbrief – Afghanistan – Adieu

Leserbrief – Afghanistan – Adieu

In Kürze ziehen die USA und Deutschland ihre Truppen aus Afghanistan zurück. Wie geht es dort dann weiter? Was haben die jahrelangen Truppeneinsätze und die vielen Toten fremder Nationen dort bewirkt? Die Entwicklungen nach dem Truppenabzug werden es zeigen. Ich befürchte wenig Positives. Zu meiner aktiven Kommandozeit waren mein damaliger politischer Chef, Bundesrat O. und sein getreuer Gefolgsmann, Generalstabschef S.  im Vorfeld der «Armee XXI» voller Enthusiasmus für militärische Friedensförderung, genannt «Peace-Keeping». Ihr Slogan, den wir beinahe an jeder Sitzung anhören mussten, lautete: «Die Sicherheit der Schweiz wird am Hindukusch entschieden» (Gebirge in Zentralasien). Deshalb müssten Schweizer Truppen im Interesse der Sicherheit unseres Landes dorthin.  Können sich die beiden Herren einen Schweizer Truppeneinsatz in Afghanistan aufgrund der Entwicklung heute noch vorstellen? Wie viele Tote hätten wir zu beklagen? Solange ich noch aktiv war, wurde ich nicht müde, mit zwei Argumenten Widerstand zu leisten: Das Peace-Keeping ohne Waffeneinsatz ist neutralitätsrechtlich schon sehr problematisch. Und: Peace-Keeping kann sehr rasch zu Peace-Enforcement (Friedenserzwingung mit Waffeneinsatz) umschlagen, wenn der Gegner das will, also de facto Krieg, was für Schweizer Truppen völlig neutralitätswidrig wäre. Auf die Frage eines Politikers, was dann die Schweizer Truppen bei einem Wechsel von Peace-Keeping zu Peace-Enforcement tun würden, entgegnete der nachfolgende Bundesrat S.: Dann würden die Schweizer Truppen aus dem Kampfgebiet zurückgeholt. Und er wollte dafür ein Grossflugzeug als Transportmittel beschaffen. Völlig lächerlich: Truppen im Kampf kann man nur schwerlich aus dem Kampf lösen, geschweige denn per Luft abtransportieren. Den Abzug müssten weitere Truppen mit Waffengewalt schützen. Wer hätte das getan? Die Amerikaner oder die Deutschen?
In diesem Zusammenhang wiederhole ich gerne meine Frage, welche Zukunftsperspektiven die Schweizer Kfor-Truppen im Kosovo und das Ausbildungszentrum in Stans haben, wenn die Truppen aus dem Kosovo abziehen müssen? Wofür werden dann die 40 Millionen Franken noch ausgegeben? Für inaktive  Truppen in Wartestellung? Dazu habe ich noch nie eine Antwort erhalten. Es gibt dazu offenbar keine Strategie; das passt zur Politik von heute.

Simon Küchler, Steinen
(Korpskommandant aD)