Luftwaffenchef Aldo C. Schellenberg widerspricht den Experten-Meinungen

Luftwaffenchef Aldo C. Schellenberg widerspricht den Experten-Meinungen

Interview von Eva Novak, Neue Luzerner Zeitung
Herr Korpskommandant, warum soll das Parlament die Anzahl der Schweizer Kampfjets reduzieren und die 54 Tiger möglichst rasch ausmustern?
Aldo C. Schellenberg: Der Tiger F-5 ist gegen 40 Jahre alt. Für den Luftpolizeidienst ist er nicht mehr geeignet und schon gar nicht für Luftverteidigung. Sein operationeller Nutzen ist deshalb nur noch sehr gering. Der Weiterbetrieb auch nur eines Teils der F-5-Flotte spart keine einzige Flugstunde auf dem F/A- 18, verursacht aber Mehrkosten. Selbst wenn man nur 26 Tiger weiter betreibt, kostet das die Armee 40 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich. Das können wir uns nicht leisten.
Also kommt Ihnen das Teil-Grounding der Tiger-Flotte wegen Rissen im Rumpf entgegen?
Schellenberg: Überhaupt nicht. Ich mache mir Sorgen, denn es geht um die Flugsicherheit. Die bei inzwischen vier Flugzeugen entdeckten Risse sind zwar angesichts des Alters der Flugzeuge nicht aussergewöhnlich. Sie sind aber so gravierend, dass wir die noch nicht kontrollierten fünf Flieger so lange am Boden behalten, bis wir wissen, was mit ihnen los ist.
Ist das nicht etwas übertrieben? Laut Experten sind solche Risse normal und kommen auch bei neusten Kampfjets vor, selbst beim in Entwicklung stehenden Joint Strike Fighter, der als Jet der Zukunft gilt.
Schellenberg: Ein F-15 ist deswegen vor ein paar Jahren in der Luft auseinandergerissen und abgestürzt. Wie gesagt: Es ist eine Frage der Flugsicherheit.
Was kostet die Reparatur?
Schellenberg: Das wissen wir noch nicht abschliessend. Die Kontrolle kostet etwa eine halbe Million Franken. Ob die beschädigten Jets repariert werden, ist noch offen. Wenn nicht noch weitere mit Rissen auftauchen, werden wir die vier betroffenen wahrscheinlich am Boden behalten. So wie jene 18 der 54 Tiger, die bereits seit ein paar Jahren stillgelegt sind.
Und der Rest fliegt, bis das Parlament voraussichtlich 2018 entscheidet, ob sie ausgemustert werden? Schellenberg: Wir werden bis auf weiteres 26 Tiger betreiben.
Warum sparen die Tiger keine F/A-18-Flugstunden? Vor der Abstimmung über die Gripen hiess es doch, die neuen Kampfjets würden die F/A-18 entlasten und deren Lebensdauer verlängern. Schaffen das die Tiger nicht?
Schellenberg: Nein, denn sie leisten bei weitem nicht das, was die Gripen geleistet hätten. Unabhängig davon, wie lange wir die Tiger behalten: Auf den F/A-18 werden wir keine einzige Stunde weniger fliegen, denn die Anzahl Flugstunden ergibt sich aus dem Ausbildungs- und Trainingsbedarf der F/A-18- Piloten. Wenn bis 2020 sukzessive die 24-Stunden-Bereitschaft der Luftpolizei kommt, werden die Flugstunden auf den F/A-18 steigen. Die dazu nötigen zusätzlichen 1000 Flugstunden hätten wir mit den Gripen leisten können. Mit den Tiger geht das aber nicht.
Weil sie nur tagsüber bei schönem Wetter eingesetzt werden können?
Schellenberg: Ja, und weil sie von Milizpiloten geflogen werden. Das ist dann völlig zufällig und hängt davon ab, ob diese gerade individuell trainieren oder einen WK absolvieren. Und wenn es darum geht, ein Zielobjekt zu identifizieren und abzufangen, wird im Ernstfall kein Verantwortlicher einen Tiger darauf ansetzen. Denn selbst wenn die Sonne scheint, nützt uns der Tiger nichts, wenn der zu identifizierende Flieger gerade in einer Wolke ist. Das ist ein viel zu grosses Risiko.
Und wenn das Ziel gut sichtbar ist?
Schellenberg: Dann kann der Tiger es mit Hilfe eines Fluglotsen, der ihn über Sprechfunk auf Sichtweite heranführt, zwar orten. Er kann aber keine Wirkung erzielen, da er im Alltag unbewaffnet ist. Deshalb leistet er keinen Beitrag an die Sicherheit unseres Luftraums. Die einzige Aufgabe, für die er noch sinnvoll brauchbar ist, ist die Darstellung eines Gegners für den F/A-18 oder die Fliegerabwehr. Für mich stellt sich die Frage, ob ich dafür 40 Millionen Steuerfranken pro Jahr ausgeben soll. Oder ob ich das Geld nicht besser in eine Lebensverlängerung des F/A-18, den Werterhalt der Helikopter oder andere Vorhaben investiere, die einen echten Sicherheitsgewinn bringen.
Der Tiger ist doch nicht unbewaffnet. Er hat zwar keine brauchbare Lenkwaffe, aber eine Bordkanone.
Reicht die nicht für den Luftpolizeidienst?
Schellenberg: Die Kanone kann nur auf kurze Distanz, ausserhalb der Wolken und nur tagsüber eingesetzt werden. Deshalb ist der operationelle Nutzen sehr gering.
