Sind die Tage der Generalstabsschule gezählt?
Am 6. Juli 2011 hat ein weiteres Treffen des Chefs der Armee mit den Milizorganisationen in Bern stattgefunden. Zahlreich waren die verschiedenen Milizorganisationen vertreten. Seit diesem Jahr gehört auch die GGstOf zu den geladenen Gästen.
Der CdA, KKdt André Blattmann, hat einen allgemeinen Tour d’horizon vorgenommen, der Chef Armeeplanung, Br Hanspeter Walser, hat den Masterplan 2011 präsentiert und der Chef Führungskommunikation Verteidigung, Herr Heinz Müller, hat sich zu den Anstrengungen der Armeeführung um eine Annäherung und einem besseren Verständnis zwischen Wirtschaft und Armee geäussert. Naturgemäss gingen in der Diskussion die Emotionen teilweise hoch.Der Informationsanlass darf aber als gelungen und wertvoll beurteilt werden. Man muss bei weitem nicht mit allem einverstanden sein.
Ein Beispiel, das die GGstOf nicht unberührt lassen kann, sei an dieser Stelle besonders hervorgehoben.
Der CdA hat u.a. eine mögliche zukünftige “Kopfstruktur” der Armee vorgestellt. Dabei fällt auf, dass die Höhere Kaderausbildung (HKA), die bis anhin dem CdA direkt unterstellt war, neu hierarchisch wieder zurückgestuft und dem Chef Heer, der aber in Zukunft eher wieder die Rolle des “Ausbildungschefs” wahrnehmen soll, unterstellt wird. Ein eigenständiges Kommando Generalstabsschule sucht man vergebens! Die Generalstabslehrgänge I – III sind in einem “Kommando Milizlehrgänge” angesiedelt, die kombinierten GLG IV und V werden jedoch durch den Kdt HKA persönlich geführt.
Stichwortartig sollen einige Bedenken zu dieser Absicht aufgelistet werden:
- Als man die HKA direkt dem CdA unterstellt hat, war man sich bewusst, dass damit die militärische Kaderausbildung eine Aufwertung erfährt. Die organisatorische Massnahme wurde als echten Fortschritt gewürdigt. Sämtliche Beurteilungen, die sich mit dem Personellen unserer Milizarmee befassen, unterstreichen dessen grundsätzliche Bedeutung, begonnen beim Soldaten bis hinauf zu den höchsten Kaderschulen. Aber der Fokus muss auf der Kaderausbildung liegen. Bis ein vollwertiger Gst Of ausgebildet und operationell ist, vergehen Jahre. Die Aussage, wonach die Armee ein “people business” sei, wird zu Recht gerne verwendet. Und jetzt soll das alles nicht mehr gelten?!
- Soll es effektiv der traditionsreichen Generalstabsschule nach über 100 Jahren an den Kragen gehen? Es scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass die Gst Schulen seit 1876 bestehen und ganze Generationen hervorragender militärischer Führer hervorgebracht haben.
- Generalstabsoffiziere werden in allen massgebenden Streitkräften mit der nötigen Sorgfalt selektioniert und ausgebildet, da sie das Rückgrat einer jeden Armee darstellen. Bei unseren Nachbarn sind die höchsten Ausbildungsstätten direkt dem Generalstabschef (Chef der Armee) unterstellt. Somit ist sichergestellt, dass die nötigen Ressourcen auch zielgerichtet eingesetzt werden und die Kohäsion und der Joint-Gedanke vorherrscht. Die besten und erfahrensten Generäle bilden die Eliten (Gst Of) von morgen aus.
- Gemäss dem vorliegenden Vorschlag werden die Generalstabslehrgänge, die grundsätzlich für ihre Qualität bekannt sind, aufgesplittet. Generalstabsoffizier werden wird zu einem rein technischen Prozedere degradiert. Niemand mehr ist für das Korps der Generalstabsoffiziere vollumfänglich verantwortlich. Mit der Abschaffung des Generalstabschefs hat man das Korps der Gst Of “enthauptet”, und jetzt soll auch die Ausbildung organisatorisch verwässert werden. Muss man sich eventuell die Frage stellen, ob das Korps der Gst Of überhaupt abgeschafft werden soll – nicht sofort, aber schrittweise? Die geplanten organisatorischen Massnahmen deuten darauf hin.
- Dass sich die Schweizer Armee mit wertvollen Traditionen eher schwer tut, muss nicht näher erläutert werden, müssen wir aber stets die alten Fehler neu machen? Dabei geht es nicht um die Pflege hinfällig gewordener Traditionen, es geht nicht um die Pflege von kalter Asche, sondern um die Glut, aus der immer wieder neues Feuer entfacht wird.
- Es stellt sich zudem die Frage, warum eigentlich die funktionierende Organisationseinheit (HKA) permanent umstrukturiert wird. Die Lehren aus der A95 und A XXI wurden mit der HKA und der neuen Gst S umgesetzt. Weitere Verbesserungsmassnahmen sind mit dem Einzelprojekt “EDELWEISS”, das unter der Leitung des Kdt HKA steht und in welchem sowohl Berufs- als auch Milizkader eingebunden sind, angestrebt. Die Frage muss gestattet sein, ob man ernsthaft der Ansicht ist, dass durch eine Zerstückelung der Gst Of Ausbildung eine höhere Qualität erzielt werden kann.
- Oder – ganz banal – geht es eventuell lediglich um das Bemühen, Generalssterne einzusparen? Das wäre definitiv lächerlich, wenn man sich vor Augen führt, dass im gleichen Atemzug in der vorgestellten zukünftigen Kopfstruktur eine Sanitätsbrigade vorgeschlagen wird.
Nun, ein Lichtblick mag darin bestehen, dass der CdA in seinen Ausführungen klar gesagt hat, dass noch nicht alles in Stein gemeisselt sei – zum Glück! Man darf davon ausgehen, dass die Köpfe noch ziemlich schräg gehalten werden müssen, denn in den Strukturen der zukünftigen HKA entdeckt man auch noch den Stabschef operative Schulung (SCOS). Diese Funktion wurde seit Jahren immer wieder neu “untergebracht”: von der Stufe CdA über die Planung / Doktrin und jetzt eventuell in der HKA. Vielleicht wäre es angebracht, sich klar zu werden, was man effektiv will bevor man weitere Kästchen zeichnet.