Die Folgen der Finanzkrise für Europas Sicherheit
Der Streit um die künftige Wirtschafts- und Währungspolitik dominiert nicht nur die Schlagzeilen in Europa, sondern hat auch im transatlantischen Verhältnis zu einer bemerkenswerten Veränderung geführt. Wurde in der Vergangenheit häufig beklagt, dass die euro-amerikanischen Debatten allzu sehr von der klassischen Sicherheitspolitik beherrscht würden, so dominiert derzeit die Frage, auf welcher Seite des Atlantiks die besseren Rezepte zum Abbau der Staatsschulden entwickelt werden. Aus dem Blick gerät dabei leicht, dass die transatlantischen Beziehungen sowohl eine sicherheitspolitische als auch eine wirtschaftspolitische Dimension haben und dass es zwischen beiden sogar eine Verbindung gibt. Dabei geht es auch, aber nicht nur um die Frage der Lastenteilung – wer also welche Mittel für gemeinsame Aktivitäten und Ziele in der Nato aufbringt.
Artikel bei nzz.ch – Tipp von TB
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“Smart defense” = aus den kaputtgesparten Überresten von ca. 20 europäischen Armeen soll jeweils das noch brauchbare zu einer ‘just-in-time-ad-hoc-Armee’ zusammengekratzt werden. Ob man Militärmacht aus unterschiedlichen Nationen beliebig zusammensetzen kann? Woher kommen Kohäsion, Kampfkraft, Korpsgeist?
Und, wie lange wird man sich streiten, bis man sich auf eine Oberkommando verständigen kann? Und, wenn es endlich so weit ist, wer ist dann dominierend? Das 20. Jahrhundert lässt grüssen.
Ersetzen wir die Sowjetunion bzw. Russland in folgendem Zitat* durch die EU/ europäische Staaten (Afghanistan können wir sogar belassen…):
“The current state of the Russian armed forces acts as a brutal reminder of the wider contexts of military power. It was not failure in Afghanistan that was responsible for their crisis in the 1990s, but rather the political disintegration of the Soviet Union and the governmental and financial weaknesses of Russia. The state could no longer support its forces, and they became weak and divided, and thus far less able to maintain their effectiveness or to fulfil military functions.”
* Jeremy Black: War – Past, Present & Future, Thrupp/ Stroud/ Gloucestershire 2000, Sutton Publishing, S. 290.
Wie lange wird es dauern, bis die Nachbarn Europas erkennen, dass sie vor den Europäern den Kopf militärisch bald nicht mehr einzuziehen brauchen? Und wie wird es mit Frieden und Stabilität im Innern Europas stehen? Wo das staatliche Gewaltmonopol ernsthaft in Frage gestellt ist, wird es früher oder später auch herausgefordert. Gleichzeitig verliert der ‘versagende Staat’ auch in den Augen jener, die er eigentlich (im Austausch gegen Steuern etc.) schützen sollte, an Legitimität.
Natürlich: Volksabstimmungen, Subsidiaritätsprinzip, Föderalismus, unbestechliche Beamte/Richter/Polizisten(=Staatsgewalt) und institutionell gelebte Toleranz können helfen, dass heikelste politische Fragen ‘zivilisiert’ und gewaltfrei entschieden werden. Vielen europäischen Ländern fehlen aber einige oder sogar die meisten dieser ‘Ventile’, um in den anstehenden Verteilungskämpfen. Ob europäische Solidarität derlei wettmachen vermag? Wir werden es erleben.
Die Frage für unseren Blog hier ist: mit was für einer Armee wollen wir in der Schweiz diese Zeiten erleben?
Mir schien es auch ein bisschen wie das Wunschdenken eines “free riders” (Terminologie für einen der am “Burdensharing” der NATO nicht teilnimmt). Was natürlich richtig ist, ist die Verlagerung der US Anstrengungen in den pazifischen Raum. Aber gerade darum müsste sich Europa mehr anstrengen, denn es ist nicht möglich die US-Streitkräfte so ohne weiteres nach Europa zu verlegen, denn erstens sind ja eben anderswo beschäftigt und zweitens braucht Europa eine ganz andere Ausrüstung, Training und Einsatzdoktrin: Oder prägnant formuliert: Was will man mit einem Flugzeugträger und U-Booten in den Alpen?
Hallo Herr Suter, liebe Giardino-Freunde, Sie sprechen in anderer Form das an, was die Schweizer Regierung und Armeeführung im 2ten WK und im KaltenKrieg verinnerlicht hat. Und bis auf Stufe Zugführer, in allen Kursen und Uebungen, im Mittelpunkt jeder taktischen Ueberlegung stand.
Unser Gelände, die topografischen Gegebenheiten (kombiniert mit wirkungsvollen Geländeverstärkungen), darin eine Truppe trainiert und beübt im Abwehrkampf,
(Standardsituationen im vertrauten, ausgewählten Gelände), ermöglichen den erfolgreichen Kampf, auch gegen einen Gengner der zahlenmässig und technisch überlegen ist.
Ich staune immer wieder, wie wir Schweizer europä- ische Dimensionen in die taktischen Ueberlegungen hineintragen. Diesem Denken erliegen viele seit aBR Ogi und aKK Kekeis, auch armeebefürwortende Politiker.
Rückbesinnung auf den Kampf-Auftrag: Standort halten durch:
– sichern der Grenzen und des Luftraums
– führen des Abwehrkampfs mit ortfesten und mechanisierten Kampfverbänden
– verhindern von Durchmarsch und Besetzung auf unserem Territorium
Wenn wir unsere Landesverteidigung glaubwürdig organisieren und die bewaffnete Neutralität hochhalten, kann die NATO (oder Teile davon) der Agressor sein. Falls es eine andere Macht ist, wird diese kaum “nur” die kleine Schweiz angreifen. Für diesen Fall würde uns die NATO (ohne besonderes Dazutun) Flankenschutz sicherstellen. Dafür ist eine taktische Kompatibilität erwünscht, aber keine falls unbedingt notwendig (schon gar nicht für den Preis der Aufgabe unserer Neutralität).
Rückbesinnung auf unser Können: Es liegt mir fern einen Mythos zu beschwören, aber wenn die Generat-ionen, welche für den Schutz der Schweiz im letzten Jahrhundert verantwortlich waren, recht hatten, dann in diesem Punkt. Nämlich das das Denken in den richtigen Dimensionen. Das Symbol dafür hat überlebt, nämlich der Igel. Noch heute sprechen Linkspolitiker von “ein-igeln”, wenn sie den Alleingang der Schweiz in Europa anprangern.
Auf dem Höhepunkt des KaltenKrieges (Landesaus- stellung 1964 in Lausanne) hat die Schweiz mit diesem Symbol (Igel kombiniert mit dem Slogan “Die wehrhafte Schweiz”), im Pavillon der Armee (360o Projektion und Dolbysound, damals ein technisches Highlight)ein unmissverständliches Zeichen gesetzt, für jeden der es wissen wollte. Es waren viele auch aus dem östlichen Ausland und der DDR (als Historiker wissen Sie das ja schon).
Trotz globalisierter Wirtschaft, und Gigantismus soweit das Auge reicht, falls auch die kommenden Generationen die Schweiz, als das was sie ist (ein kleines Land im Herzen Europas)bewahren wollen, werden sie nicht darum herum kommen, den Kampf auf diesem Territorium zu führen. Dafür ist die Rückbesinnung auf das was wir können und müssen, eine unabdingbare Voraussetzung.
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