Armee im Abgrund

Armee im Abgrund

Zu wenig effektiv und effizient sei die Struktur der Schweizer Armee und gross der Handlungsbedarf, die Ausbildungslücken beträchtlich. So lautet die kleine Auswahl an Erkenntnissen aus der Übung «Stabilo Uno». Das war vor fünf Jahren. Der Handlungsbedarf sei erkannt. So sprach bald auch der neue Chef der Armee, André Blattmann.
von Beni Gafner, BAZ vom 30.10.2013, Seite 9
Und heute? Ein Jahr nach der Übung «Stabilo Due» wird durch mehrere Indiskretionen bekannt, dass die zentrale Armeeführung in Bern bei der Einsatzplanung stümperhaft agiert. Die in der Armee selten erteilte Note «ungenügend» heisst in der Alltagssprache «unbrauchbar». Das Ziel wurde verfehlt, die schwierige Lage hätte in der Katas­ trophe geendet. Konkret war die Armeeführung nicht in der Lage, 30 000 Soldaten zur Unter­ stützung der Kantone einzusetzen und gewalt­ tätige Banden vor neuen Untaten abzuhalten.
Das Scheitern der Offiziere in der Berner Zentrale findet ihre Begründung übrigens nicht in der Unfähigkeit der Köpfe, die überfordert wären, im Chaos die Übersicht zu behalten und zielführend zu arbeiten. Das Scheitern ist zurückzuführen auf unerfüllte Voraussetzungen. Es fehlte an der Aus­ bildung des Personals, man sprach mit missver­ standenen Fachbegriffen aneinander vorbei. Zen­ trale Stabsstellen blieben wegen Personalmangels unbesetzt. Dies sind Unterlassungssünden in der Planung und Organisation, für die der Chef der Armee, Korpskommandant André Blattmann, direkt verantwortlich ist. Und so lautet die Bilanz für fünf Jahre zwischen «erkanntem Handlungs­ bedarf» von 2008 und heute, dass es Blattmann nicht geschafft hat, seine oberste Führungsebene zum Funktionieren zu bringen.
Noch nehmen die Sicherheitspolitiker das Ver­ sagen ungläubig hin. Sie bezweifeln die Bericht­ erstattung in den Medien. Sie negieren die Toten, Vergewaltigten, Verwundeten und die vielen übrigen Geschädigten, um die es letztlich geht. Der Verweis auf den positiven Umstand, dass überhaupt geübt werde, genügt nicht mehr. Nötig wären jetzt Menschen, die handeln und Mängel beseitigen. Wer dies nicht kann, muss gehen.

 

Kommentare: 6

  1. Hans Ulrich Suter sagt:

    Ich habe einfach den Verdacht und ich hoffe damit den hier Anwesenden nicht zu sehr auf die Füsse zu treten, dass ein Problem der schweizer Armee (neben der Unterfinanzierung) die Beförderung ungeeigneter Offiziere ist. Ich vermute das, neben gewissen persönlichen Erfahrungen v.a. dadurch, dass jemand wie Roland Nef bis zu den Flagoffizieren befördert wird. Es kann sich nicht um einen Einzelfall handeln!

  2. Graf Kurt sagt:

    Welch Hohn!
    Die beste Armee der Welt (!) versinkt langsam aber sicher im Sumpf. Warum? Die aktuelle Armee wird von unqualifizierten Generälen “geführt”. Mit Verlaub, Köpfe müssen rollen, Auch der Chef des Nachrichtendienstes
    hat andere Funktionen im Kopf, wie Gemeinderat oder Professor statt seinen wichtigen Job. Seine Leistungen wurden von der Politik übrigens schlecht beurteilt. Er muss unbedingt abgelöst werden.
    Einige unvollständigeTrümmerfelder der jetzigen Armee seien hier kurz erwähnt: Keine Mobilmachungsorganisation, nur eine Brigade kann voll ausgerüstet werden, keine sofort einsatzbereiten Formationen (Flh Bat/Rgt), kein Splitterschutz der Fahrzeuge der Truppe (einsatzbereite Spz werden verschreddert bevor Ersatz vorhanden), stationäre Bollwerke mit ihren wirkungsvollen Geschützen (Bison, Fest Mw) werden eliminiert, die Logistik ist zu kompliziert. – Die Frage stellt sich zum Schluss: Muss gar der Verteidigungsminister ersetzt werden?
    Es sei hier noch positiv vermerkt: Die untere Stufe, Truppe Kp/Bat Kdt, funktioniert offebar bestens. Mit dem neuen Abverdienen der Uof/Lt wird es nur noch besser.

