Perspektiven 2030 – Eine Analyse (Teil 3: Inhalte der Szenarien: "Stockender Verkehr")

Perspektiven 2030 – Eine Analyse (Teil 3: Inhalte der Szenarien: "Stockender Verkehr")

[Szenario 2] Stockender Verkehr
Rasanter technologischer Fortschritt und die Rivalität zwischen den USA und China geben im zweiten Szenario den Ton an. Der Wettlauf um Rohstoffe „resultiert in einem technologischen Fortschritt.“ Die transatlantischen Bindungen zwischen den USA und der EU werden stärker. Auf der anderen Seite nähern sich China und Russland an. „Die Schweiz hat Mühe, ihre politische und wirtschaftliche Stellung in der Welt zu behaupten. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sind abgekühlt. Der Ausbau von Handelsbeziehungen mit anderen, nichteuropäischen Staaten braucht eine gewisse Zeit. Auch die wirtschaftliche Vernetzung mit anderen Erdteilen – namentlich Asien – ist eher schwach ausgeprägt.“
Auch hier erscheint die Schweiz nicht in der Lage, ihr Los aus eigener Kraft zu beeinflussen. Dass ihre bis 2030 verschlechterte Situation selbstverschuldet sein könnte, weil die Landespolitik eine zu eng und zu einseitige „Vernetzung“ mit der transatlantischen Welt eingegangen ist, darauf muss der Leser selber kommen.
Die schwache Vernetzung der Schweiz resultiert auch in verminderter Zuwanderung, Arbeitskräfte können weniger im Ausland rekrutiert werden.“ Jetzt werden die Frauen offenbar weniger im Namen der Gleichstellung ‚für den Arbeitsmarkt rekrutiert‘, sondern als Ersatz für die nicht mehr greifbaren Ausländer. Nur ist für die Frauen damit– anders als im 1. Szenario – eine Doppelbelastung verbunden, weil für die Betreuung von Kinder und Alten nun weder Ausländer noch weibliche Verwandte‘ vorhanden sind. Wer würde sich eigentlich im 1. Szenario um die Jungen und Alten kümmern?
Geopolitische Machtverhältnisse bei [2]: Freihandelszone USA-EU [TTIP]. China bildet demgegenüber in seinem Umfeld einen eigenen Machtblock. Beide Blöcke schliessen einander durch protektionistische Massnahmen vom Marktzugang aus und konkurrieren um Einflusssphären und Rohstoffe. (Dies fördere zugleich neue Technologien zur Effizienzsteigerung.)
Bei der detaillierten Darstellung von [2] stellt sich auf S. 29 die nördliche Halbkugel 2030 in zwei Freihandelszonen (TTIP und die Shanghai Cooperation Organisation) aufgeteilt dar, wobei interessanterweise die Schweiz, die Ukraine und die Türkei zu den wenigen Staaten gehören, die dann in keiner der beiden Freihandelszonen eingebunden sind. „Da die EU vor der Schweiz ein Freihandelsabkommen mit den USA abschliessen konnte, ergaben sich für die Schweiz erhebliche Wettbewerbsnachteile.“ Dass die Schweiz bereits heute und damit lange vor der EU einen direkteren Zugang zum chinesischen Markt ausgehandelt hat, scheint hier nicht berücksichtigt worden zu sein.
Bedrohungslage in und ausserhalb der Schweiz [beim ersten Szenario gab es nicht einmal eine Bedrohungslage]: Drittstaaten hätten zwischen den beiden Blöcken mehr Spielraum, „was zu lokalen und regionalen Kriegen führt.“ Offenbar ist jedes Mehr an souveräner nationalstaatlicher Politik in den Augen der Studie zwangsläufig mit ‚mehr Krieg‘ verbunden? Der Schutz vor Cyberbedrohungen werde schwieriger, „da der Austausch von Knowhow aufgrund der mangelnden Vernetzung zwischen Staaten und privaten Akteuren erschwert ist.
Schweizer Arbeitsmarkt [auch dieser war bei [1] gar kein eigenes Thema]: Zuwenig Einwanderung, gleichzeitig Abwanderung von jungen und gut qualifizierten Schweizern und Schweizerinnen „auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Perspektiven, insbesondere in den USA und in Asien“.
[Ausgesuchte] Gewinner bei [2]: Primärsektor und handwerkliche Berufe; Frauen; „Flexible und mobile Arbeitnehmer“.
[Ausgesuchte] Verlierer bei [2]: Tertiärer Sektor; Import- und exportorientierte Unternehmen; Finanzplatz; „Frauen, hinsichtlich der Doppelbelastung Familie und Beruf“.