Reichen die 32 F/A-18 für den Luftpolizeidienst, auch wenn zwei grosse internationale Konferenzen gleichzeitig stattfinden?
Schellenberg: Ja. Die Konferenzen in Davos und Montreux 2014 wurden mehrheitlich mit F/A-18 gesichert. Die Durchhaltefähigkeit ist aber beschränkt: Dass vier F/A-18 permanent in der Luft sind, halten wir etwa zweieinhalb Wochen durch.
Warum kostet eine Aufrüstung des noch einsatzfähigen Teils der Tiger-Flotte bei uns über eine Milliarde Franken, während es Brasilien für sechs Millionen pro Flugzeug schafft?
Schellenberg: Das hängt unter anderem damit zusammen, dass der Dollar damals viel stärker war, die Brasilianer also zehn Millionen Franken pro Flugzeug zahlen mussten und nicht sechs. Ausserdem haben sie keine neuen Lenkwaffen gebraucht. Eine sehr fundierte Machbarkeitsstudie des Herstellers der F-5 und der Ruag Aviation auf der Basis des Brasilien-Pakets hat 2011 ergeben, dass uns eine ähnliche Aufrüstung bis zu 1,2 Milliarden Franken kosten und acht Jahre in Anspruch nehmen würde.
Inzwischen gibt es billigere Varianten. Die Ruag rechnete Sicherheitspolitikern vor, dass für 250 Millionen ein «Upgrade light» etwa mit Instrumentenlandesystem und neuem Radar machbar wäre.
Schellenberg: Das sind ungefähr 10 Millionen pro Flugzeug, was dem Betrag entspricht, den Brasilien gezahlt hat, aber eine deutlich geringere Leistung bringt. Es fehlen unter anderem der Autopilot und die Lenkwaffe. Für den Luftpolizeidienst kann man den so aufgerüsteten Tiger nicht brauchen, da er ausser der Kanone keine Bewaffnung hat. Also kann ich ihn für nichts zusätzlich einsetzen als jetzt. Dann ist mir gar kein Upgrade lieber.
Ihr Vorgänger Markus Gygax sieht es anders. Er hat ein Memorandum unterzeichnet, in dem er den Betrieb der Tiger als notwendig bezeichnet.
Schellenberg: Ja, insbesondere weil er sich davon Einsparungen bei den Flugstunden des F/A-18 verspricht. Das ist aber ganz einfach eine Fehleinschätzung.
Kann Gygax, der sein Leben lang Pilot war, den F/A-18 eingeführt und die Luftwaffe vor Ihnen geleitet hat, nicht rechnen?
Schellenberg: Ich kenne seine Überlegungen nicht im Detail. Wenn er jedoch von denselben Zahlen ausgeht, welche die Ruag den Sicherheitspolitikern präsentierte, so kann ich nur anfügen, dass diese von vollkommen falschen – viel zu hohen – Flugstunden für die F/A-18-Flotte ausgehen.
Gygax argumentierte auch, dass man die Tiger aus quantitativen Gründen behalten müsse – sonst werde es nie mehr möglich, mehr als 32 Jets politisch durchzubringen.
Schellenberg: Das ist eine politische Einschätzung, die ich nicht weiter kommentieren möchte. Als Kommandant Luftwaffe habe ich keine Politik zu machen, sondern die Frage zu beantworten, ob wir dieses Flugzeug noch operationell einsetzen können. Und die Antwort lautet: nein.
Hat die verlorene Gripen-Abstimmung bewirkt, dass die Armee besonders empfindlich auf Kritik reagiert?
Schellenberg: Nein, im Gegenteil. Die Armeeführung nimmt Kritik sehr ernst und setzt sich damit auseinander.
Laut Ohrenzeugen haben Sie im Zusammenhang mit dem Tiger mehrfach den Ausdruck «Schnauze tief» verwendet. Liegen die Nerven blank?
Schellenberg: Nach meiner Erinnerung habe ich das einmal getan, natürlich mit einem Augenzwinkern. Es ging nach dem Nein zum Gripen darum, dass das Ergebnis mit Demut zu akzeptieren sei. Die Luftwaffe hat einen Volksentscheid nicht öffentlich zu kommentieren. Auch wenn viele von uns sehr frustriert waren, gilt «Schnauze tief»! Wenn es aber darum geht, die Meinung der Luftwaffe nach aussen zu vertreten, ist es eine Frage der Loyalität, sich nicht gegen die Interessen des Arbeitgebers zu wenden.
Gibt es noch genügend Piloten, die den Tiger fliegen können?
Schellenberg: In den nächsten zwei bis drei Jahren ist der Betrieb durch die aktuell in den Tiger-Staffeln eingeteilten Milizpiloten sichergestellt. Allerdings müssen wir dafür einigen Milizpiloten eine Ausnahmebewilligung für eine verlängerte Altersgrenze erteilen. Wenn man den Tiger noch zehn Jahre behalten würde, gäbe es nicht mehr genügend Milizpiloten. Dann müssten F/A-18-Piloten auf den Tiger rückgeschult werden, was wir in Einzelfällen jetzt schon tun. Damit verlieren wir jedoch an Durchhaltefähigkeit mit der F/A-18-Flotte, weil sich dort damit der Pilotenbestand verkleinert.
Welche Folgen hat das für die Patrouille Suisse?
Schellenberg: Auch da werden allfällige Lücken mit F/A-18-Piloten gefüllt, die um- beziehungsweise rückgeschult werden. Die Patrouille Suisse hat jetzt schon die Herausforderung, dass ein Pilot aus dem Team ausscheidet und man für den Ersatz einen Piloten suchen muss, der bisher noch nie Tiger geflogen ist.

