Syrien: Und ihr denkt, es geht um einen Diktator?!

Syrien: Und ihr denkt, es geht um einen Diktator?!

Man kann nur staunen über das Ausmaß an fast schon sträflicher Naivität oder auch nur schlichter Ignoranz, das viele Beurteiler der Syrien-Krise an den Tag legen, vor allem, wenn es darum geht, die Hintergründe für das zähe Tauziehen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zwischen Amerika und den westlichen Mächten einerseits, Russland und China andererseits aufzuhellen. Folgt man der Darstellung des Konflikts in weiten Teilen der westlichen Welt, dann scheint es sich lediglich um die Frage zu handeln, ob es gelingt, die syrische Bevölkerung von einem blutigen Diktator zu befreien. Vor allem in Deutschland scheint die Unkenntnis, mit der diese Auseinandersetzung derzeit diskutiert wird, grenzenlos zu sein – bis hin zu einer angeblichen, allerdings nicht bestätigten Anfrage an die russische Regierung, ob sie bereit wäre, Assad im Falle seines Sturzes in Russland Asyl zu gewähren.
Dabei geht es um vollkommen andere Probleme. Die Konfliktlinien verlaufen dort, wo sie von fast allen deutschen Beobachtern nicht einmal mehr wahrgenommen werden, und zwar vor allem deshalb, weil man in unserem Land verlernt hat, in weltpolitischen und geostrategischen Kategorien zu denken. Ob die Syrer, in weltpolitischer Sicht gesehen, derzeit oder künftig von einem Diktator aus dem Hause Assad, von einer demokratischen oder sich als demokratisch inszenierenden Regierung oder auch von einem radikal muslimischen Regime regiert werden, ist aus der Perspektive geostrategischer Erwägungen zuerst einmal gleichgültig.
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Kommentare: 6

  1. Die Hintergrundanalyse der FAZ zum Thema Syrien ist äusserst lesenswert. So wie in weiten Teilen Deutschlands, hat auch die schweizerische “Classe politique” – bis mitten in die Landesregierung hinein! – das (geo-) strategische Denken vollkommen verlernt. Hier wird längst nicht mehr über die Nase hinausgedacht, sondern wird die Milizarmee der zwingend nötigen und langfristigen Planungssicherheit beraubt und weiter geschwächt. Unsere kommenden Generationen werden dafür einen teuren Preis bezahlen! Hermann Suter, Präsident Gruppe GIARDINO.

  2. Kurt sagt:

    Kann Hermann Suter nur beipflichten! Haben wir und unsere Politiker aus der Geschichte nichts gelernt? Bekanntlich wiederholt sich die Geschichte immer wieder irgendwie. Sind unsere Politiker blind und taub?

  3. Herbert Staub sagt:

    Das Stärkere setzt sich durch, das Schwächere verliert.
    Wer diese Gesetzmässigkeit nicht mit einbezieht, geht fehl und steht eines Tages dumm da.
    Die laufenden Siegesmeldungen der Deutschen Wehrmacht, im zweiten Weltkrieg, wurden von der BBC jeweils, wie folgt kommentiert: „Jeder Sieg ist eine Niederlage“. Also, je weiter und ausgedehnter die Deutschen Länder besetzten, umso mehr versplitterten sie ihre Kräfte.
    Das Stärkere setzt sich, von uns eigentlich kaum mehr wahrgenommen, insbesondere auch in der Wirtschaft durch.
    Und mitten darinnen stehen die Menschen mit allen ihren geistigen wie emotionalen Fähigkeiten.
    Betrachtet man das Handeln der USA nun geopolitisch- und wirtschaftlich, nach dem zweiten Weltkrieg,
    Versplitterung der Kräfte, Innen und Aussen, so kommen Bedenken auf. Und wie geschrieben in der Frankfurter Allgemeinen, sind sie eigentlich schon heute nicht mehr in der Lage, gegen das Veto der Russen und Chinesen, in Syrien richtig Stellung zu nehmen.
    An dieser Entwicklung wird Europa nicht, (im träumenden Tiefschlaf vom ewigen Frieden), vorbei kommen.
    Die Gefahr aber besteht darin, dass sich die USA mit anderen Mächten naheliegend, in dieser Region, sich zu einem art Befreiungsschlag verführen lassen könnten.
    PS
    Als ich die Bilder im Giardino von den Schützenpanzer, auf den Eisenbahnwagen verladen sah, die eigentlich direkt in den Schlachthof gefahren wurden, werden, so wird mir über solche Kurzsichtigkeit der betreffenden Verantwortlichen schlecht.

