Weltwoche erkennt "hidden agenda" in der Sicherheitspolitik
In der Ausgabe Nr. 13.14 der Weltwoche schreibt Urs Paul Engeler auf Seite 22f (“Tage der Wahrheit”) [Hervorhebungen durch Giardino]:
Katastrophal an der Ausrufung des definitiven Paradieses [“Das Ende der Geschichte”, Anm. Giardino] auf Erden war nicht, dass auch diese Heilsverheissung ein epochaler Irrtum war, sondern dass zu viele naive Politiker sie glauben wollten (selbst jene der bislang nüchternen und realistischen Schweiz) und dass viele berechnende Machtpolitiker sie kühl nutzten. Der falsche Prophet Fukuyama stand am Anfang einer Epoche der falschen Internationalisierung der Politik. Penibel schwärmerische Wendungen wie «Relativierung des Nationalstaats», Teilnahme an einer neuen «multilateralen Gouvernanz», Eingliederung des Landes in eine «universelle, durch das internationale Recht bestimmte, friedliche und freiheitliche Weltordnung», «internationale Solidarität» oder «aktive Aussenpolitik» als «Kooperation mit der Weltgemeinschaft» fanden Eingang ins Vokabular der offiziellen Schweiz, untermalt vom dumpf dröhnenden Dauerrefrain «Öffnung! Öffnung! Öffnung!».Im Jahr 1996 unterzeichnete der damalige Bundespräsident Flavio Cotti (CVP) im Nato-Hauptquartier in Brüssel den Vertrag für eine «Partnership for Peace» (PfP). Intern wurden so wohl die Sicherheitspolitik («Sicherheit durch Kooperation») wie auch die Armee auf die Interessen der Nato umgepolt. «Die Armee ist […] als Gesamtsystem auf Interoperabilität [mit der Nato] auszurichten», war in internen Dokumenten zu lesen. Und: Bei der «Schaffung mentaler und prozessorientierter Interoperabilität» gehe es «um die Angleichung der Strukturen und Prozesse an die Nato». Zweimal jährlich pilgern Schweizer Parlamentarier als offizielle fünfköpfige «Nato-Delegation» an die Versammlungen des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrats, der die Verknüpfung von Nato und PfP-Staaten koordiniert. Am 21. Mai 2012 erst, auf dem Nato-Gipfel in Chicago, hat Aussenminister Didier Burkhalter in einer devoten Rede den Nato Befehlshabern abermals versichert, die Schweiz werde in Zukunft solidarisch mittrotten, denn nur eine enge internationale Kooperation könne drohenden Gefahren wir kungsvoll begegnen: «A l’avenir, nous sommes convaincus que seuls des partenariats forts per mettront de faire face aux nouvelles menaces.» […]
Im Friedenstaumel am «Ende der Geschichte», in der blinden Anbetung des sogenannten Völkerrechts und im Irrglauben an eine «Sicherheit durch internationale Kooperation» wurde die Armee bis zur Funktionsuntüchtigkeit abgewrackt. Sie kann, ganz im Sinne der Internationalisten, ihren Auftrag nachweislich gar nicht mehr erfüllen. Von der weiterhin deklarierten «bewaffneten Neutralität» ist kaum mehr etwas geblieben, weder die politische Unparteilichkeit noch die Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Die Abrüstungsschritte haben die Schweiz in die Abhängigkeit «starker Partner» (Burkhalter) getrieben und die Position des selbstbewussten und entschlossenen Neutralen untergraben. Die bewusste Schwächung der Armee hat das Land unfreier gemacht.
[…] Prallen kollektive Interessen auf einander, entstehen Konflikte, regionale oder globale. Können die Antagonismen nicht am Verhandlungstisch beigelegt werden, eskalieren sie zu kriegerischen Handlungen. Die Bereitschaft zur Gewalt ist eine menschliche Kon stante. Jede andere Sicht auf die Welt ist naiv oder dumm.
Für die Schweiz bedeutet der Konflikt, der in der Ukraine aufgebrochen ist, dass die Aussen, die Sicherheits und die Armeepolitik der letzten zwanzig Jahre radikal korrigiert werden müssen. Die entrückten Konzepte der Planer und Politiker, die das Land schon in den EU und Nato-Verbund geschrieben haben, sind zu entsorgen. […]
Mit freundlicher Genehmigung der Weltwoche
Damit bestätigt die Weltwoche in ihrer Einschätzung, was Judith Barben in ihrem Buch “Spin Doctors im Bundeshaus” bereits früher publiziert hat. Bis heute wurden die oben erwähnten Ziele nie offiziell aufgegeben. Es fehlt bis heute eine in Wort und Tat erkennbare Umkehr dieser Politik. Ohne diese dringend notwendige Umkehr fehlt jeder weiteren Armeereform die verlässliche Grundlage.