Wie war das nun mit dem BAG und seinem "Faktenblatt"?

Wie war das nun mit dem BAG und seinem "Faktenblatt"?

Das Giardino-Mitglied Ernst Kägi wollte genauer wissen wie es um das “Faktenblatt Suizide” (vgl. “BAG lässt sich von Waffeninitianten instrumentalisieren“,  “Bundesämter stiften Verwirrung um Armeewaffensuizide” und “Fall BAG: Fehlschuss der Statistiker“) des Bundesamt für Gesundheit (BAG) steht und wieso dieses auf der Webseite dieses Bundesamtes ohne grossen Aufsehens wieder verschwunden ist. Er hat deshalb das BAG kontaktiert. Hier der aufschlussreiche Schriftwechsel:
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Antwort BAG auf Anfrage Kägi:

Es ist korrekt, dass das BAG das von Ihnen erwähnte Faktenblatt vom Netz genommen hat.

  • Das Faktenblatt des BAG basiert auf Ergebnissen verschiedener Studien und nimmt eine Langzeitperspektive ein.
  • Die Auswertung des BFS beruht auf der Polizeistatistik und der Todesursachenstatistik von 2009.

Der Unterschied zwischen den verschiedenen Statistiken scheint uns trotz dieser unterschiedlichen Herangehensweisen gross.
Deshalb haben wir das Faktenblatt entfernt und werden in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik die Zahlen nochmals überprüfen.
Mit freundlichen Grüssen
Regula Ricka
Wissenschaftliche Mitarbeiterin

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Reaktion Kägi:

Besten Dank für die Beantwortung meiner Frage.
Zur Veröffentlichung respektive zum erwähnten “Faktenblatt” selbst erlaube ich mir die folgenden Anmerkungen:

  • Durch die Aufschaltung des “Faktenblattes” haben verschiedenste Medien den zweifelhaften Wert von “49% Anteil der Armeewaffen an Schusswaffensuiziden” übernommen und damit grosse Schlagzeilen gemacht. Es genügt meiner Meinung nach nicht, dass das BAG dieses Blatt nun klammheimlich vom Netz nimmt, ich hätte eine entsprechende Info auf Ihrer homepage erwartet.
  • Die vier erwähnten Studien erscheinen mir im Zusammenhang mit der Abstimmung aus folgenden Gründen problematisch:
    • in den untersuchten Jahren 1980 – 2004 war die Armee deutlich grösser,
    • die Taschenmunition wurde abgegeben,
    • die Erhebungen erfolgten nicht gesamtschweizerisch (zum Teil nur in ein oder zwei Kantonen).
  • PD Dr. med. Thomas Reisch verwendet zwar in seiner ersten Grafik die Daten des BFS “Suizide in der Schweiz, 1995 – 2008”. Fragwürdig erscheint mir die Auswertung mittels Durchschnittswerten. Schusswaffen, Vergiftung und Erhängen ergeben Werte von jeweils ca. 24%; schaut man sich allerdings die Entwicklung der Zahlenreihen an, ergibt sich ein anderes Bild: bei Schusswaffen klar abnehmend von 27.6% auf 18.2%, bei Vergiftung ansteigend von 16.6% auf 30.1%, bei Erhängen in etwa konstant von 26.9% auf 23.0%. Weshalb wurden diese Werte nicht erwähnt? (siehe entsprechende Excel Tabelle des BFS: “Suizide nach Vorgehensart” und “Suizid nach Vorgehensart und Waffentyp“).
  • von der gleichen Quelle (BFS) sind Angaben zu “Suizide nach Vorgehensart und Waffentyp, 2009” verfügbar. Sie sind aktuell, berücksichtigen die Faktoren “aktuelle Grösse der Armee” und “keine Heimabgabe mehr der Taschenmunition”. Gemäss diesen Werten sind im Jahre 2009 17% der Suizide durch Schusswaffen geschehen; von diesen 17% wurden 9% mit Armeewaffen verübt, rechnet man dies um auf sämtliche Suizide ergibt sich ein Wert von 1.5% (auch hier als attachment die excel Tabelle). Weshalb werden solche Angaben in einem “Faktenblatt” (Stand Januar 2011) nicht erwähnt? Passen sie nicht ins Bild? Auch wenn der Autor mit der Art der Erhebung nicht einverstanden ist, dürfen solche Angaben nicht unterdrückt werden, man kann sie ja kommentieren.
  • ebenfalls äusserst problematisch erscheint mir, dass Dr. Reisch als Vorstandsmitglied von ipsilon, Mitinitiant der Initiative, in seiner Funktion im BAG Abstimmungskampf betreibt (zumindest entsteht bei mir dieser Eindruck).
  • kommt dazu, dass M. Killias, einer der Autoren der vier zitierten Studien, von der SP des Bezirks Lenzburg zum Nationalratskandidaten gekürt wurde.