 

Kommentare: 19

  1. Hohermuth sagt:

    Man kann auch alles schlecht reden. …. und das von der Luftwaffe selber! Ein paar der obersten LW Verantwortlichen wollen nur das allerbeste in Sachen Material und sind nict fähig in anderen Dimensionen zu denken oder sie wollen einfach einen neuen Flieger, was bis dann passiert ist denen egal. Es ist lächerlich wenn über 40 Mio. gesprochen wird, das ist Taschengeld. Es werden viel grössere Summen für Quatsch ausgegegben.
    Und was soll das betr. der Tiger hat keine Lenkwaffen? Stimmt doch nicht!

    • Roger HARR sagt:

      Sehr geehrter Herr Hohermuth
      Die Brennsätze der SIWA des TIGER sind leider abgelaufen. Es muss daher mit unkontrollierbaren Detonationen gerechnet werden. Die beiden Kanonen des F-5 reichen jedoch vollkommen für die Aufgaben des Luftpolizeidienstes. Wie die – übrigens wunderschönen – Fotos von Michael Waldvogel zeigen, kann der F-5 tatsächlich bei jedem Wetter fliegen. Er muss jedoch im Operationsbereich einigermassen Sichtbedingungen haben. Über den Wolken ist dies – auch an einem Tag wie heute – fast immer der Fall.
      Besten Dank für Ihr Engagement
      Roger HARR

    • Hohermuth sagt:

      Besten Dank für Ihren Kommentar.
      Dann müsste man eben ein paar neue SIWA besorgen. Die dürften günstig zu haben sein.

