Bericht zur GSoA-Vollversammlung vom 15. April 2012 in Solothurn
Ingesamt waren im 30. Jubiläumsjahr der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) um die 50 Personen anwesend, darunter 2 Kameraleute des Schweizer Fernsehens (SRF/RTS). Die Berichterstattung im Schweizer Fernsehen erfolgte in der 1930 Uhr-Tageschau (25-Sek.Beitrag (ab 4.05 – 4.30 der Gesamttagesschau). Die Vollversammlung moderierte alt Nationalrat Joe Lang, Zug.
von Theo Biedermann, Major a D, Cham
Jahresrückblick:
Die GSoA blickt zurück auf einen erfolgreichen Sommer 2011 [die verlorene Abstimmung im Februar spricht man lieber nicht an], in welchem über mehrere Wochen und in der ganzen Schweiz Unterschriften für die GSoA-Initiative zur Abschaffung der Wehrpflicht gesammelt wurde. Das Sammeln der Unterschriften erfolgte insbesondere an verschiedenen Pop-Konzerten und Festivals. Als Resultat konnte anfangs 2012 die Wehrpflichtinitiative mit 106‘995 Unterschriften eingereicht werden.
Die Herbstsession des Parlamentes war aus Sicht der GSoA durch zwei Schwerpunkte geprägt:
- Die aus GSoA-Sicht als „Erhöhung“ [!] betrachtete Festlegung der Armeegrösse auf 100‘000 Mann (statt der vom Bundesrat vorgesehen 80‘000 Angehörigen der Armee) sowie einem Budget von 5 Mia CHF und dem Vorentscheid des Bundesrates über die Beschaffung von 22 neuen Kampfjets des Typs Saab Gripen.
- Streubombenkonvention, zu der die GSoA eine Petition lancierte und symbolisch den Bundesplatz absperrte bzw. mit dem Hinweis „Stopp Streubomben“ zur Sonderzone erklärte,
Die GSoA betrachtete 2011 auch als ein Rekordjahr für Kriegsmaterialexporte aus der Schweiz, so u.a. “Pilatuskampflugzeuge” [!] und Mowag-Panzer in den Arabischen Raum.
Kampfjet-Debatte:
Alt Nationalrat Joe Lang nahm zuerst Bezug auf das Buch „Das Durcheinandertal“ von Friedrich Dürrenmatt (1989). So sieht er heute zur grossen Freude der Armeegegner die Situation im VBS sowie in Bundesbern (Parlament und Bundesrat) als ein Durcheinander in sicherheitspolitischen Fragen. Die Reaktion auf die Verschiebung des geplanten Saab Gripen Kampfjet-Kaufs auf 2020 sei praktisch ohne Reaktion geblieben. Wenn das Flugzeug schon verspätet beschafft werde, so würde es dann keine Rolle mehr spielen, ob es noch später käme oder gar nicht. Nach 2020 mache die Gripen-Beschaffung sowieso keinen Sinn mehr, weil dann der Ersatz des F/A-18 anstehe. Er gehe davon aus, dass es die Strategie des VBS sei, eine „Einflossen-Politik“ durchzusetzen. Damit sei eine Beschaffung des Gripen nach 2020 schwer vorstellbar und eine Kampfjetbeschaffung würde damit zunehmend unglaubwürdiger.
Neben dem Durcheinander um die Flugzeugbeschaffung herrsche auch ein Durcheinander aus finanzpolitischen Gründen. So sei die Finanzministerin BR Eveline Widmer-Schlumpf, BDP dagegen, die Energieministerin BR Doris Leuthard, CVP sei dagegen, weil der Atomausstieg finanziert werden müsse und sie nicht bereit sei, wegen der Flugzeugbeschaffung 170 Mio CHF in ihrem Departement einzusparen. Weitere Einsparungen zugunsten der Rüstungsbeschaffung müsste das Departement des Innern mit 325 Mio CHF machen, das Volkswirtschaftsdepartement 125 Mio sowie andereDepartemente 130 Mio CHF. Politisch käme die CVP aufgrund der Struktur ihrer Parteimitglieder am meisten unter Druck wegen den Sparmassnahmen. Daher möchte Sie die Erhöhung des Armee- budgets wieder rückgängig machen und auch die Zahl der Armeeangehörigen auf 80‘000 senken. Zudem habe die CVP kein Interesse an einem Abstimmungskampf [Anmerkung des Berichterstatters: weil sie dann ihre zunehmend armee-feindliche Haltung öffentlich machen müsste]. Es sei also nun offen, was das neue Parlament bezüglich den Grössen 5 Mia CHF, 100‘000 Angehörige der Armee und Kampfjets entscheide.
