Es bleibt bei der Armeehalbierung

Es bleibt bei der Armeehalbierung

Sicherheitspolitiker beharren auf der aktuellen Streitkräftereform – trotz Obama und Putin
Von Beni Gafner, Bern (Quelle: BaZ vom 28.03.2014, Seite 5)
Die Schweiz steht mitten in einer Armeereform, die unter dem Eindruck tiefen Friedens in Europa geplant wurde. Der Umbau liegt gegenwärtig dem Parlament zur Beurteilung vor und bringt eine Bestandeshalbierung auf 100?000 Angehörige. Bewegt sich die Schweiz angesichts des sicherheitspolitischen Umbruchs mit dem Hauptakteur Russland noch in die richtige Richtung? Müsste sie nun auf- statt abrüsten?
Diese Fragen stellte die BaZ gestern Schweizer Sicherheitspolitikern. Der Anlass dazu liegt mit den Ereignissen in der Ukraine auf der Hand; sie stellen in osteuropäischen Ländern bestehende Verteidigungskonzepte infrage. Die baltischen Staaten oder auch Polen fürchten sich vor den Russen und diskutieren die Notwendigkeit höherer Verteidigungsausgaben. Die aktuelle Entwicklung betrifft aber nicht allein die direkten Nachbarn Russlands. Am Mittwoch mahnte US-Präsident Barack Obama sämtliche europäischen Nato-Mitgliedsländer zu Mehrausgaben in ihren Verteidigungsbudgets. Ursache dafür ist die russische Aufrüstung. Auf 700 Milliarden Dollar soll der russische Verteidigungsetat bis 2020 anwachsen und damit jenen der USA übertreffen. Konkret hat Russlands Präsident Wladimir Putin für die nächsten zehn Jahre den Bau von 400 Interkontinentalraketen, acht strategischen Atom-U-Booten, 50 Kriegsschiffen, 600 Kampfjets und 1000 Helikoptern angekündigt.
Keine neue Bedrohungslage
Die Schweizer Sicherheitspolitiker nehmen die Entwicklung zwar mit Besorgnis zur Kenntnis – einen Stopp der aktuellen Armeereform fordert aber keiner. CVP-Ständerat Isidor Baumann (UR) sagt, der neuen Armee seien die verschiedensten Szenarien zugrunde gelegt worden. Die zentrale Frage betreffe weniger die Bestandesgrösse, sondern vielmehr, wie die 100?000 Schweizer Soldaten künftig ausgerüstet werden. Dazu gehöre auch die Beschaffung des Kampfjets Gripen, die Baumann befürwortet. Anlass für eine Umkehr bei der Armeeplanung bestehe für ihn nicht. SVP-Nationalrat Hans Fehr (ZH) stellt die Weiterentwicklung der Armee ebenfalls nicht grundsätzlich infrage. Er sagt aber, man bewege sich damit «an der untersten Grenze an Mitteln und Bestand, um der Armee eine glaubwürdige Auftragserfüllung zu ermöglichen». Fehr will einen 20 Prozent höheren Mannschaftsbestand und ein 20 Prozent höheres Armeebudget – also 120?000 statt 100?000 Mann und einen Verteidigungsetat von sechs statt fünf Milliarden Franken.
Der Tessiner CVP-Nationalrat Marco Romano fordert, dass die Neupositionierung Russlands in der Parlamentsdiskussion über die neue Schweizer Armee analysiert wird. Dem Bestandes­abbau stehe ein Plus von rund 300 Millionen Franken jährlich bei den Ausgaben gegenüber, was sich ausrüstungstechnisch positiv auswirken könne. Für Romano sind aber noch viele Fragen offen. Der Einschätzung internationaler Aspekte sei zentrale Bedeutung beizumessen, auch was die wirtschaftliche Entwicklung von EU-Ländern betreffe.
Der Luzerner Nationalrat Roland Fischer (GLP) sagt derweil, die Schweiz sehe sich durch die aktuelle Entwicklung nicht plötzlich wieder einem Ost-Block gegenüber, wie dies früher der Fall gewesen sei. «Russland verfolgt in der Ukraine spezifische Interessen. Ich sehe deswegen keine neue Bedrohung für die Schweiz.» Wichtiger als ein neues Kampfflugzeug ist für Fischer eine Antwort auf die Bedrohung durch weitreichende Raketen und Marschflugkörper, durch die die Schweiz allenfalls erpresst werden könnte.
Hilft Putin dem Gripen?
SP-Nationalrat Andreas Gross (ZH) befürchtet, dass Putin der Schweiz zum Gripen verhelfen könnte, «so wie Milosevic damals der Schweiz zum F/A-18 verholfen hat». Er hoffe aber, dass die Schweizer merkten, dass sie noch immer über eine viel zu grosse Armee verfügten und dass diese Armee nichts zu einem sicheren Europa beitrage.
Putin verfolge neo-imperiale Ambitionen. Er habe sich an der Krim schadlos gehalten, nachdem er bemerkt habe, dass er die Ukraine nach der dortigen Revolution vergessen könne.

 

Kommentare: 3

  1. Walter Häcki, Engelberg sagt:

    Es ist unglaublich, dass argumentiert wird die Ausrüstung fehle. Wer nüchtern die Lage analysiert sieht rasch, dass wir in der Schweiz 200000 Mann Armeebestand brauchen, um alle Aufgaben Rund um die Uhr und das ganze Jahr leisten zu können. Mit der Reduktion auf 100000 nützt alles Material nichts mehr, weil die Leute fehlen.Dass die WEA schon zu weit fortgeschritten ist um rückgängig gemacht werden zu können. Dabei haben alle militärischen Organisationen in ihren Stellungnahmen gewarnt, man schlägt diese Warnungen in der Verwaltung und den Bundespolitikern den Wind.
    Es ist wirklich zum Heulen
    Walter Häcki Oberst i Gst ai

  2. Hanspeter Gertmann sagt:

    Gelegentlich schaue ich mir den rechts unten angeführten “Live Traffic Feed” an, wo “a visitor from…” angezeigt wird.
    Ich stelle fest, dass in den letzten Monaten immer häufiger Besucher aus Deutschland und vor allen Russland anzutreffen sind.
    Ist das ein Zufall oder legale Nachrichtenbeschaffung zweier grosser möglichen Gegner?
    Vielleicht lässt sich das statistisch korrekt nachvollziehen.

    • Gruppe Giardino sagt:

      Wir können keine auffälligen Aktivitäten aus Russland feststellen. Aus Deutschland kommen – aufgrund der gleichen Sprache – immer wieder Besucher, v.a. wenn wir auf europäische Themen verweisen.

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