    • Roger HARR sagt:

      So ganz einfach wäre dies nicht! Die SIWA AIM 9P wird nicht mehr hergestellt und neuere Versionen stellen neue Ansprüche an die Avionik. Damit wären wir dann schon mitten in einen mittelgrossen Upgrade-Programm. Dieses würde zwar nicht die 1 – 1.3 Mia (inkl. Lenkwaffen für 54 Flugzeuge) kosten wie es vom VBS immer kommuniziert wird, aber dreistellige Millionensummen kommen auch für ca. 24 Flugzeuge rasch zusammen.
      Wichtig ist: Auch mit den beiden 20mm Kanonen kann der TIGER Luftpolizei Einsätze fliegen. Wer es nicht glaubt, der soll doch einmal beim Axalp-Schiessen in den Zielraum stehen…!

    • saf21th sagt:

      Könnte man denn nicht einfach die AIM-9X Lenkwaffen der F-18 nehmen? Und ich glaube kaum, dass diese unkontrollierbar detonieren können, denn am WEF werden sie weiterhin am Tiger eingesetzt.

  2. Hohermuth sagt:

    Hier noch die Aufstellung der möglichen Bewaffnungen
    Festinstallierte Bordkanonen2 × 20-mm-Maschinenkanonen Pontiac (Colt-Browning) M39A2 mit je 280 Schuss Munition
    Kampfmittel für maximal 3.175 kg an fünf Außenlaststationen und zwei Flügelspitzen-StartschienenLuft-Luft-Lenkflugkörper2-4 × LAU-100-Startschienen für je 1 × Ford/Raytheon AIM-9B/J/P-5/L „Sidewinder“ – infrarotgesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper
    4 × Startschienen für je 1 × Hughes AIM-7D „Sparrow“ – halbaktiver radargesteuerter Mittelstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper (nur F-20)
    4 × Startschienen für je 1 × Rafael „Python 4“ – infrarotgesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper (nur chilenische F-5E/F Tiger II)
    4 × Startschienen für je 1 × Rafael „Derby“ – radargesteuerter Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper (nur brasilianische F-5M)
    Luft-Boden-Lenkflugkörper4 × LAU-117A-Startschienenträger für je 1 × Raytheon AGM-65A/B „Maverick“ – infrarot- oder fernsehbildgelenkt
    4 × Martin Marietta AGM-12B „Bullpup“ – funkferngelenkt
    Ungelenkte Luft-Boden-Raketen2 × Raketen-Rohrstartbehälter LAU-10B/A für je 4 × ungelenkte Zuni-Luft-Boden-Raketen; Kaliber 127 mm / 5 inch
    4 × Raketen-Rohrstartbehälter LAU-3/A für je 7 × ungelenkte FFAR-Luft-Boden-Raketen; Kaliber 70 mm / 2,75 inch
    Ungelenkte Freifallbomben5 × Mark 81 LDGP (127-kg-Freifallbombe)
    5 × Mark 82 LDGP (227-kg-/500-lb-Freifallbombe)
    5 × Mark 82 “Snake Eye” (227-kg-Freifallbombe mit Bremsschirm)
    5 × M117A1 GP (Freifallbombe)
    1 × Mark 84 LDGP (907-kg-/2000-lb-Freifallbombe)
    5 × Mark 20 „Rockeye II“ (222-kg-/490-lb-Anti-Panzer-Streubombe mit 247 Mk.118-Bomblets)
    5 × CBU-24-Streubombe
    5 × CBU-49-Streubombe
    4 × BLU-1, 340-kg-Brandbombe
    2 × BLU-27/B (340-kg-/750-lb-Napalm-B-Bombe)
    2 × BLU-32/B (250-kg-Brandbombe)
    2 × British Hunting Engineering BL755 (254-kg-Streubombe mit 147 Bomblets mit Hohlladungen)

  3. Karl Rieder sagt:

    KKdt Schellenberg hat Recht! Es macht wirklich keinen Sinn, in veraltete Flugzeuge zu investieren und Lenkwaffen zu kaufen, wenn in 3-5 Jahren nicht mehr genügend F-5 Tiger Piloten vorhanden sind. Die jungen Jet-Piloten bildet man besser für den F-18 aus, damit auch rund um die Uhr eine Luftintervention möglich wird.

