Editorial von Roger Köppel: Die Schweizer Wehrpflicht muss bleiben
Die Schweizer Wehrpflicht muss bleiben. Warum? Hochgestochen, aber ehrlich formuliert: weil sich in ihr das republikanische Ethos der Schweiz manifestiert. Weil sich durch die Wehrpflicht eine intensivere Identifikation des Bürgers mit dem Staat ergibt. Wehrpflicht bedeutet: Der Staat kann von den wehrtauglichen Männern und Frauen verlangen, für den Staat im Ernstfall ihr Leben hinzugeben. Wer sich für den Staat im Krieg opfern muss, pflegt und überwacht den Staat in Friedenszeiten. Man setzt sein Leben nicht für eine Organisation aufs Spiel, in der man sich nicht wiedererkennt. Die Wehrpflicht ist die existenzielle Grundlage, ja der Lebensnerv der direkten Demokratie, die vom Waffen tragenden Bürger ausgeht – wie schon im alten Griechenland die Hopliten-Miliz. Ein Bürgerheer aus Wehrpflichtigen begrenzt zudem den aussenpolitischen Appetit der Regierung, sich an auswärtigen Konflikten zu beteiligen. Die Amerikaner hatten bis Vietnam die allgemeine Wehrpflicht. Als der Widerstand gegen den fragwürdigen Dschungelkrieg wuchs, stiegen die USA auf professionelle Truppen um. Was angesichts landesweiter Proteste als Entgegenkommen verkauft wurde, war eine Machtanmassung durch die Regierung: Seit es an einem Bürgerheer fehlt, kann sich Amerika wieder ungehinderter auf militärische Abenteuer einlassen. Profi-Truppen stärken die Zentrale auf Kosten der Demokratie (Volksherrschaft). Kein Vorbild für die Schweiz.
Quelle: weltwoche.ch