 

Kommentare: 5

  1. Willy Stucky sagt:

    Ohne die Weisheit ihrer Experten wäre die Schweiz verloren. Ihre Experten haben den Mauerfall vorausgesehen. Sie haben die ökonomische Krise vieler EU-Mitgliedstaaten vorausgesehen. Sie haben den Zerfall Syriens und das Entstehen eines islamistischen Staates vorausgesehen. Sie haben die Renaissance des europäischen West-Ost-Konfliktes vorausgesehen. Sie haben die Renaissance des uralten Konfliktes zwischen China und Japan vorausgesehen. Und sie haben alle diese Gefahren in schönen Szenarien beschrieben, sonst wären wir Trottel davon jeweils völlig überrascht worden.

    • Fritz Kälin sagt:

      Wenn man die sicherheitspolitischen Entscheide in Bern der letzten 20 Jahre bedenkt, kommt man zum Schluss, dass man dort ganz, ganz, ganz fest mit dem Eintreten des Szenarios ‘Überholspur’ rechnet. Das wäre eine Welt, in der Machtpolitik, islamistische Extremisten, Massenflucht nach Europa, nationale Eigeninteressen etc. auf wundersame Weise verschwunden sind – und die Schweiz irgendwie auch. Wozu dann noch eine Schweizer Armee…

  2. Hans Ulrich Suter sagt:

    @Stucky: Vor allem haben die Experten den ewigen Frieden vorausgesehen und dass es in Europa nie mehr Krieg geben wird. Europa ist unterdessen auf “Westeuropa” geschrumpft, bald wird die Aussage auf Monaco beschränkt. Vergessen wir nicht die Experten die vom Cyberwar sprechen, während gleichzeitig im Sudan die Leute mit Buschmessern aufeinander losgehen. Und die Experten die von “Völkerrecht” schwafeln, wenn die USA ihre “Kriegsgefangenen” mit mittelalterlichen Methoden foltert. Im Detail sind die “Experten” auch hervorragende Informatikmanager, z.B., beim FIS-HEER. Dass diese Experten der Artillerie die Munition, der Luftwaffe die Kampfflugzeuge wegnehmen und durch ein Transportflugzeug ersetzen wollen, aufgemotzte SchüPas wegen Alters verschrotten, währenddem dieselben SchüPas in den Nachrichten patroullieren, die Sprengsätze aus Brücken und Tunneln entfernen, eine vollausgerüstete Infanterie durch eine Schauspielertruppe (Aufwuchskonzept) ersetzen, mag uns als Wahnsinn erscheinen, hat aber Methode….

  3. Walter Häcki, Engelberg sagt:

    Wie sagte Wilhellm Busch:
    erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
    Ich habe auch die Szenarien von Professor Francesco Kneschaurek, St Gallen aus den frühen 60er Jahren miterlebt, die Schweiz habe im Jahr 1980 10 mio Einwohner, was in der Schweiz einen Bauboom ausgelöst hatte, bis der Erdölschock von Frühjahr 1974 allem ein Ende setzte und in der Schweiz grosse Arbeitslosigkeit brachte, stärker als in den 30er Jahren,
    Dazu noch die 68er Studenten. welche nach ihrem Marsch durch die Institutionen noch immer in Medien, Aemter, Gerichten und Schulen ihr Unwesen treiben, auch in der Armee.
    Ceterum censeo: wir müssen uns/ Giardino auf das WEA-Referendum vorbereiten

Kommentare sind geschlossen.