Offener Brief an Rainer Eichenberger
Sehr geehrter Herr Eichenberger
Wir kennen uns von früher ausgetauschten Meinungen und einer persönlichen Begegnung anlässlich Ihres Vortrages bei der Zürcher Oec-Alumni UZH.
Ich kann mich auch an Ihren Fernsehauftritt bezüglich Zukunft unserer Armee vor einiger Zeit erinnern. Es ist durchaus wünschenswert, wenn sich Professoren der Wirtschaft auch zu politischen Traktanden äussern. Allerdings dürfen in dieser zentralen Diskussion bezüglich Sicherheitspolitik unseres Landes essentielle Grundlagen nicht ausgeblendet werden.
Ihr heutiger Artikel in der NZZ vom 5. Dezember 2012 tut genau dies!
- Bereits ihr Untertitel, die GSoA-Initiative wolle die Wehrpflicht abschaffen, aber die Milizarmee beibehalten ist falsch und entspricht nicht den Tatsachen. Die GSoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) hat die Armeeabschaffung klar auf ihre Flagge geschrieben, das ist gut so, man kennt ihre wahren Absichten. Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ist nur ein Zwischenschritt. – Dies zu verneinen, macht jeden diesbezüglichen Exponenten selbst zum Armeeabschaffer!
- In Ihrem NZZ-Artikel vermisse ich einen Bezug zum Armeeauftrag gemäss Bundesverfassung. Art. 58 hält unmissverständlich fest, dass die Armee den Verteidigungsauftrag zu erfüllen hat, es steht rein gar nichts in der Bundesverfassung von einer reinen Dienstleistungsarmee. Für die Organisation und den Betrieb des WEF oder gar Olympischer Winterspiele brauchen wir keine Armee!
- Die europäische Finanzkrise hat sich längst zu einer europäischen Verschuldungskrise ausgeweitet. Die wichtigsten Staaten Westeuropas und damit auch die Träger der NATO sind stark verschuldet, mit rund 100 % ihres BIP (genau zwischen 82 % Deutschland und 123 % Italien). Dies hat dazu geführt, dass die Verteidigungsanstrengungen massiv zurückgefahren wurden und die allgemeine Wehrpflicht aus Spargründen abgeschafft wurde. Flugzeugbestellungen wurden annulliert und unter dem Deckmantel „Collective Security“ der NATO wird weiter gespart. – Wollen wir mit unserem Land diesen Lemmingen folgen? Unser Verteidigungsbudget wurde in den letzten zwanzig Jahren sträflich vernachlässigt, nur im VBS musste der Gürtel enger geschnallt werden!
- Die Frage der Grösse unserer Armee kann nicht durch Ignoranten der geopolitischen Weltlage bestimmt werden. Mit der Armee 95 und wiederum mit der Armee XXI wurde die Armee bereits soweit dezimiert und an die „offenbar neue weltpolitische Lage“ angepasst, dass ein weiterer Abbauschritt nicht mehr möglich ist, ansonsten müsste man die Armee wirklich gleich ganz abschaffen, aber dies ist ja bekanntlich das Ziel der GSoA! Der „Point of no return“ ist längst erreicht, oder glauben Sie wirklich, dass die Schweiz mit einer Dienstleistungsarmee von 50’000 Mann ihren Verfassungsauftrag erfüllen kann? Eine Schweizer Armee, die praktisch im „Stade de Suisse“ Platz hat?
- Dass Sie als Oekonom, wie ich selbst, gerne mit Zahlen operieren, dafür habe ich Verständnis. Allerdings lässt sich nicht alles mit Zahlen aufrechnen. Ihre Rechnung von 2500 Freiwilligen mit einer Durchschnittsdienstzeit von 20 Jahren ist eine „Milchbuechlirechnung“. Wer geht denn schon davon aus, dass in Zukunft die „Freiwilligen“ volle zwanzig Jahre in der Armee verbleiben würden, wenn dies schon heute längst nicht mehr der Fall ist!
- Unsere Armee hat nicht zu viele Wehrpflichtige. Diese „Fata Morgana“ wurde durch eine sträfliche Dezimierung unseres Armeebestandes herbeigeführt. Wenn wir heute nicht einmal mehr in der Lage sind, zwei Kampfbrigaden zusammenzustellen, kann man wohl nicht von einem Überbestand sprechen. Unsere Armee kann ihren verfassungsmässigen Auftrag nicht mehr erfüllen!
- Es erstaunt mich, dass Sie als Professor der Oekonomie der Auffassung sind, eine Armee könnte mit materiellen Entschädigungen unter den zivilen Löhnen attraktiv sein. Auch eine von Ihnen angesprochene altersdurchmischte Struktur liegt keineswegs auf der Hand. Oder glauben Sie ernsthaft, dass die Armee ein Auffangbecken für über 45-Jährige Arbeitskräfte werden könnte?
- Schliesslich ist die Frage erlaubt, warum CHF 5 Mrd. für eine glaubwürdige Armee und ein Land wie die Schweiz mit einem Bundeshaushalt von rund CHF 65 Mrd. zuviel sein sollen? Bei der Armee wurde in den letzten zwanzig Jahren genug gespart, die Zitrone ist ausgepresst! – Natürlich man kann die ausgepresste Zitrone auch fortwerfen, so wie sich dies die GSoA zum Programm gemacht hat. Aber dies liegt nicht im Interesse unseres Landes, mit der Souveränität darf nicht grobfahrlässig gespielt werden!
Sehr geehrter Herr Eichenberger, Sie müssen sich ernsthaft überlegen, ob Sie sich mit Ihren Äusserungen nicht doch zum Steigbügelhalter der GSoA machen, was ich Ihnen eigentlich nicht unterstellen möchte.
Quintessenz Ihres Artikels:
Diese ist heute in der Finanz- und Wirtschaft von Gotthold Ephraim Lessing, dem bedeutenden deutschen Schriftsteller und Philosophen so trefflich formuliert:
Beide schaden sich selbst: der zu viel verspricht und der zu viel erwartet.
Freundliche Grüsse
Beda Düggelin
Kommentare: 2
Der Bericht des Ökonomen Eichenberger hat mich mehr als erstaunt. Umso glücklicher macht mich der Bericht von Beda Düggelin, den ich voll unterstütze. Vielen Dank und mit freundlichen Grüssen.
F. Zemp
Vielen Dank, Herr Düggelin, für Ihre treffende Antwort an Rainer EIchenberger.
Ich teile Ihre Aussagen voll und ganz. Leute wie R. Eichenberger (nota bene vom Staat bezahlt) unterstützen in sträflicher Weise die GSoA (und auch die SPS) – beide wollen nachweislich die Schweizer Armee abschaffen. Sie verstossen damit gegen unsere Verfassung und schaden nachhaltig unserem Lande.
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