Zum Debakel der Armeestabsübung „Stabilo Due“

Zum Debakel der Armeestabsübung „Stabilo Due“

Das durch die Armeeführung geheim gehaltene Debakel der Armeestabsübung „Stabilo Due“ kann nur Naivlinge überraschen.
Was man nicht gründlich auf verschiedenen Kommandostufen wiederholt und unter Stress praktisch geübt hat, beherrscht man nicht plötzlich. Die Beförderung zum Divisionär und Chef Führungsstab der Armee beseitigt die Ausbildungs- und Erfahrungslücken nicht, wenn man vorher nur während 21 Monaten eine zur Auflösung bestimmte Infanteriebrigade verwaltet hat, ohne sich je in verschiedenen anspruchsvollen Truppenübungen als Kommandant bewährt zu haben. Mit der gepriesenen Absolvierung von computer-simulierten Truppenübungen werden die erforderlichen Führungsfähigkeiten nicht erlangt.
von Rudolf P. Schaub, Walchwil
Da Bundesrat und Parlament unsere Armee seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in einer naiven Friedenseuphorie sträflich vernachlässigt haben, ist leider auch davon auszugehen, dass sich in der Armee nicht mehr jene Köpfe engagieren, welche nötig wären, um in anspruchsvollen Armeestabsübungen überzeugende Arbeit zu leisten. Ein brillanter Kopf mit verlockenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt will sich doch nicht für eine Staatsaufgabe engagieren, welche von der Classe politique als nebensächlich oder sogar unnötig betrachtet wird und für welche nötige Ausgaben unter bewusster Inkaufnahme von Ausrüstungs-, Ausbildungs- und Führungsmängeln nicht getätigt werden.
Militärische und politische Führung in Krisenlagen ist eine höchst anspruchsvolle Aufgabe, die nicht nur eine entsprechende (praktische) Vorbereitung in periodischen Übungen, sondern auch mentale Stärke und Standfestigkeit der verantwortlichen Chefs voraussetzt. In unserer Armee, die gegenwärtig nicht einmal über eine Einsatzdoktrin verfügt, ist die Führung allerdings eine kaum zu bewältigende Aufgabe. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass sich für unsere real existierende Phantomarmee, in der nur ein Drittel des Truppenbestandes ausgerüstet werden kann, keine überzeugende Einsatzdoktrin entwickeln lässt, wenn die gestellte Aufgabe sachkompetent und ehrlich angegangen wird. Ebenso muss bei realistischen Stabsübungen den Beübten sofort klar werden, dass sie im Ernstfall eine „unmögliche Mission“ zu erfüllen hätten. Unser Land befindet sich gegenwärtig mit den herrschenden sicherheitspolitischen und militärischen Vorstellungen auf dem Holzweg. Rechtzeitige Dissuasionswirkung kann nicht mit einer Armee erreicht werden, welche sich mit gravierenden Ausrüstungs- und Ausbildungslücken auf das blosse „savoir faire“ beschränken will. Sowohl bei der Nationalrätin Galladé und ihren Kolleginnen und Kollegen im Parlament als auch beim Bundesrat hätten die Alarmglocken längst läuten müssen. Sie sind nicht berechtigt, Zeter und Mordio zu schreien wegen eines Debakels, für das sie aufgrund ihrer Sicherheits- und Armeepolitik letztlich die Hauptverantwortlichen sind.

 

Kommentare: 1

  1. Willy Stucky sagt:

    Die beste Analyse, die ich bisher gelesen habe!
    Ja, die “rechtzeitige Dissuasionswirkung” ist offensichtlich im Eimer.
    Wie Gotthard Frick auf dieser Plattform schon einige Male betont hat, wird dieser äusserst gravierende Mangel den Generalstäben anderer Armeen wohl nicht verborgen geblieben sein.

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