  3. Willy Stucky sagt:

    Ihr Verdacht, geschätzter Hans Ulrich Suter, ist wohl mehr als begründet, aber die Armee ist da keine Ausnahme. Als weiland plötzlich behauptet wurde, die emotionale (oder soziale) Kompetenz (= EQ = Emotional Quotient) sei für die Karriere wichtiger als Intelligenz (und Verstand), wusste ich sofort Bescheid. Ob Armee, Wirtschaft, Bildung: Überall dasselbe Bild!
    Natürlich gibt es immer Ausnahmen, z.B. Chirurgen, Piloten und Spitzensportler, aber grundsätzlich gilt seit geraumer Zeit überall die Meinung, es sei unmenschlich, die Spreu vom Weizen zu trennen.
    Hohe militärische Kader müssten jedoch „Chirurgen“, müssten „Piloten“ sein.
    Ich weiss, dass solche Überlegungen nichts als Vergangenheitsbewältigung sind, aber meines Erachtens sind sie ebenfalls Teil des Muts zur Kursänderung: Eine Armee, die diesen Namen verdient, ist keine Heils-Armee. Der Krieg ist leider etwas Furchtbares, dem nur physisch und psychisch ausserordentlich belastbare Soldaten gewachsen sind. Auch Kader sind Soldaten, nur dass bei ihnen mit zunehmender Befehlsgewalt auch noch die intellektuellen Fähigkeiten immer wichtiger werden. (Heute fallen viele Menschen fast in Ohnmacht, wenn sie nur schon das Wort „Befehlsgewalt“ hören.)

  4. Peter H. Kuhn sagt:

    Ganz klar: Beim Thema Armee hat in erster Linie die Politik gravierend und strafbar fahrlässig versagt! Sowie bei der VBS- Führung seit und mit Ogi. Eine Wende zum Besseren gibt es wenigstens bei Ueli Maurer, der um seine schwierige Aufgabe nicht zu beneiden ist. Dies alles geht vor allem auf das Konto jener Parteien, die sich grossartig “bürgerlich” nennen(vor allem CVP, FDP!). Haben die eigentlich ein Brett vor dem Kopf? Denken die nur bis vor die Nase? Das ist die eigentliche, wahre Schande! Aber man ist ja auch bereit die Unabhängigkeit und Freiheit unseres Landes auf andere perfide Weise zu opfern! Da erstaunt vieles nicht mehr. Sicher müsste man nun dringend mit dem Stimmzettel reagieren. Aber auch bei den Führungskräften des VBS sitzt der Wurm drin. Wieso haben die hohen Armeestellen nicht dringender, mutiger und auffälliger gegen diese unhaltbaren Zustände protestiert? Weil sie mutlos sind und Angst um ihre gut dotierten Posten hatten? Weil da eben auch einige Nieten sitzen? Von den Soldaten erwartet man Vertrauen in die Führung. Eine Führung, die heute schon Angst hat? Peter H. Kuhn, Regensdorf

    • Aida Hammad sagt:

      Von den 9000 Beamten für notabene nachWEA eine Armee mit 20’000 Soldaten darf die Hälfte pensioniert werden und die restlichen 4500 untersucht, wieviele SP sind und mit denen die übrig bleiben, weil sie von der Schweiz und der Armee überzeugt sind zügig vorwärts machen in Richtung WA=Wiederaufrüstung wie andernorts auf der Welt.

  5. Divisionär aD Eugen Hofmeister gehört zu den fähigsten HSO (Höherer Stabsoffizier), welche das Land seit dem Fall der Berliner Mauer je hatte. Er war es, der die Übung “Stabilo Due” angelegt, durchgeführt und nun auch den Bericht dazu erstellt hat. Sein Gesamturteil betr. Führung durch den FST A (Führungsstab der Armee) ist zwischenzeitlich weitgehend bekannt: Ungenügend! Wir alle wissen – spätestens seit der Aussage des Chefs VBS, Bundespräsident Ueli Maurer (ASMZ vom August 2013) -, dass die heutige Armee das Land nicht mehr wirklich gegen Aussen und nach Innen verteidigen und schützen kann. Es fehlt dieser Armee tatsächlich an allen Ecken und Enden. Und jetzt muss Hofmeister feststellen, dass auch die Führung dieser Armee nichts taugt? GIARDINO fordert seit Jahren eine Generalinspektion dieser Armee mit dem Ziel, dass endlich klar wird, wo wir mit dieser Institution wirklich stehen. VBS und Armeeleitung wollen von einer solchen Generalinspektion nichts wissen. Weshalb wohl? Was gibt es zu verheimlichen? Sind die Dinge noch schlimmer, als man aufgrund von Maurers und Blattmanns Aussagen annehmen muss? Letzterer hat oft und immer wieder (notabene auch in Anwesenheit des Präsidenten der SOG) erklärt, dass auch mit fünf Milliarden pro Jahr “schmerzliche Eingriffe in die heutige Armee unumgänglich sein werden”. Im Klartext heisst dies, dass die Armee mit der WEA-Vorlage mehr als halbiert wird! Keine Geiss von der Welt schleckt es weg: Mit der WEA-Vorlage, einerlei ob jetzt noch 300 Millionen zu den 4,7 Milliarden hinzukommen werden, wird die heutige Armee weiter massiv geschwächt. Diese WEA liegt voll und ganz auf der Linie des total gescheiterten Projektes ArmeeXXI und Entwicklungsschritt 08/11. Die Sicherheit von Land und Volk ist nicht mehr gewährleistet und damit wird auch der Wohlstand des Landes ernsthaft gefährdet. Es bleibt zu hoffen, dass die Mehrheit der Eidg. Räte und der Kantone a) dieser WEA-Vorlage nicht weiter auf den Leim kriecht, b) den “Mut zur Kursänderung” endlich aufbringt und c) das Courage hat, eine sofortige Generalinspektion der heutigen Armee zu fordern und zu realisieren.

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