  4. Guten Tag Giardinos, ich bin alles andere als ein Freund von diktatorischen Regiemen. Ohne geopolitische und geostrategische Ueberlegungen ins Spiel zu bringen, sollten alle die systematisch und mit Waffengewalt Diktatoren und deren Regierungen zur Strecke bringen wollen, vielleicht auch einmal ein paar Gedanken auf die Geschichte und die Kultur der betroffenen Länder und Völker verwenden.
    In einem Land demokratische Strukturen mit äusserer Gewalt installieren ist das Eine. Diese im Alltag nachhaltig funktionsfähig zu erhalten, die anspr-uchsvollere Seite der Medaille. Diese Wahrheit scheint sich zur Zeit in Lybien zu offenbaren, und sie ist mit aller Deutlichkeit im IRAK zu erkennen.
    In Lybien hat die UNO zusammen mit der NATO den Bombenraid gegen die Regierung in Szene gesetzt. Ziel: Beseitigung eines zugegebener Massen diktatorischen Regimes (und eines egozentrischen Despoten), um dem Wunsch des Volkes Rechnung zu tragen nach demokratischen Regierungsstrukturen. Ein Volk mit einer Kultur in der Demokratie über Jahrtausende nie existiert hat. Das ausnahmslos von Clans und regionalen, selbsternannten Herrschern regiert wurde. Wo Religion, Waffengewalt und die Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen den Alltag der Menschen bestimmten. Der Kampf um die Macht ist dort noch im Gange. Wir dürfen gespannt sein, ob echte demokratische Strukturen (vielleicht im Verlaufe einer Generation) wirklich etabliert sein werden.
    In Syrien wo UNO und NATO (vorläufig)noch nicht mit im direkten Spiel sind, scheinen sich die religiös motivierten Ethnien (noch) nicht zu bekämpfen, weil sie ein gemeinsames Ziel haben, mit Waffengewalt ihre Regierung ab zu setzen. Ob die Syrer je in demokrati- schen Strukturen, friedlich zusammen leben werden, wage ich zu bezweifeln. Die Menschen welche dort um Freiheit und Demokratie (ihren Vorstellungen entspre-chend) kämpfen, interessiert die geopolitischen Ueberlegungen der UNO nicht. Sie wollen eine andere Regierung, von der sie sich ein besseres Leben versprechen. Ob sie fähig sind dieses Ziel erfolgreich und zum Wohle aller Bürger umsetzen zu können, wissen wir erst in einigen Jahren.
    Von den geopolitischen Ueberlegungen, und der Ver- schiebung der weltweiten Machtverhältnisse, sind wir Schweizer, im Zentrum von Europa, sehr wohl betrof- fen. Dieser Kontinent könnte schon sehr bald zum Zankapfel der der Blöcke werden, die sich um die weltweite Vorherrschaft streiten.
    Falls die Politiker in Bundesbern weiterhin mehrheit- lich eine Strategie des wirtschaftlichen und sicher-heitspolitischen Zusammenrückens mit EU und NATO verfolgen, Landesverteidigung zu Discountbedingungen anvisieren, bewaffnete Neutralität als antiquiert einordnen, Frieden, Freiheit und Wohlstand unseres Landes auf dem Jahrmarkt der Euro-Turbos und Nato-Friks verkaufen, wird schon bald die letzte Runde eingeläutet im Land der “Alpen-Grenadiere”. Spätestens unsere Urenkel werden dann, von der Spezies am Fusse des europäischen Zentralmassivs nur noch aus den Geschichtsbüchern lesen.

  5. M. E. sagt:

    Guten Abend Giardinos…!
    Danke euch allen für das sehr interessante Thema zum Sonntag, das wir hier behandeln dürfen. Denn sieht mal liebe Freunde, ich kann euch dazu eigentlich nur das nochmalige Lesen meines Artikels, (5025, Reply vom 23. 06. 2012) empfehlen.
    Allerbeste kameradchaftliche Grüsse!

  6. Walter G u l e r sagt:

    Morgen werden wieder patriotische Reden gehalten, die sich auf Gemeinplätzen tummeln. Unsere Landesregierung hat – das (geo-) strategische Denken vollkommen verlernt, schreibt Hermann Suter. Die Geschichte wird eben immer noch aus den Aufzeichnungen der Sieger von 1945 abgeschrieben und beurteilt.
    Das hegemoniale Konzept der USA und seiner Treiber ist schon lange offensichtlich, Zbigniew Brezinski hat in seinem Buch DIE EINZIGE WELTMACHT, Amerikas Strategie der Vorherrschaft die Taktik dazu treffend beschrieben.
    Das Strickmuster ist immer dasselbe. Mit Lügen und Verdrehungen wird ein Feindbild aufgebaut um sein Volk reif für eine Befürwortung zu einem „gerechten“ Krieg zu bewegen. Irak, Libyen, Afghanistan u.a lassen grüssen; und nun ist Syrien an der Reihe.
    Für unsere Politiker sind vorbehaltene Entscheide, die in einer solchen Situation vonnöten wären, kein Thema. Der Schlaf der Gerechten wir fortgesetzt.

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