Replik auf das Loblied zur Idee einer “Freiwilligen Miliz”

Replik auf das Loblied zur Idee einer “Freiwilligen Miliz”

Die GSoA-Initiative will die Wehrpflicht abschaffen, aber die Milizarmee beibehalten” – das schreibt Reiner Eichenberger (R.E.) in der NZZ vom 5. 12.2012.
Dann folgt ein Loblied auf die Idee einer Freiwilligen Miliz.
Was ist davon zu halten? Nachstehend einige wenige, ausgewählte Gedanken zu den Ausführungen von Prof. Dr. René Eichenberger (Universität Freiburg).
Bereits der erste Satz stimmt nachweislich nicht. GSoA heisst – rufen wir es uns doch wieder einmal in Erinnerung – “Gruppe für eine Schweiz ohne Armee“. Das scheint R.E. zu vergessen bzw er geht geflissentlich darüber hinweg. Die GSoA will die Milizarmee NICHT beibehalten, sondern sie wählt verglichen mit früheren Initiativen einen neuen Weg: Diesmal läuft der Weg über den Entzug der personellen Ressourcen. Der ehemalige Nationalrat Jo Lang steht dazu, dass sein Ziel die Abschaffung der Armee ist – das sollten doch bitte auch universitäre Kreise zur Kenntnis nehmen!
Gemäss R.E. erlaubt es die Abschaffung der Wehrpflicht, “die Schweizer Armee fit für die Zukunft zu machen“. Mit Verlaub: hat die heutige Milizarmee jemals verhindert, dass unser Land zu einer Wohlstandsgesellschaft geworden ist und als eines der reichsten Länder auf dieser Welt gilt? Ist unsere Wirtschaft weniger leistungsfähig und weniger erfolgreich, nur weil wir die Allgemeine Wehrpflicht kennen?
Sie (die Armee) ist, …, sehr teuer.” Eine besondere Arbeitsgruppe (Milizkommission des C VBS) hat sorgfältig recherchiert und analysiert und ist zum klaren Schluss gekommen, dass die Kosten, die unsere Armee generieren, gerechtfertigt und tragbar sind. Von “teuer” keine Rede!
Die Wehrpflicht verhindert echte Reformen“: Was heisst “echt“. Wenn R.E. einige Details aus der Armee kennen würde, wüsste er bestens, dass nicht ohne Grund praktisch jedes Jahr Anpassungen an der Organisation der Armee stattgefunden haben. In den letzten Jahren waren die Reformen massiv, z.T. ist man wahrscheinlich übers Ziel hinausgeschossen, aber von Reformunwilligkeit kann keine Rede sein. An den Grundfesten hat man aber bewusst nicht gerüttelt. Nicht ohne Grund: all jene Armeen, die etwas vorschnell die Allgemeine Wehrpflicht abgeschafft haben, kommen nach einigen Jahren in die bredouille. Kommt noch etwas dazu, das R.E. völlig unterschätzt. Hören wir ein Zitat des belgischen Generalstabschefs, der im Zusammenhang mit der belgischen Berufsarmee gesagt hat: “notre armée a perdu tout contact avec la population“. Eine Freiwilligen Miliz würde genau so abgehoben und losgelöst von der Bevölkerung, die sie an sich schützen sollte, agieren.
Bei Freiwilligkeit dienen nur diejenigen, “denen der Dienst persönlich etwas bringt“. Hier verrät der Autor wes Geisteshaltung er ist. Es geht ihm ausschliesslich um den persönlichen Nutzen, der Dienst an der Allgemeinheit ist vernachlässigbar, alles wird aufs Geld reduziert. Wenn die “Anreize zur Dienstleistung” stimmen, werden sich genügend Freiwillige finden lassen. Staatspolitisch eine höchst bedenkliche Haltung!
Letzter Aspekt: symptomatischerweise spricht der Autor nirgends von den eigentlichen militärischen Leistungen, die dieses kleine Heer würde erbringen müssen. Kein Wort über den Schutz des Luftraumes, die Leistungen zugunsten der zivilen Behörden (das braucht i.d.R. viel manpower!), die anspruchsvollen Logistikleistungen, die eine moderne Armee benötigt oder allenfalls von Einsätzen im Ausland.
Gesamthaft: die Idee einer Freiwilligen Miliz ist verführerisch (insbesondere auch, wenn sie von universitären Kreisen verherrlicht wird), sie ist und bleibt aber eine Mogelpackung. Eine Freiwilligen Miliz im vorgesehenen Umfang würde nie die von der Bundesverfassung vorgesehenen Aufgaben abdecken können. Rein pekuniäre Anreize würden zu einer Geisteshaltung in dieser Armee führen, die wir alle mit Sicherheit nicht wollen.

2 Kommentar(e):

  1. Reto Müller:
    06 Dec 2012
    Reiner Eichenberger postuliert die Überlegenheit einer freiwilligen Miliz gegenüber anderen Wehrmodellen. Gewiss sind Mängel in der heutigen Ausgestaltung der allgemeinen Wehrpflicht für junge Männer teilweise offensichtlich.Ob der Übergang zu einer freiwilligen Miliz – und damit ein fundamentaler Bruch mit dem traditionellen Wehrmodell – alle Mängel auf einen Schlag beseitigen würde, bleibt aber höchst fraglich. Bei unverändertem Auftrag würden die Kosten der Schweizer Armee kaum sinken. So hängt insbesondere der Preis von Rüstungsgütern nicht vom Wehrmodell ab. Auch würden weiterhin umfangreiche Infrastrukturen benötigt und müsste Berufspersonal zur Verfügung stehen – je nach Bildungsstand der Freiwilligen sogar wesentlich mehr als derzeit. Abhängig vom Armeeauftrag müssen trotz allem namhafte Bestände gewährleistet bleiben. Aus staatspolitischer Sicht tut es der Schweizer Armee zudem gut, dass sie auch Angehörige umfasst, welche den Dienst eigentlich gar nicht leisten wollen, die eigentlich gar nicht schiessen, die sogar teilweise nicht gehorchen wollen. Eine gesunde Erdung immunisiert die Armee gegen Missbrauch.
    Dass das Ansehen der Militärdienstleistenden in der Schweiz bei einem Übergang zur freiwilligen Miliz steigen würde, kann ebenfalls bezweifelt werden. Ob ein solches (dann:) „Grüppchen von Angefressenen“ zudem sogar bessere Berufsaussichten hätte, ist erst recht Spekulation. Falls dem so wäre, müssten bereits heute Personen mit (leitenden) Aufgaben in Vereinen oder der Feuerwehr oder bei Samaritern profitieren – zuzutreffen scheint heute indes eher das Gegenteil!
  2. Walter Häcki:
    06 Dec 2012
    Mir ist völlig unklar, wieso die NZZ die ‘freiwillig Miliz’ von 1991 wieder ausgegraben hat, Die letzten 20 Jahre Geschichte der kriegerischen Operationen auf der Welt zeigt, dass dieser Vorschlag nicht besser geworden ist, und für die Schweiz nur ein Wehrpflicht auf Basis der echten Miliz planbar ist und im Krisenfall taugt.
    Es gibt nur eine brauchbare Antwort auf die GSOA-Initiative, ‘Nein’ zum Abschaffen der Miliz.

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