Brief an den CdA: Glaubwürdigkeit der Führungsspitzen
Guten Tag, Herr Korpskommandant Blattmann
Die Eliminierung von Armeematerial war bereits Gegenstand meiner beiden an Sie gerichteten Briefe vom 25. Januar 2010 und 11. Februar 2012. […]
Nun spreche ich die Frage der Glaubwürdigkeit an, sei es im personellen oder im Sachbereich. Am 9. Februar 2012 hat mich überraschend Nationalrat Jakob Büchler angerufen. Er wusste aufgrund meiner Kontakte um meine Sorge um den Werterhalt von Rüstungsmaterial der Panzertruppe. Sie hatten ihm am 8. Februar 2012 in Thun berichtet, dass die Verschrottung der Spz 63/89 gestoppt würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die 365 gepanzerten Mannschafts-Transportfahrzeuge (der M113 ist kein Schützenpanzer, sondern gemäss von Senger & Etterlin/Taschenbuch der Panzer ein gepanzertes Transportfahrzeug) wurden trotz überzeugender Turtmann-Demonstration am 18. April 2012, bei der Firma Gotthard Schnyder AG in Emmen verschrottet. Alles Weitere kann man im Buch „Mut zur Kursänderung“ nachlesen.
Wenige Wochen nach der endgültigen Verschrottung hat sich der Chef VBS geäussert, man würde heute (also damals) anders entscheiden. Auf Ihre Feststellung anlässlich des Seminares der Generalstabsoffiziere anfangs November 2012 in Weinfelden trete ich nicht näher ein, ausser dass Ihre Feststellung nicht stichhaltig ist.
Nun stelle ich fest, dass die Armeeführung seit mehreren Jahren – ob diese dies wahrhaben will oder nicht – auf die Strategie der SP und GSoA eingeschwenkt ist. Die Verfasserin der SP Strategie ist die ehemalige Nationalrätin Barbara Haering-Binder. Mit ihr habe ich im Jahre 2006 korrespondiert und sie teilte mir in einem mehrseitigen Antwortschreiben auf der letzten Seite mit „Es geht mir um den Umbau und den Abbau der Armee“. Nun, Frau Haering war ja unter anderem Mitglied der SiK Nationalrat und während zwei Jahren deren Präsidentin. Die Strategie Haering-Binder wird von der SP zielstrebig verfolgt und der junge NR und ewige Student Cedric Wermuth hat an der SP-Delegierten-Versammlung 2010 diesen Abbau-Grundsatz durch die SP-Delegierten genehmigen lassen.
Nun sind bestimmte Kreise der Ansicht, das die Armee über das Budget und den Bestand zu steuern sei. Statt sich gegen diesen Zustand zu widersetzen versucht man der Miliz Armee eine weitere Reform aufzuzwingen, statt auf das „Feld EINS – Das Ganze Halt“ zurück zu kehren. Keine Armee der Welt, schon gar nicht eine Miliz-Armee, erträgt innerhalb von 1 ½ Dekaden drei oder gar vier Reformen.
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben am 18. Mai 2003 der „Armee XXI“ zugestimmt. Dem Stimmvolk wurde mit der Aenderung des Militärgesetzes eine Armee von 220‘000 AdA, nämlich 140‘000 Aktiven und 80‘000 Reserve, versprochen. Mit diesem Versprechen einer „High Tech Armee“ usf. ist das Volk brandschwarz angelogen worden. Die „Spin Doctors im Bundeshaus“ haben ganze Arbeit geleistet. Vergleichen Sie die Ausführungen im Buch der mutigen Frau Dr. phil. Judith Barben.
Ich will Ihre Entgegnungen, dass die Armee über das Budget und den Bestand zu steuern sei, gar nicht anhören. Sie wollen ja erfahrene HSO und Bürger mit anderen Meinungen auch nicht disputieren lassen. Sicher ist die Armee einer der reichsten Nationen Europas nicht nur mit einer Versicherungsprämie (Kosten der Armee) von 0,8 % des BIP von etwa CHF 600 Mia. (2013) auszurüsten. Der von der NATO zitierte BIP-Anteil von 2 % sei eine valable Vorgabe. Also ist Widerstand gefragt!
