Deutschlands Heer der Freiwilligen
Jahrzehntelang war die Wehrpflicht in Deutschland eine Institution gewesen. Konservative Kreise hielten sie hoch, verklärten sie als «Schule der Nation». Für CDU und CSU galt das Ja zur Wehrpflicht als so sicher wie das Amen in der Kirche. Erst Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Verteidigungsminister von 2009 bis 2011, wagte es, diese heilige Kuh anzufassen. Dabei war wohl nicht unerheblich, dass er selber ein Konservativer ist, ehemaliger Gebirgsjäger obendrein. Ein Sozialdemokrat hätte mit massivem Widerstand rechnen müssen. Bei Guttenberg hörten plötzlich alle auf Sachargumente, die gegen die Wehrpflicht sprachen.
Kein Wort über die vielen Probleme gibt es auf tagesanzeiger.ch
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„Als Finanzminister Wolfgang Schäuble im Jahr 2010 dem Verteidigungsministerium strenge Sparauflagen machte, ging Guttenberg in sich.“
Eher war es so, dass Guttenberg, als möglicher Rivale von der Kanzlerin bewusst auf den heissen Schleudersitz des Verteidigungsminister gesetzt, die Gelegenheit zur Selbstinszenierung aufgriff. Er inszenierte sich als ‚Macher‘, der eine längst überfällige Reform anpackte und Deutschland damit die Armee beschert, mit der es wieder ‚eine Rolle in der Welt spielen‘ könne. Guttenbergs Nachfolger erbte ein ‚Konzept‘, das im Urteil von Fachleuten keiner Realität standhält. (vgl. Beitrag in der Österreichischen Militärischen Zeitschrift 3/2012)
Man mag geteilter Meinung darüber sein, wie gross und ‚aktiv im militärischen Sinne‘ Deutschlands Rolle in der Welt sein soll. Für den neutralen Kleinstaat Schweiz dürften deutschlands sicherheits- und geopolitischen Ambitionen kein valables Vorbild sein.
Doch genau dies wünschen sich viele Politiker in Bern insgeheim: eine Schweiz mit einer Armee, die ‚0% verteidigungsfähig und 100% ’solidarisch‘ ist‘. Von Deutschland haben sie gelernt, wie man auf den Weg zu diesem Ziel die lästige Wehrpflicht am einfachsten bzw. ohne demokratischen Legitimationsprozess los wird: man spart die Wehrpflichtarmee einfach kaputt und plärrt dann lautstark nach einer Armee ohne die ‚teure Last‘ der Wehrpflicht.
Meines Wissens hat zu Guttenberg die Wehrpflicht eigenmächtig abgeschafft, ohne durch den politischen Prozess zu gehen. Dies erinnert an die stille Geschlechtsumwandlung der Schweizer Armee, die durch Ueli Maurer und CdA Blattmann von der Verteidigungsarmee in eine Dienstleistungsarmee umgebaut wurde, ohne die Verfassung zu berücksichtigen.
Auffällig ist, dass diejenigen, die an der allgemeinen Wehrpflicht festhalten wollten, als „konservative Kreise“ betitelt werden, also als Hinterwäldler, die die neue Zeit nicht begriffen haben. Giardino passiert das ja jeden Tag.
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