Ich werde leider den Eindruck nicht los, dass hier über ein Bundesamt Abstimmungskampf betrieben wird!
Gespannt warte ich auf Ihre Antwort.
Freundliche Grüsse
Ernst Kägi

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Reaktion BAG:

Besten Dank für Ihre differenzierte Rückmeldung.
Wie bereits erwähnt, sind die Daten des BFS und die Zahlen auf unserem Faktenblatt nicht miteinander vergleichbar.
Aufgrund der grossen Differenzen der Studienergebnisse haben Herr Jürg Marti (Direktor BFS) und Herr Pascal Strupler (Direktor BAG) beschlossen, die Methodik der Studien vertieft zu überprüfen. Gerade weil das BAG in keiner Weise Abstimmungskampf betreiben will, verzichten wir auf eine Publikation des Faktenblatts, bis die Überprüfung abgeschlossen ist. Darüber haben wir die interessierten Medien informiert, und einige haben entsprechend berichtet.
Mit freundlichen Grüssen
Regula Ricka

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Fazit Kägi:

Schnell in der Beantwortung aber ohne grosse Substanz.
Das BAG hat es geschafft, die Quote von ca. 50% in die Medien zu bringen. Korrekturen oder Dementis haben es immer schwer.

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Und was halten Sie davon?

 

Kommentare: 3

  1. J.Alexander Baumann sagt:

    Dr.Reisch Thomas ist offensichtlich ein so genannter “Schläfer” in einem wichtigen Zweig der Bundesverwaltung, der sein Einflusspotenzial im wichtigen und richtigen Zeitpunkt entfalten konnte und damit das Ergebnis der Volksabstimmung mit einer bewussten Falschinformation (sprich Amtslüge) von einer Amtsstelle im Sinne der Initianten beeinflusst hat. Diese Amtsstelle, die zufolge der subjektiven Betroffenheit des Lesers (es geht um meine Gesundheit!) eine hohe Glaubwüridigkeit für sich beanspruchen kann, hat sich in keiner Weise in den Abstimmungskampf einzumischen. Das Nachspiel zu diesem Vorfall muss die Entfernung dieses Politakteurs aus seiner Position als Verantwortlicher für Medieninformation zur Folge haben.

  2. Hans Ulrich Suter sagt:

    Es handelt es sich ja nicht um die erste Datenfälschung in diesem Zusammenhang. Es waren auch meistens Mediziner beteiligt, die damit in grober Art und Weise gegen ihre Berufsethik verstossen. Ich verstehe auch nicht, warum man derart auf die Selbstmorde abzielt, obwohl mit Exit der Selbstmord staatlich sanktioniert wird und dieselbe Berufsgattung (Mediziner) ohne mit der Wimper zu zucken 11,000 Abtreibungen pro Jahr vornimmt. Bei der Schlacht bei Murten sind etwa 10,000 Leute gefallen, um eine Vergleich zu ermöglichen.

  3. SchutzvorWaffengewalt.ch » Blog Archive » Gruppe Giardino forderte Klärung vom BAG zum mysteriösen “Faktenblatt” Suizide sagt:

    […] Zum Beitrag auf der Webseite der Gruppe Giardino […]

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