  4. Michael Waldvogel sagt:

    Innerhalb von knapp 4 Monaten werden dem Tiger seit Dezember 2014 fortan systematisch auch Luftpolizeieinsätze in Abrede gestellt! Cui bono?
    27.08.2014
    Interpellation Hans Stöckli, SP/BE – Antwort Bundesrat:
    „1. Operationell können die F-5 Tiger nur für Luftpolizeieinsätze bei Tag und gutem Wetter eingesetzt werden. Sie dienen auch als…“
    http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20143575
    Dez 2014
    VBS Military Power Revue Dez 2014 (S. 12 Spalte rechts Mitte) :
    „Die noch im Dienst stehenden Tiger F-5… genügen den Anforderungen weder im Luftpolizeidienst noch in der Luftverteidigung …“
    http://www.vtg.admin.ch/internet/vtg/de/home/dokumentation/publik_zeitrschr/military_power_revue.parsys.79525.downloadList.92644.DownloadFile.tmp/mpr214.pdf
    25.01.2015
    Interview oben: Aldo C. Schellenberg „Der Tiger F-5 ist gegen 40 Jahre alt. Für den Luftpolizeidienst ist er nicht mehr geeignet und schon gar nicht für Luftverteidigung. …“
    Folgende Tiger F-5 Foto-Serie in Meiringen (WEF Jan 2010) empfehle ich wärmstens zur Ansicht, speziell die Bilder unten „Tiger im Schneetreiben“ und auch punkto Bewaffnung
    http://www.luftundlicht.de/images/Galerie/2010/Meiringen%20Januar%202010/Meiringen%2029.01.10/index.html