Die Strategie der GSoA sei es, ein Bündnis mit politischen Gruppen aufzubauen, die drohen Sparopfer zu werden und über ein mögliches Referendum zu den geplanten Sparmassnahmen den Kampfjet-Entscheidzuverhindern. [AnmerkungBerichterstatter: clevere, indirekte Strategie]
Die GSoA wolle auf die Grundsatzfrage fokussieren, dass es die Kampfjets gar nicht braucht. Die Schweiz habe allein mit den 33 F/A-18 Kampfjets die dichteste Luftraumüberwachung Europas. Die Schweiz habe sich in den letzten Jahren in Sachen Aufrüstung zurückgehalten [Anmerkung des Berichterstatters: Die Schweizer Armee hat massiv abgerüstet und Waffensysteme verschrottet]. Die GSoA betrachte die geplante Kampfjetbeschaffung als Wendepunkt in der Abrüstung. Um die Gefahr einer Wiederaufrüstung zu bannen, müsse diese Kampfjetbeschaffung durch ein Referendum gegen die geplanten Sparmassnahmen bekämpft werden, wobei dies voraussichtlich frühestens im September 2012 möglich werde. Mit dem Referendum gegen die Sparmassnahmen in Bildung und Sozialausgaben etc. wolle man die Erhöhung der Militärausgaben und damit auch die geplante Beschaffung der neuen Kampfflugzeuge verhindern. Die Finanzerwaltung im Departement von BR Widmer-Schlumpf habe diesbezüglich [Aussage von Joe Lang] eine Klausel in der Beschaffungsvorlage der Kampfjets angebracht, dass bei einem Referendum des Parlamentes durch die geplanten Sparmassnahmen die Beschaffung verhindert werden könnte.
Alt Nationalrat Joe Lang betonte noch einmal, dass die GSoA daher unbedingt ein Bündnis mit allen politischen (auch bürgerlichen) Lagern suchen müsse, welche die geplanten Sparmassnahmen ver- hindern wollen und damit helfen könnten, die Beschaffung der Kampflugzeug zu verhindern. Eine weitere Möglichkeit die Kampfjetbeschaffung zu verhindern, bestehe darin, das VBS zu diskreditieren. In der anschliessenden Diskussion bringt ein Mitglied aus der Westschweiz die EU-Antikorruptionsbehörde „GRECO“ [!! ausgerechnet ein Wort mit Griechenland-Wurzel!!] ins Spiel. Man müsste aufzeigen, dass die Schweizer Armee immer zu teuer einkaufe. So seien z.B. die Hawk-Lenkwaffen 29% zu teuer eingekauft worden. Man müsse die herrschende Korruption bei der Rüstungsbeschaffung durch die Presse diskreditieren und denocieren.
Die Abstimmung zur Frage, ob die GSoA das Referendum gegen die Kampfjets und die Erhöhung der Militärausgaben ergreifen solle, wurde einstimmig von allen Anwesenden angenommen.
Im Anschluss daran erfolgte ein Referat von Rolf Lindahl von der Swedish Peace and Arbitration Society (SPAS). Dieser zeigte die Entwicklung des SAAB Gripen als Misserfolgsgeschichte auf (Diverse Flugzeugabstürze ab erstem Flug im Jahr 1989, zu teure Entwicklungskosten etc.) Zudem seien gemäss der Homepage von SAAB 50% des Flugzeuges aus Teilen hergestellt, welche aus den USA stammten (so u.a. sei der Flugzeugantrieb von General Dynamics).
Der Vormittag endete in einer gemeinsamen Erklärung, welche auch in der oben erwähnten Tagesschau gezeigt wurde. SPAS und GSoA wollen gemeinsam versuchen, den Saab Gripen Kampfjetverkauf (Schweden 9 bzw. Kampjetkauf (Schweiz) zu verhindern. Am nicht mehr besuchten Nachmittag fanden noch diverse Workshops statt.