Weltwoche Editorial: Was die Armee bringt
Kürzlich hielten angeblich kenntnisreiche «Headhunter» in einem Beitrag des Schweizer Radios fest, dass die Schweizer Armee als Rekrutierungsinstrument von Führungskräften ausgedient habe. Die beim Militär vermittelten Techniken seien überholt, nicht mehr zeitgemäss, den Einfühlungs- und Kommunikationsbedürfnissen heutiger Generationen nicht mehr angemessen. Ich halte dies für einen glatten Irrtum.
Der Erfolg von Schweizer Unternehmen hatte mit Sicherheit immer auch entscheidend damit zu tun, dass die Armee eine Lebensschule der Menschenführung war. Sie bot aufstrebenden Jungoffizieren die Möglichkeit, ihre Führungsqualitäten vor einer buntgemischten Truppe zu erproben. Das Militär hat aus führungstechnischer Sicht den herausfordernden Vorteil, dass sich der Vorgesetzte seine Untergebenen nicht selber aussuchen kann. Er muss also über Alters-, Bildungs- und Sprachgrenzen hinweg Menschen dazu bewegen, seinen Befehlen zu folgen, seine Autorität anzuerkennen.
Dass militärische Führungstechniken im engeren Sinn überholt sein sollen, halte ich für ausgemachten Unsinn. Armeen waren geschichtlich immer auf den Ernstfall ausgerichtet. Ihre Führungstechniken und Führungsstrukturen mussten unter extremen Belastungen funktionieren. Das macht sie auch für unternehmerische Aufgaben interessant. Die Schweizer Armee war zudem immer auch eine Lebensschule der Begegnung, in der man Kollegen in Extremsituationen kennenlernte und allmählich zu beurteilen verstand.
Aus solchen Bekanntschaften und Erkenntnissen sind hervorragende Teams in der Wirtschaft hervorgegangen. Wer es nicht erlebte, verspürt zeitlebens eine Lücke an interessanten Erfahrungen. Sollte die unverzichtbare Institution tatsächlich abgeschafft oder für berufsmässige Militärbegeisterte reserviert werden, wäre dies ein weiterer Schritt in der unnötigen Abschaffung schweizerischer Standortvorteile. Die Schweiz braucht möglicherweise keine teuren Kampfflugzeuge, aber sie braucht eine Armee, in der sich Beziehungen knüpfen lassen, von denen das Land in allen zivilen Sphären profitiert.
Quelle: weltwoche.ch 36/13