  5. Roger HARR sagt:

    Sehr geehrter Herr Rieder
    Ich habe eine dezidiert andere Meinung als Sie. Eine Google Suche zeigt unzähligen Quellen, welche von einem Minimum von ca. 55 Kampfflugzeugen ausgehen, damit diese Aufgabe bei Bedarf längerfristig bewältigt werden könnte. Die Anzahl von 55 Kampfflugzeugen wird im Übrigen auch im Konzept zur langfristigen Sicherung des Luftraumes vom 27. August 2014 als Antwort auf das Postulat Galladé vom 12. Dezember 2012 genannt. Explizit wird auch dort formuliert, man müsse für einen länger anhaltenden Luftpolizeidienst mit zwei bis vier Flugzeugen mindestens 55 Kampfflugzeugen zur Verfügung haben. Luftverteidigung wäre zudem (Zitat) „noch anspruchsvoller“. Deshalb wollte man vor einigen Jahren zu den – damals 33 – heute noch 32 F/A-18 HORNET zusätzlich 22 Kampfflugzeuge GRIPEN als Teilersatz für die 54 F-5 TIGER beschaffen. In einer echten Krisensituation müsste die RUAG als ziviler Unterhaltsbetrieb mit den genannten 55 Flugzeugen einen enormen Effort leisten und in einen Schichtbetrieb übergehen um den enormen Wartungsaufwand der Tag und Nacht fliegenden Jets zu bewältigen.
    Nachdem sich die Luftwaffe so lange einig war, es brauche unbedingt 55 Kampfflugzeuge um länger als 20 Tage Luftpolizeieinsätze zu fliegen, plädierte die Luftwaffenspitze im Sommer des vergangenen Jahres plötzlich dafür – entgegen der Meinung von vielen Experten – die verbleibenden 54 F-5 TIGER auszumustern und den Luftpolizeidienst alleine mit den 32 F/A-18 HORNET sicher zu stellen. Damit will man genau das tun, was die Gegner des GRIPEN im Vorfeld der Abstimmung vom 18.5.2014 verlangt hatten. Man kommuniziert sogar, man könne mit den 32 Flugzeugen gleich zwei internationale Konferenzen ohne Hilfe aus dem Ausland schützen und geht gleichzeitig davon aus, in ca. zehn bis 15 Jahren wieder im Besitz von 55 Kampfflugzeugen zu sein. Das Parlament konnte davon nicht überzeugt werden und hat zum Glück die Notbremse gezogen. Der Nationalrat entschied am 22. September 2014 nicht auf die Vorlage zur Ausserdienststellung von Rüstungsmaterial (neben dem F-5 TIGER auch Kampfpanzer 87 Leopard und Panzerhaubitzen M109) einzutreten.
    Noch am 9. Dezember 2011 hat die Luftwaffe in einem Faktenblatt zum Leistungsspektrum des F-5 TIGER geschrieben (Zitat): “Die Milizstaffeln (mit den F-5 TIGER) unterstützen die Berufsformationen, wenn die 32 F/A-18 nicht genügen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine erhöhte Bereitschaft gefordert wird – beispielsweise während des World Economic Forum (WEF) in Davos. Die Tiger übernehmen während dieser Zeit gewisse Aufgaben im Luftpolizeidienst über dem Rest der Schweiz.” Plötzlich scheint dies nicht mehr zu gelten.
    Es wird argumentiert, der limitierende Faktor für die Flugstunden seien die F/A-18 HORNET Piloten welche für ihr Training so oder so 120 Stunden im Jahr fliegen müssen. Der angestrebte 24-Stunden-Betrieb der Luftwaffe soll zwar zu ca. 1000 zusätzlichen Flugstunden pro Jahr führen aber sonst solle es keine weiteren Veränderungen geben. Wenn die Luftwaffe – wie sie sagt – wirklich daran glaubt je wieder 55 Kampfflugzeuge zu haben, dann kann die Rechnung so nicht stimmen. Bald müssen zusätzliche Piloten ausgebildet werden welche eines Tages die geplanten 55 Flugzeuge bewegen müssen. Die Ausbildung eines Jet Piloten dauert sieben bis zehn Jahre. Diese neuen Piloten müssen zu einem grossen Teil schon ausgebildet werden, bevor die neuen Flugzeuge zur Verfügung stehen. Sie müssen ihr Training von 120 Stunden pro Jahr dann auf dem einzigen verfügbaren Jet, dem F/A-18 HORNET absolvieren. Dies so lange bis ein Nachfolger für den F-5 TIGER verfügbar ist. Von dieser zusätzlichen Stundenbelastung ist im Konzept der Luftwaffe nicht die Rede.
    In weiten Kreisen der Luftwaffe ist Kopfschütteln angesagt. Auf weitere prinzipielle Fragen liegen keine Antworten vor:
    • Glaubt man wirklich, man werde je wieder 55 Kampfflugzeuge haben, wenn man die Stückzahl der Kampfflugzeuge und die dafür notwendige Infrastruktur herunter schraubt?
    • Wo ist die Gesamtkostenanalyse für den Betrieb einer gemischten Flotte mit F/A-18 HORNET und den im Betrieb wesentlich günstigeren F-5 TIGER? Wir Leben im 21. Jahrhundert und Transparenz ist angesagt. Wenn die Einsparungen so klar sind, dann kann man es doch auch kommunizieren.
    Der verhängnisvolle Zick-Zack-Kurs der Armeespitze wird weiter geführt. Er macht sie unglaubwürdig und hat zum GRIPEN-Debakel geführt. Durch Armee und Luftwaffe geht ein Graben und die vielbeschworenen Reihen bei den Offizieren werden sich erst dann schliessen, wenn an der Spitze wieder logisch und nachvollziehbar entschieden wird.
    Mit kameradschaftlichen Grüssen, Roger HARR

  6. Elmar Hutter sagt:

    Es führt kein Weg an einer Aufstockung des Wehrbudgets vorbei, um die Systeme der Luftraumverteidigung angesichts der Arglist der Zeit kurzfristig dem Stand der internationalen Lage anzupassen. Das Parlament ist gefordert, die entsprechenden Kredite – auch im Rahmen eines Konjunkturprogrammes für die Schweizer Industrie – zu bewilligen.