Der Ausdruck „WEA“ heisst im Klartext nicht „Weitere Entwicklung der Armee“, sondern Weitere Eliminierung der Armee“.
Und nun sind eklatante Widersprüche fest zu halten. In Ihrem Interview mit der WELTWOCHE, Ausgabe Nr. 19.14, Seite 27, äussern Sie sich „Ja, aber wir dürfen nicht weiter schrumpfen. Wer alles kahlschlägt, kann nachher nicht einfach mehr aufforsten. Was weg ist, ist weg.“ Völlig einverstanden, Turtmann lässt grüssen.
Wie kommt es, dass im Rüstungsprogramm 2014, Teil II, beantragt wurde, dass 96 KAWEST Leopard 2 und 162 KAWEST PzHb 109 zu eliminieren sind? Selbstverständlich hat der Bundesrat dem Ständerat diesen Antrag gestellt. Aber es ist auch dem Laien klar, dass der Antrag im Rüstungsprogramm Teil II durch das VBS formuliert und beantragt wurde. Ich nehme an, dass Sie Kenntnis von diesem Antrag hatten – Antrag wahrscheinlich durch Dr. Christian Catrina entworfen und eingebracht.
Ist nicht ein grotesker Widerspruch vorhanden, wenn Sie in der Ausgabe INTRA 2/14, im Editorial Ihren geschätzten Mitarbeitenden folgendes mitteilen: Die Herausforderungen gehen uns nicht aus – jetzt geht es weiter mit der Weiterentwicklung der Armee (WEA), welche für uns einen Abbau, aber auch wesentliche Verbesserungen mit sich bringt.“ Abbau? Also weiter fortlaufend kahl schlagen!
Damit komme ich zur Frage des Rückgrates der Kampftruppen unserer Rest-Armee. Neuerdings heissen die beiden Pz Br jetzt Mech Br. Die Anzahl dieser Br und Bat ist absolut ungenügend.
Ich verweise auf die ASMZ 0672014, Seite 51, Generalversammlung der OG Panzer und die Ausgabe ASMZ 08/2014, Seite 31ff „Werterhaltung des Pz 87 – Gegendarstellung. Eine dritte Brigade, mit Vorteil eine welsche, ist unabdingbar. Denn in einem Konfliktfall zählen die Rohre in der Front.
In der Armeeführung und –Planung scheint die rechte Hand nicht zu wissen, was die linke tut. Wie kommt es, dass der Chef Armeeplanung, Brigadier Rolf Siegenthaler, anlässlich der GV OG Panzer am 6. März 2014 ausführt, dass es keineswegs die Absicht der Armeeführung sei, die Panzertruppen zu schwächen oder gar abzuschaffen. Was aber, Herr KKdt Blattmann, hat die Armeeführung im vorgängig zitierten Rüstungsprogramm 2014, Teil II, in Bezug auf die Stillegung, d.h. Eliminierung der Kampfpanzer und Panzerhaubitzen im April 2014 beantragt? Wo bleibt die Glaubwürdigkeit der jetzigen Armeeführung?
Und nun zur Beschaffung eines neuen Kampfflugzeuges, Tiger Teilersatz, und das negative Abstimmungsresultat in der Gripen-Beschaffung. Ich will bei den persönlich Anstrengungen zum Erhalt eines positiven Abstimmungs-Resultates nur folgendes erwähnen: Führung von Dutzenden von Einzelgesprächen insbesondere mit den jüngeren Generationen. Alles umsonst unternommen. Dies ärgert mich nicht übermässig, jedoch die Tatsache, dass kein Plan B vorhanden war. Wenn dies schon nicht der Fall war, warum nicht innerhalb von 24 Stunden eine SOMA auslösen und eine Klausur-Sitzung grösster Dringlichkeit, mit den fähigsten Köpfen, und ohne Dr. Catrina, einberufen? Aber einer der Exponenten ging ja stattdessen während vier Stunden radfahren.
