Nebulöser Luftkampf

Nebulöser Luftkampf

Über den Gripen kursiere viel Unsinn, vieles sei falsch, was über den neuen Jet geschrieben worden sei. Notwendig sei deshalb eine behördlich korrekte Information für das Stimmvolk, das am 18. Mai über den Gripen entscheidet. So hat Bundesrat Ueli Maurer diese Woche am Rande einer eindrücklichen Luftwaffenpräsentation in Payerne vor Journalisten sein Engagement für den Schweden-Jet begründet. 20 Auftritte hat der Verteidigungsminister noch auf dem Programm. Dass ein Bundesrat Falschmeldungen, die er in Medien vorfindet, korrigieren darf, ja muss, ist keine Frage. Das Stimmvolk erwartet, korrekt ins Bild gesetzt zu werden.
Von Beni Gafner, Bern (Quelle: BaZ, 29.03.2014, Seite 11)
Der Chef der Armee, André Blattmann, engagiert sich an der Seite Maurers ebenfalls. Im letzten «Sonntagsblick»-Interview sagte er: «Der Gripen ist besser als die F/A-18. Er hat den bestmöglichen Radar und seine Waffen tragen notfalls weiter. Wir brauchen ein Flugzeug, das im Ernstfall ­einen Luftkampf gewinnen kann.» Ob Maurer auch diese Falschaussage seines Chefs der Armee korrigieren wird – in seinem Bestreben, um behördlich korrekte Information?
Denn Blattmanns Aussage ist nachweislich kreuzfalsch. Experten von Luftwaffe und Beschaffungsbehörde Armasuisse haben in zwei Testrunden (Evaluationen) den Gripen geprüft. Als Referenzgrösse nahmen sie dafür die Schweizer F/A-18, die top ist. Die Aussage gegenüber den Anbietern, zu denen neben den Schweden auch Frankreich und Deutschland gehörten, war vor diesen Evaluationen glasklar: Wer in den Tests am Boden und in der Luft die gleiche Qualität wie unsere F/A-18 erreicht, erhält auf einer Notenskala von eins bis zehn die Note fünf. Diese bedeutet «genügend». Selbstredend nahmen die Anbieter an, die Schweiz wolle ein Flugzeug, das besser ist als nur genügend. «Wir hatten unter dieser Voraussetzung zittrige Knie, denn die F/A-18 in der Schweizer Konfiguration ist eines der besten Kampfflugzeuge, die aktuell herumfliegen», sagte mir letztes Jahr ein Verantwortlicher aus einem Nachbarland. Die Schweizer seien für sie die «McKinsey-Luftwaffe» gewesen. «Da musst du die Hosen runterlassen. Du kannst da keine Schwächen verbergen.»
Die Resultate im Evaluationsbericht dieser «McKinsey-Luftwaffe» sprechen Bände. In der ersten Runde traten die Schweden mit dem Gripen D an, den die Schweiz bei einem Ja am 18. Mai für Jahre als Übergangslösung mietet. Die Resultate waren ungenügend; sie lagen unter der Referenznote fünf – insbesondere in den wichtigen Bereichen Luftkampf und Luftpolizei. Die Deutschen mit ihrem Eurofighter und die Franzosen mit ihrem Rafale lagen zwischen sechs und knapp neun klar darüber. Überraschend wurde dann eine zweite Evaluation durchgeführt, was ursprünglich nicht vorgesehen war. Die Schweden kamen mit dem neuen Gripen E, einer Weiterentwicklung des getesteten Gripen. 90 Verbesserungen, die geplant seien, wurden dabei auf Papier und mündlich beschrieben. Die zweite Evaluationsrunde aufgrund dieser Ankündigungen ergab für den neuen Gripen im Vergleich zum alten zwar bessere Noten. Sie lagen in zentralen Bereichen aber immer noch unter fünf. Von «ungenügend» steigerte sich der Gripen auf «knapp befriedigend». Die behördlich korrekte Information müsste also lauten, dass die Schweiz einen Jet kaufen soll, der schlechter ist als der bestehende.
Gespannt warten Beobachter auch auf ehrliche Erläuterungen, wie die Luftwaffe den Luftkampf genau führen will, nachdem man gemäss aktueller Armeeplanung gerade mal noch über drei Flugplätze verfügen wird. Blattmann fordert ja – völlig verständlich – «ein Flugzeug, das im Ernstfall einen Luftkampf gewinnen kann». Für den Gripen bedeutet dies, dass er den modernsten Sukhois überlegen sein sollte, die Russlands Präsident Putin gegenwärtig produzieren lässt. Wäre dies – behördlich korrekt informiert – der Fall? Und: Was war mit der bisherigen Information gemeint, «der Gripen genügt für die Schweiz»? – Nur so lange niemand angreift? Oder im Ernstfall des Luftkampfs?
Die behördlich korrekte Information müsste lauten, dass die Schweiz einen Jet kaufen soll, der schlechter ist als der bestehende.