    • Fritz Kälin sagt:

      Das Interview mit Schellenberg zeigt doch ganz klar: Geldsorgen sind beileibe nicht die grösste Sorge dieser Luftwaffe.
      Wenn die Armee insgesamt unter Geldmangel leidet, dann deshalb, weil immer auf Kosten der kosteneffizienten Miliz ‘gespart’ wird.
      Wenn in den USA ein A-10 zugunsten eines F-35 ausgemustert werden soll, dann stecken dahinter ‘wenigstens’ handfeste Interessen einer gigantischen Rüstungsindustrie.
      Wenn aber der Chef der Schweizer Luftwaffe (nicht die GSoA, nicht die SP, nein, der Chef unserer Luftwaffe!) mit himmelschreiend peinlichen Argumenten darum bettelt, dass man ihm ohne absehbaren Ersatz über die Hälfte seiner Flotte wegnimmt… warum ordnet er nicht gleich einen Luftangriff auf die eigene Luftwaffe an? Ach ja, wir haben ja gar keine Luft-Boden-Kapazitäten mehr…

  7. Peter Bosshard sagt:

    Roger Harr trifft mit seinen Argumenten ins Schwarze! Die Glaubwürdigkeit unserer Armee nimmt weiterhin Schaden, so lange unsere Armeeführung ihre eigene Argumentation beliebig nach “Gusto” zurechtbiegt bis diese wieder ins Bild der eigenen Vorstellungen passt. Das ist auch mit dem Flugplatz Dübendorf der Fall wo seit je Kostengründen angeführt wurde ohne den Tatbeweis zu liefern. Dieser wird nun faktisch wegen ca. 6-8 Mio jährlichen Kosten geopfert.

  8. Markus Gisel sagt:

    In der Diskussion um die Flottengrösse unserer Luftwaffe bzw. um die 365 x 24 Stunden Luftraumüberwachung wird auch immer wieder die lange Ausbildungszeit der Piloten, genauer, der Berufspiloten, als Knackpunkt ins Feld geführt. Ich frage mich ernsthaft, ob es nicht angebracht wäre, diese Ausbildung zu reformieren. Es ist natürlich begrüssenswert, dass der Bund bei der Rekrutierung unserer Militärpiloten an deren berufliche Zukunft und diesbezügliche Flexibilität auch im zivilen Sektor denkt und ihnen als Zugabe eine 1a-Zusatzausbildung mit akademischen Abschluss anbietet. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Wie wäre es aber, wenn man, wie früher, das Fliegerhandwerk in den Vordergrund stellen und zum alten System zurückkehren würde, bei dem zuerst, bereits mit Eintritt in die RS, die Fliegerschulen durchlaufen und die Pilotanwärter nach abverdienen des Unteroffiziersranges brevetiert wurden? Ich wage zu behaupten, dass es keinen Bachelor und schon gar keinen Master braucht um einen Kampfjet zu fliegen. Falls gewünscht und/oder für die Offizierslaufbahn unbedingt erforderlich, könnte diese Ausbildung ja immer noch angeboten werden, allenfalls berufsbegleitend. Damit könnte m.E. wieder eine grössere Flexibilität erreicht und die flächendeckende Luftraumüberwachung viel schneller erreicht werden.

  9. Alexander Steinacher sagt:

    Hier wird das ganze Elend nach der verprassten Gripen-Abstimmung sichtbar. Der Souverän, der entschieden hat, merkt nichts davon, einige (GsoAten) lachen sich ins Fäustchen und der Bundesrat schläft weiter. Die absurde Situation; Der Souverän sagt ja zum Verfassungsartikel Armee, ja zur Wehrpflicht und “erschrickt” dann ab einer für die meisten nicht vorstellbaren und schwer in ein Budget integrierbaren Buchzahl von 3 Milliarden. Fazit: Njet. Die direkte Demokratie ad absurdum geführt. Ist einmal ein Grundsatzentscheid gefällt – Armee ja, Wehrpflicht ja – sollte die Finanzierung und Ausführung der Regierung und den Fachleuten überlassen werden können. Kontrollinstrumente gibt es dahinter genügend.