Eliminierung der F-5/Tiger-Flotte: Sicher nach dem negativen Gripen-Resultat nicht. Ich bin gedienter Panzeroffizier, nicht Pilot. Also informiere ich mich bei mir bekannten Fachleuten und studiere das Internet. Aus letzterem ist alles ersichtlich. Die F-5 KAWEST Aktionen der Staaten Brasilien, Thailand, Südafrika. Selbst die modernen neuen Cockpit im F-5 sind im Internet ersichtlich. Es ist ganz klar, Herr KKdt Blattmann, dass wir die F-5/Tiger behalten und einer KAWEST für verhältnismässig wenig Investitions-Kosten unterziehen müssen. Vermeiden Sie Kreditreste, zu vermeiden mit rollendem Controlling. Die Luftwaffe ist auf keinen Fall zahlenmässig abzubauen. Aus dem Fall der Eliminierung der Spz 63/89 ist nicht nur endlich zu lernen, sondern anzuwenden. Keine weiteren Verschrottungen mehr, Werterhalt des kostbaren Armee-Materials.
Die Pläne der Befürworter einer Berufsarmee sind bekannt. Abbau der Armee, Verschrottung von einsatzfähigem Armee-Material bis nur noch solches für eine Berufs-Armee von 20‘000 Mann übrig bleibt. Dass dies alleine an Lohn- und Salärkosten ca. CHF 2 Mia. p.a. verschlingen würde und dass damit die Unterbringung dieser AdA mit ihren Familien nicht gelöst ist, dies haben die Haupt-Befürworter Keckeis und Maudet nicht bedacht.
Mit der Eliminierung der F-5/Tiger-Flotte will man gezielt auch den Bestand der Miliz-Piloten weiter vorantreiben. Also in dieser Waffengattung nur noch Berufs-Piloten.
1914 konnte die Schweiz ihre Armee noch mobilisieren. Heute, nach vier Jahren „Team-Arbeit“ Maurer/Blattmann immer noch nicht. Sie sind nicht oder wohl kaum schuld an der grobfahrlässigen Zerschlagung der einmaligen Mob Org. Diese hat funktioniert. Ich bin Armee 61-Zeitzeuge.
In jedem WK der drei Mech Div wurde die Mobilmachung geübt. Erinnern Sie sich an die „AIDA-Formationen“ und an das Flughafen Rgt Kloten?
Die WEA-Armee kann ihren Auftrag gemäss unserer gültigen Bundesverfassung, Artikel 58, nicht erfüllen. Dies hat der C VBS vor nicht allzu langer Zeit in einem Interview in der ASMZ bestätigt. Wer einen Auftrag nicht erfüllen kann, muss die Konsequenzen ziehen. Als ich in meiner ersten Geschäftsführung mit einem Kernteam unter unerhörtem Zeitdruck ein neues Produkt zu kreieren und produktionsreif zu machen hatte, konnte der Verwaltungsrat die notwendigen Mittel für eine neue Produktions-Anlage nicht bewilligen. Ich habe als Geschäftsführer in Etwa das Gleiche wie der ehemalige Gst C, KKdt Arthur Liener getan:
Als er BR Adolf Ogi nicht überzeugen konnte, dass die Mängel der A 95 sich nicht mit einem völlig falschen und überrissenen Projekt AXXI korrigieren liessen, hat er quittiert. Er konnte den Auftrag nicht erfüllen. Sein Entschluss war und bleibt ehrenswert.
Es herrscht Krieg in Europa, mindestens in der Ukraine. Andere Staaten, wie zum Beispiel das neutrale Schweden, rüsten auf. In Bundesbern schläft man weiter, teilweise auch das Parlament – immer noch. Die WEA muss abgelehnt werden; sie ist untauglich und kann den Auftrag gemäss unserer Bundesverfassung nicht erfüllen – verletzt die Bundesverfassung. Auch die potemkinische Flugschau Ende August 2014 in Payerne wird die Situation nicht ändern. Widerstand gegen die WEA ist auf allen Stufen unabdingbar: Die WEA ist abzulehnen, ohne Wenn und Aber!
Willy P. Stelzer
Major d Pz Trp a D