  10. Hans Ulrich Suter sagt:

    Ich habe es schon mal gesagt, die Armeespitze würde erst merken wie schlimm es um die Armee wirklich ist, wenn man die Rangstufen den effektiv befehligten Truppen anpassen würde. Dass es damit keine Divisionäre mehr geben würde (da keine Divisionen mehr) versteht sich schon mal von selbst, da kann man schon mal ein paar blaue Briefe schreiben: “Wegen Umstrukturierung (Armee 21, WEA) sehen wir uns leider gezwungen auf Ihre Dienste in Zukunft zu verzichten. Sehen Sie das nicht als persönliche Bewertung Ihrer Leistung. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg in Ihrer zivilen Karriere” .
    Zur Luftwaffe, diese ist bekanntlich schwächer (nominal und das ist das entscheidende Kriterium) als die Luftkampfgruppe eines amerikanischen Flugzeugträgers, kommandiert vom sog. CAG (der hat den Rang: Kapitän zur See, also Oberst, haben wir ja oft genug in Film und Fernsehen gesehen!). Ergo muss man als Kommandanten der Luftwaffe einen Obersten einsetzen, Brigader ginge auch, aber ist dann schon nur für jemanden kurz vor dem aD. Was will ich da mit Herrn Korpskommandant Schellenberg? Und da man bekanntlich in der Schweizer Armee nicht degradiert, kann man ihn von mir aus entlassen oder eine andere Verwendung suchen.

  11. Richard Maurer sagt:

    ich unterstütze die Argumente von Fritz Kälin. Wir haben einen blutigen Krieg in der Ukraine, bei dem man leider nicht weiss, ob er sich nicht zu einem europäischen Konflikt ausweiten könnte.
    Wenn Schellenberg unter diesen Umständen die Luftwaffe verkleinern will, handelt er sicherlich nicht im Interesse und Auftrag der Schweiz.
    Uebernimmt Schellenberg vielleicht gar Ratschläge “eines Onkels” im Council of Foreign Relations, wenn er mit einer solchen negativen Agenda auftritt??
    Hat nicht schon “unser bester Freund, die USA” versucht, uns die Tigerflotte durch Abkauf zu verkleinern?? Sonderbar, die USA rüsten immer noch massiv auf, sind aber offensichtlich bemüht, die Verteidigungskraft ihre “Verbündeten und der sogenannt Neutralen” zu beschränken..
    Es wäre sicherlich im Interesse aller, wenn die Schweiz endlich aus dem unsäglichen Vertrag Partnership for Peace, austreten würde. Laut gut informierten Quellen nehmen die Leute dieser aggressiven NATO-Organisation fortlaufend Einfluss auf unsere Streitkräfte. Das Ergebnis ist allenthalben sichtbar..

  12. Hans Ulrich Suter sagt:

    Man beachte den letzten Satz: “Zurückgeschult”…… das heisst, wenn ich als Autofahrer mal das Fahrrad nehme werde ich dann auch “zurückgeschult”? Ich habe bisher gemeint, beim Fliegen kriege man Typenzulassungen… Der Satz zeigt mir, mit welchem Hass in dieser, unserer Luftwaffe auf den Tiger reagiert. Das erklärt einiges, auch das Verhalten der Lutwaffenoffiziere in Bezug auf den Gripen. So geht das meiner Meinung nach nicht.

  13. Fritz Kälin sagt:

    In den USA waibeln Leute wie Schellenberg dafür, den A-10 auszumustern, um ‘Geld für den F-35 freizumachen’.
    Wer’s noch nicht gesehen hat, unbedingt ansehen, damit man für die nächste Fliegerdebatte bei uns gewappnet ist:
    https://www.youtube.com/watch?v=mxDSiwqM2nw

    • Karl Rieder sagt:

      Im youtube Video wird der F-35 als “lemon”, d.h als schlecht, Versager oder Niete kritisiert.
      KKdt Schellenberg hält wohl auch nicht viel von diesem Flieger, drückt sich aber sehr diplomatisch aus. In der Weltwoche Nr. 48/2014 antwortet er auf die Frage: Wäre auch der F-35 eine sinnvolle Option [für die Schweiz]?
      “Der F-35 ist ein Flugzeug, bei dem man noch nicht genau weiss, was es wirklich kann und was es in der Anschaffung und im Unterhalt kostet.”
      Begeisterung tönt anders!

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